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Spaltung wegen Nahostkonflikt in den USA
Gaza-Proteste kosten schon die dritte Top-Frau das Amt

UNITED STATES - APRIL 17: Minouche Shafik, president of Columbia University, testifies during the House Education and the Workforce Committee hearing titled "Columbia in Crisis: Columbia University's Response to Antisemitism," in Rayburn building on Wednesday, April 17, 2024. (Tom Williams/CQ-Roll Call, Inc via Getty Images)
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Als «Zeit der Turbulenzen» beschreibt Minouche Shafik ihre kurzen 13 Monate als erste Frau an der Spitze der renommierten Columbia University in New York. Es ist ein Understatement, das zum Lebenslauf der Ökonomin passt, die in Ägypten geboren wurde und in den USA aufgewachsen ist, den grössten Teil ihrer Karriere aber in Grossbritannien absolviert hat.

Am Mittwochabend hat sie überraschend per sofort ihr Amt niedergelegt, einen Tag nach ihrem 62. Geburtstag und kurz vor dem Beginn des neuen akademischen Jahrs. In ihrem Rücktrittsschreiben führt sie an erster Stelle private Gründe an, die «beträchtliche Belastung für meine Familie». Auch solle Columbia die anstehenden Herausforderungen am besten unter neuer Führung angehen.

Bereits die dritte Ivy-League-Präsidentin

Gemeint ist die tiefe Spaltung der Universität wegen des Nahostkonflikts, die eine Protestwelle von Studierenden im ganzen Land ausgelöst hat. Shafik scheidet freiwillig aus dem Amt, wie der Universitätsrat deutlich machte, der ihren Abschied bedauerte. Doch schreibt sie, dass sie traurig sei darüber – und sie lässt keinen Zweifel daran, dass die Demonstrationen der Auslöser sind, auch wenn sie diese nicht direkt erwähnt: Es sei «schwierig gewesen, die gegenläufigen Haltungen in unserer Gemeinschaft zu überwinden».

Die Ökonomin ist bereits die dritte Präsidentin aus dem exklusiven Kreis der Eliteschulen der sogenannten Ivy League, die im Zusammenhang mit den Gaza-Protesten aus dem Amt scheidet. Dabei hatte es zunächst so gewirkt, als verhalte sich Shafik geschickter als ihre zwei Kolleginnen Claudine Gay und Liz Magill. Die Präsidentinnen von Harvard und der Pennsylvania University hatten sich Ende 2023 bei einer Anhörung des Kongresses um Kopf und Kragen geredet, als sie ausweichend auf Fragen nach Antisemitismus auf dem Campus antworteten.

Ausgerechnet am Schauplatz der Vietnam-Proteste

Hingegen versprach Shafik, gegen antisemitische Parolen durchzugreifen, als sie vier Monate später in Washington antraben musste. Am selben Tag besetzten Studierende das Herz des Columbia-Campus, um einen Boykott israelischer Institutionen und Unternehmen zu fordern. Die Präsidentin rief die New Yorker Polizei zu Hilfe und liess das Protestlager zweimal räumen. Hunderte wurden festgenommen und von der Universität mit Strafen belegt, ausgerechnet auf jenem Campus, auf dem die Polizei 1968 Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg gewaltsam niedergeschlagen hatte.

Die Strategie von Shafik ging nicht auf. Die Bilder aus New York rüttelten Studierende in anderen Landesteilen auf, rasch besetzten sie Plätze und Gebäude an weiteren Schulen. An der Columbia University wurde die Präsidentin von den einen beschuldigt, die Redefreiheit sowie die akademische Freiheit verletzt zu haben. Jüdische Studierende und Lehrpersonen hingegen warfen ihr vor, zu wenig unternommen zu haben, um ihre Sicherheit zu garantieren.

«Drei erledigt, es warten noch viele mehr»

An Shafik wurde damit wie zuvor an Gay und Magill sichtbar, wie tief der Nahostkonflikt die amerikanische Gesellschaft spaltet und wie schwierig es geworden ist, Kompromisse zu finden angesichts der gegenläufigen Forderungen pro-israelischer und pro-palästinensischer Kräfte. Gerade im Wahljahr verstärkt die polarisierte Politiklandschaft den Druck. Die New Yorker Abgeordnete Elise Stefanik, enge Verbündete von Donald Trump im Kongress, kommentierte Shafiks Rücktritt mit den Worten: «Three down, so many to go» – «Drei erledigt, es warten noch viele mehr».

Auch die Proteste dürften wieder aufflackern, wenn das neue akademische Jahr beginnt. Ganz erlöscht sind sie ohnehin nicht. Vergangene Woche mussten drei Dekane wegen eines Chats mit antisemitischen Stereotypen abtreten. Nächste Woche wollen Aktivisten den Parteitag der Demokraten als Plattform nutzen, um einen Kurswechsel der USA zu fordern, die Israel mit Geld, Waffen und Informationen unterstützen.

An der Columbia University übernimmt Katrina A. Armstrong, seit zwei Jahren an der Schule, interimistisch das Präsidium. Sie wurde bekannt als Chefärztin des Spitals von Harvard, wo sie am ersten Arbeitstag die Versorgung der Opfer des Bombenanschlags auf den Boston Marathon organisieren musste.