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Nach Johnsons Rücktritt
Was folgt nach dem Enfant terrible

Gab am Donnerstag seinen Rücktritt als Parteichef der Konservativen bekannt – an seinem Amt als Premierminister versucht er vorerst noch festzuhalten: Boris Johnson.
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Nach nicht einmal drei Jahren in Downing Street Number 10 ist Boris Johnson am Ende. Doch er wäre nicht Boris Johnson, wenn sich der Abgang des politischen Enfant terrible nicht ähnlich turbulent gestalten würde wie seine Amtszeit als Premierminister überhaupt. Wichtige Fragen und Antworten zu seinem Rücktritt:

Boris Johnson ist zurückgetreten – als Parteichef, noch nicht als Premier. Was passiert nun?

Johnsons Vorgängerin Theresa May blieb 2019 nach ihrem Rücktritt im Amt, bis er selbst als ihr Nachfolger feststand. Johnson dürfte sich ein ähnliches Vorgehen wünschen. 

Wenn man ehrlich ist: Bei Boris Johnson weiss man ja nie. Aber im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten. Johnson hatte dem 1922-Komitee seiner Partei am Donnerstagmorgen zwar seinen Rücktritt angekündigt, es zugleich aber wissen lassen, dass er so lange gern im Amt bleibe, bis die Konservativen einen Nachfolger bestimmt haben. Angesichts der Sommerferien bedeutet das: bis zum Herbst. So war das Verfahren auch 2019 bei seiner Vorgängerin Theresa May, die so lange in Downing Street blieb, bis er selbst als ihr Nachfolger feststand. Das dauerte damals allerdings lediglich sechs Wochen.

Viele in seiner Partei sind allerdings nicht ganz glücklich, um es gelinde zu sagen, mit der Aussicht, noch einen ganzen Sommer lang Johnson in Amt und Würden zu wissen. Deshalb wächst der Druck auf ihn, sofort zurückzutreten. Dann würde sein Stellvertreter Dominic Raab als Interimspremier fungieren – es sei denn, dieser will selbst seinen Hut in den Ring werfen – was man bisher nicht weiss. In dem Fall müsste vermutlich ein anderes Kabinettsmitglied gefunden werden.

Könnte es doch noch Neuwahlen geben?

Bei Neuwahlen müssten die Konservativen wohl mit Stimmeinbussen rechnen. 

Johnson selbst hatte diese Möglichkeit ins Spiel gebracht. Aber das war am Mittwochabend, als er mit Unterhausabgeordneten sprach – und es war als Drohung gemeint. Denn dass die Konservativen bei Neuwahlen deutliche Stimmeinbussen hinnehmen müssten, gilt als sicher. Im Moment verfügen sie im Parlament über eine solide Mehrheit. Dieses potenzielle Machtmittel haben Johnsons Kollegen ihm selbst wieder in die Hand gegeben, als sie mit der Tory-Mehrheit den erst im Jahr 2011 verabschiedeten Fixed-term Parliaments Act wieder rückgängig machten, der eine fixe Legislaturperiode von fünf Jahren vorschrieb. Damit erhielt der Premier das alte Vorrecht zurück, jederzeit Neuwahlen anzusetzen.

Allerdings ist es Usus, dass er dafür die Unterstützung des Kabinetts und der eigenen Abgeordneten hat. Das dürfte diesmal nicht der Fall sein. Die BBC hat berichtet, dass der Buckingham Palace schon juristischen Rat eingeholt hat, wie sich die Queen verhalten sollte, wenn Johnson sie dennoch um die Parlamentsauflösung bitten würde. Demnach gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, demzufolge sie das verweigern könnte mit der Begründung, dass die Konservativen ja über eine ausreichende Mehrheit im Parlament verfügen würden.

Wie wird die Nachfolge bestimmt?

Das Amt des Parteichefs der Konservativen wird neu vergeben – die Nachfolge ist noch offen.

