USA geloben BesserungHalten die notorischen Klimasünder ihre Versprechen?
Die US-Amerikaner gehören zu den grössten Treibhausgas-Verursachern. Präsident Biden und sein Klimagesandter John Kerry geloben rasche Besserung. Aber können sie das überhaupt?
Ohne die USA und China geht nichts an der nächsten Klimakonferenz Ende Monat in Dubai: Die Amerikaner sind für 11 Prozent der Treibhausgase verantwortlich, die Chinesen für 29 Prozent. Hoffnung macht Klimaschützern, dass US-Präsident Joe Biden sein Land auf einen grüneren Kurs geführt hat als sein Vorgänger Donald Trump. Biden versprach, die USA bis 2050 klimaneutral zu machen.
Noch etwas grösser sind die Hoffnungen seit Anfang November. Bidens Klimagesandter John Kerry verständigte sich mit seinem chinesischen Gegenpart Xie Zhenhua auf einen Plan zur weiteren Reduktion des Treibhausgas-Ausstosses. Zuvor hatten die beiden rivalisierenden Länder zwei Jahre lang keine Klimagespräche mehr geführt.
Eine Einigung der zwei Riesen ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass an der Klimakonferenz ein Abkommen im grösseren Kreis möglich ist. Die USA und China wollen demnach die Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 verdreifachen, Kohlendioxid-Speicher schaffen und für ihre Sparziele endlich sämtliche Treibhausgase berücksichtigen, vor allem das potente Methan.
Die USA sind zu langsam unterwegs
Doch wie sehr ist den Versprechungen der US-Amerikaner überhaupt zu trauen, die auch nach Jahrzehnten der Klimapolitik deutlich mehr Treibhausgase ausstossen als die allermeisten anderen Menschen in westlichen Industrieländern? Seit der Jahrtausendwende haben die USA die Emissionen pro Kopf um knapp 30 Prozent vermindert, deutlich stärker als die Europäer – aber auch ausgehend von einem viel höheren Niveau. Und deutlich zu langsam: Um 2 Prozent jährlich sank der Ausstoss der USA bisher, nötig wären jedoch rund 6 Prozent.
Nach wie vor ist das Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten der schlimmste Klimasünder unter den OECD-Staaten hinter Australien und Kanada. Rund 18 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente pro Kopf haben die USA im vergangenen Jahr in die Atmosphäre gepufft. In der EU-27 liegt der Vergleichswert bei 8 Tonnen, in Deutschland bei 9,5 Tonnen, in der Schweiz bei rund 5 Tonnen.
Investitionsoffensive für das Klima
Unter Joe Biden schlägt das Land nun ein forscheres Tempo an. Mehr als 800 Milliarden Dollar hat der Kongress für Investitionen in den Klimaschutz zur Verfügung gestellt, was die Emissionen jährlich um 4 Prozent reduzieren dürfte. Hatten die USA zuvor versucht, den Kohlendioxid-Ausstoss zu verteuern, wählte Biden einen neuen Ansatz: Öffentliche Gelder und Steueranreize sollen private Investitionen in erneuerbare Energien verbilligen und vorantreiben. Unter anderem soll spätestens 2030 jedes zweite verkaufte Auto ein elektrisches sein, dank Steuerrabatten und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Unabhängige Forscher berechneten, dass die Kohlendioxid-Emissionen der USA dank diesen Massnahmen bis 2035 auf knapp die Hälfte des Werts von 2005 sinken dürften. Allerdings verfehlen die USA weiterhin ihr Pariser Versprechen, dieses Ziel schon 2030 zu erreichen. Forscher empfehlen darum, Kohlekraftwerke früher ausser Betrieb zu nehmen, die industrielle Produktion zu optimieren sowie Land- und Forstwirtschaft auf klimafreundlichere Methoden umzustellen. Der «Climate Action Tracker», eine wissenschaftliche Evaluation der Klimapolitik diverser Länder, bewertet vor allem die US-amerikanische Klimafinanzierung als «absolut unzureichend».
Klimaschutz nach Bidens Art
Biden denkt allerdings nicht daran, sich in absehbarer Zeit weitgehend von fossilen Brennstoffen zu verabschieden, wie das die europäischen Länder beim Gipfel in Dubai anstreben werden. Sparbemühungen und Einschränkungen sind in den USA denkbar unpopulär, und der Stand des Ölpreises dürfte im kommenden November eine entscheidende Rolle spielen, wenn die US-Amerikaner ihren nächsten Präsidenten wählen.
Nur ein Drittel von ihnen sagt derzeit in Umfragen, der Klimaschutz müsse politisch die höchste Priorität geniessen; auf der Liste der drängendsten Probleme landet der Klimawandel auf Platz 17 von 21. Mitunter darum hat Biden im Frühling die Bewilligung für das Willow Project in Alaska erteilt, das grösste Ölförderungsvorhaben der USA.
Bezeichnenderweise stammen auch die Gelder für seine Klimaschutzoffensive aus einem Gesetzespaket namens «Inflation Reduction Act», einem Investitions- und Wachstumspaket, mit dem Biden der hohen Teuerung nach der Covid-Pandemie entgegenwirken wollte. Den Klimaschutz reichte er lediglich als – durchaus üppige – Beilage dazu.
In Dubai werden die US-Vertreter viel Gewicht auf den technologischen Fortschritt legen, etwa die Einlagerung von Kohlendioxid in den Boden. John Kerry wird zudem das Versprechen einer klimaneutralen Kernfusionstechnologie vortragen. Während in bisherigen Kernkraftwerken Atomkerne gespalten wurden, sollen die Anlagen der Zukunft Atomkerne verschmelzen, ein Prozess, der sich etwa in der Sonne abspielt und hohe Energiemengen freisetzt, ohne radioaktive Strahlung.
Kernfusion sei kein Experiment mehr, sagte Kerry vor kurzem in Boston, sondern «eine aufkommende Klimalösung»: Er will in Dubai eine Strategie für eine beschleunigte Kommerzialisierung vorstellen. Allerdings ist die Technologie noch Jahrzehnte von der Marktreife entfernt, für die Klimapolitik bis 2035 dürfte ihr Beitrag vernachlässigbar sein.
Der Unsicherheitsfaktor Donald Trump
Umso mehr dürften die anderen Länder in Dubai darauf drängen, dass die USA und China griffigen Massnahmen zustimmen. Dann wird sich weisen, ob John Kerry und Xie Zhenhua mit ihrer Einigung ein Fundament geschaffen haben, auf dem sie aufbauen werden – oder ob sie bereits die Decke eingezogen haben.
Selbst im Fall eines Verhandlungserfolgs dürften Klimaschützer sich allerdings nur verhalten freuen. Präsident Biden muss sich in einem Jahr der Wiederwahl stellen, es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Donald Trump. Dieser hatte sein Land aus den Pariser Klimaverträgen zurückgezogen. Sollte der Republikaner noch einmal ins Weisse Haus einziehen, wird er die Klimapolitik bestimmt erneut auf den Kopf stellen.
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