Versuchter Anschlag in FloridaZwölf Stunden lang konnte er Trump mit seinem Gewehr auflauern
Der Secret Service muss sich Versagen vorwerfen lassen, nachdem ein bewaffneter Mann Donald Trump auf dessen Golfplatz abgepasst hat. Wie ist das möglich?
Hinter sich ein von Palmen gesäumter sechsspuriger Highway, vor sich ein hufeisenförmiger Teich auf dem Trump International Golf Club West Palm Beach: Fast zwölf Stunden lang sass Ryan R. dort in den Büschen an einem Zaun. Der Dachdecker hatte ein halbautomatisches Gewehr mitgebracht, ein Zielfernrohr, eine Videokamera, zwei Rucksäcke. Und sein Mobiltelefon, dessen Daten es den Ermittlern später ermöglichten, diesen Ablauf zu rekonstruieren.
Als Donald Trump den Ball ins fünfte Loch spielen wollte, steckte R. den Lauf seines Gewehrs durch den Zaun. Zwischen 300 und 500 Metern weit entfernt war der Präsidentschaftskandidat der Republikaner noch, bald wäre er nah genug, um auf ihn zu schiessen. Doch dann flogen unvermittelt Kugeln in R.s Richtung: Ein Beamter des Secret Service hatte ihn erspäht. Der Mann floh mit einem schwarzen Nissan, noch am Sonntagnachmittag wurde er auf der Autobahn gestellt. Inzwischen hat man ihn ein erstes Mal einem Haftrichter vorgeführt, bisher nur wegen Verstössen gegen das Waffenrecht.
Schon wieder diese Frage
Seither stellen sich die Vereinigten Staaten eine Frage, die sich schon am 13. Juli aufgedrängt hatte. Wie ist so etwas möglich?
In Butler, Pennsylvania, konnte sich Mitte Juli ein 20-Jähriger mit einem Sturmgewehr auf ein Dach schleichen, von dem er freie Sicht auf Trumps Rednerbühne an einer Wahlkampfveranstaltung hatte. Nur mit viel Glück entging Trump dem Tod, die Schüsse trafen ihn am Ohr. In West Palm Beach, Florida, konnte ein 58-jähriger Dachdecker ohne militärische Ausbildung zwölf Stunden lang auf der Lauer liegen, bis der frühere US-Präsident und Präsidentschaftskandidat der Republikaner auf einem ungesicherten Golfwagen vor sein Gewehr fahren würde. Die Behörden hatten es zunächst als AK-47-Sturmgewehr identifiziert; später stellte sich heraus, dass es ein halbautomatischer Selbstlade-Karabiner des Typs SKS war.
Zum zweiten Mal innerhalb von rund zwei Monaten muss sich der Secret Service Versagen vorwerfen lassen. Die Leibgarde des US-Präsidenten ist auch für den Schutz früherer Amtsträger zuständig. Für den «POTUS», so das Akronym für den President of the United States, gilt die höchste Sicherheitsstufe, für alle anderen sind die Vorkehrungen weniger streng. Der Schutzring um Trump wurde nach dem ersten Attentat verstärkt, dennoch konnte ihn nun ein bewaffneter Mann abpassen. Diesmal erkannten die Personenschützer die Bedrohung rechtzeitig, Ryan R. gelang es nicht, einen Schuss abzugeben.
Die Umgebung war nicht gesichert
Nach dem Attentat von Pennsylvania musste die Direktorin des Secret Service den Posten räumen, nun hat auch Interimsdirektor Ronald L. Rowe harte Fragen zu beantworten. Er musste erneute Lücken im Schutzkonzept einräumen, in der heissen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs. Die Umgebung des Golfplatzes hatte der Secret Service am Sonntag nicht gesichert. Es sei nicht geplant gewesen, dass Trump dorthin gehen würde, sagte Rowe. Sobald sich Pläne ändern, ist der Secret Service aus Zeit- und Personalgründen überfordert.
Bange hatten sich die Amerikaner zunächst gefragt, woher R. wusste, wo er den Republikaner finden würde, im Raum stand die Befürchtung eines Komplotts mit Insidern. Rasch wurde aber deutlich, dass selbst Amateure den Prominenten einfach aufspüren können. Trump ist stets mit einem Tross von Fahrzeugen unterwegs, der sich dank Videos von Schaulustigen im Internet leicht verfolgen lässt.
Unliebsame Fotos, ernsthafte Gefahr
Bekannt ist auch, dass Trump sonntags zum nächstgelegenen seiner Golfplätze fährt, oft in Florida. Fotografen erwischen den 78-Jährigen dort im weissen Polohemd und mit verschwitztem Gesicht statt im dunkelblauen Anzug mit roter Krawatte. Das ist beim Secret Service seit längerem Diskussionsthema, wie die «Washington Post» berichtete: Was sich fotografieren lässt, ist auch in Schussweite der in den USA verbreiteten Kriegswaffen. Nun will der US-Kongress den Secret Service durchleuchten, eine Untersuchung zu Pennsylvania wird ausgeweitet auf den Vorfall in Florida. Die Schutzgarde soll mehr Geld und Personal erhalten; sowohl Vertreter beider Parteien als auch Präsident Joe Biden haben ihre Unterstützung signalisiert.
Es soll nicht noch einmal möglich sein, dass ein Mann wie Ryan R. bewaffnet in die Nähe des Präsidentschaftskandidaten gelangen kann. Er war online mit wirren Beiträgen aufgefallen. 2016 war er noch Trump-Wähler, später bezeichnete er ihn als Idioten in einem Buch mit dem Titel «Der ungewinnbare Krieg der Ukraine», veröffentlicht im Selbstverlag. Nach eigenen Angaben versuchte R., Kämpfer für die Ukraine zu gewinnen, galt aber in einschlägigen Kreisen als Angeber und Betrüger. Mit der Polizei war er schon mehrfach in Konflikt geraten, unter anderem wegen seiner Gewehre.
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