Den parteiinternen Regeln der Konservativen entsprechend, braucht jeder Kandidat oder jede Kandidatin zunächst die Unterstützung von acht Kollegen. Danach kann es mehrere Runden geben. In der ersten muss man mindestens fünf Prozent der Abgeordnetenstimmen bekommen, bei der zweiten bereits zehn, danach fliegt jeweils der- oder diejenige raus, die oder der die wenigsten Stimmen auf sich vereinigt hat. Wenn am Ende dieses komplizierten Verfahrens die beiden Besten feststehen, müssen diese sich der Abstimmung aller Parteimitglieder stellen. Wie viel Zeit für jeden der Wahlgänge anberaumt wird, entscheidet das 1922-Komitee.

Was ist eigentlich das 1922-Komitee, und warum ist es so mächtig?

Das 1922-Komitee organisiert seit 2005 die Wahl des neuen Parteivorsitzenden der Konservativen. 

Das parteiinterne Gremium haben die Torys nach der Unterhauswahl 1922 gegründet, daher der Name. Ihm gehören neben dem Vorsitzenden (im Moment der Abgeordnete Graham Brasy) achtzehn sogenannte Hinterbänkler der Unterhausfraktion an, die keine herausragende Funktion innehaben und sich deshalb einen Platz auf den hinteren Bänken in der Abgeordnetenkammer suchen müssen. Im Lauf der Zeit hat das Komitee immer mehr Einfluss gewonnen, seit 2005 organisiert es die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden.

Wer sind die aussichtsreichsten Kandidatinnen und Kandidaten?

Sie gilt als mögliche Bewerberin um die Nachfolge Johnsons: Liz Truss.

Wer in solchen Stunden und Tagen auffallend still bleibt, denkt in der Regel schon an die Zeit danach und die eigene Zukunft. Genauso wird die Zurückhaltung von Liz Truss interpretiert. Die britische Aussenministerin blieb lange schweigsam im Hintergrund, während ihre Partei rund um Boris Johnson in heller Aufregung war. Das macht sie erst recht zu einer möglichen Bewerberin um dessen Nachfolge. Und so hat die 46-Jährige denn auch, kaum dass die Sache am Donnerstagvormittag eskalierte, ihre Reise zum G-20-Gipfel nach Indonesien abgebrochen und sich auf den Weg zurück nach London gemacht. Nach Johnsons Erklärung am Donnerstagmittag twitterte sie, dass dies die richtige Entscheidung sei. Genannt werden viele Namen von Tories, darunter Veteranen wie der frühere Aussenminister Jeremy Hunt, der 2019 im parteiinternen Wettkampf klar an Johnson scheiterte. Zum Kreis jener, die sich Hoffnung machen könnten, zählen die aktuelle Handelsministerin Penny Mordaunt und auch Finanzminister Nadhim Zahawi, jener Parteifreund, der gerade frisch von Johnson ernannt war, als er bereits den Premier selbst zum Rücktritt aufforderte. Populär bei den Konservativen ist Verteidigungsminister Ben Wallace, gerade in Zeiten des britischen Engagements mit militärischen Hilfen für die Ukraine.

Was kann die Opposition jetzt tun?

Findet, es sei an der Zeit für einen «richtigen Regierungswechsel»: Keir Starmer, Chef der oppositionellen Labour Party. 

Wenn in Grossbritannien eine Partei eine Unterhauswahl deutlich gewonnen hat, so wie zuletzt die Tories mit Boris Johnson an der Spitze, hat sie die Macht danach klar in Händen, bis zur nächsten Wahl. Die Opposition gilt als Regierung im Wartestand und kann nicht viel mehr tun, als sich als Alternative zu profilieren. So versucht die britische Labour Party, geführt von Keir Starmer, denn auch von der Krise zu profitieren. Seit 2010 ist Labour in der Opposition. Starmer twitterte am Donnerstagmorgen: «Wir brauchen keinen Wechsel in der Tory-Führung – wir brauchen einen richtigen Regierungswechsel.» Grossbritannien benötige einen «Neustart». Die zwölf Jahre unter den Tories hätten dem Land nicht gutgetan. Am Nachmittag forderte er Johnsons sofortigen Abgang. «Seine eigene Partei hat entschieden, dass es an der Zeit ist.» Starmer warnte, dass Labour ein Misstrauensvotum ins Unterhaus einbringen könnte, um die Sache zu beschleunigen. Doch wahrscheinlicher dürfte es sein, dass die Konservativen die Angelegenheit allein regeln – um weiterregieren zu können.