Sozialausbau und KlimaschutzBiden halbiert sein Sozial- und Klimapaket, um es zu retten
Für den US-Präsidenten rückt ein wichtiger innenpolitischen Erfolg in Reichweite, gerade zur rechten Zeit. Dafür muss seine Partei dem moderaten Flügel aber weit entgegenkommen.
Das Tauziehen um zwei Prestigeprojekte von Joe Biden nähert sich dem Ende. Es verspricht doch noch ein gutes zu werden für den US-Präsidenten, dessen Umfragewerte sich seit Monaten im Sinkflug befinden, weil er zu spärlich Wahlversprechen umgesetzt hat. Der Erfolg könnte sich gerade noch rechtzeitig einstellen vor den anstehenden Wahlen in Virginia und New Jersey.
Am Donnerstagmittag hat Biden nach einem Treffen mit seiner Partei seinen Vorschlag zur Beilegung des Streits um sein Sozial- und Klimapaket veröffentlicht. Gleich danach setzte er sich in die Air Force One und flog nach Rom, wo er zu Papst Franziskus und dem Treffen der G-20 geht, dem der Klimagipfel in Glasgow folgt. Auch dort wird erwartet, dass Biden etwas vorweisen kann: Die internationale Gemeinschaft will wissen, wie die USA ihre Klimaverpflichtungen einzulösen gedenken.
Schrumpfkur unter Tränen
Innenpolitisch wichtiger ist für Biden das Preisschild seiner «Build Back Better»-Agenda. 3,5 Billionen Dollar hatte Biden vorgeschlagen, nun sind es mit 1,75 Billionen Dollar noch halb so viel. Die Schrumpfkur ist die Folge eines monatelangen Streits zwischen dem moderaten und dem linken Parteiflügel der Demokraten. Öffentlich ausgetragen und emotional aufgeladen, legte er tiefe Risse offen. Der moderate Senator Joe Manchin sagte jüngst, der enorme Druck habe ihn mehrmals Tränen gekostet.
Trotzdem scheinbar eiskalt hat er zusammen mit Senatorin Kyrsten Sinema seine Machtposition ausgespielt. Die Demokraten sind im Senat auf jede einzelne Stimme angewiesen. Die Vetomacht erlaubte es den beiden, sowohl die Klima- als auch die Sozialmassnahmen und deren Finanzierung zu zerpflücken. Auf der Strecke geblieben sind zentrale Forderungen des linken Parteiflügels wie kostenlose College-Zugänge, tiefere Medikamentenpreise und ein bezahlter Betreuungs- und Elternurlaub von 12 Wochen.
«Wir helfen der Sandwich-Generation, die finanziell zermalmt wird.»
Kohleunternehmer Manchin verhinderte die Einführung einer Kohlendioxidsteuer und ein Sanktionssystem für Energieunternehmen. Gemeinsam torpedierte er mit Sinema Einnahmen wie eine neue Milliardärstaxe zur Finanzierung der Zusatzausgaben.
Biden musste den Moderaten weit entgegenkommen. Nun geht er mit einem letzten Angebot in die Offensive, um seine zerstrittene Partei zu einer raschen Abstimmung zu zwingen. Gelingt das Manöver, kann er mit der halbierten Summe doch einen symbolischen Erfolg vorweisen, zumal eine ganze Reihe von Herzensanliegen der Demokraten gerettet scheinen. Er wolle die Mittelschicht als Fundament der amerikanischen Wirtschaft stärken, sagte Biden: «Wir helfen der Sandwich-Generation, die finanziell zermalmt wird.»
Mehr Geld für Vorschulen, Steueranreize zum Klimaschutz
Die Vorschule für 3- und 4-Jährige wird ausgebaut, eine Erhöhung des Kindergelds und Steuerzuschüssen für Geringverdienende zumindest um ein Jahr verlängert, Obamacare etwas erweitert und Medicare für Hörbehinderte verbessert. In den Klimaschutz sollen 555 Milliarden Dollar fliessen, hauptsächlich in Form von Steueranreizen zum Klimaschutz und zur Elektrifizierung des Verkehrs.
Für die Auslagen aufkommen sollen Unternehmen und einkommensstarke Amerikaner. Firmen sollen mindestens 15 Prozent Steuern zahlen, Einkommen über 10 Millionen Dollar werden stärker besteuert. 400 Milliarden Dollar einbringen soll ein Ausbau der Steuerbehörde IRS.
Offen blieb zunächst, ob Bidens Paket bereits die Zustimmung aller Demokraten erhalten hat. Senatorin Sinema begrüsste seine Vorschläge, nachdem sie zuvor monatelang Kritik geübt oder geschwiegen hatte. Manchin liess sich noch nicht in die Karten blicken.
Die Unzufriedenheit im linken Lager
Mittlere Unzufriedenheit bis Konsternation machen sich im progressiven Flügel breit. Einige Mitglieder hatten schon leise gedroht, ein zu kleines Paket abstürzen zu lassen. Ihnen bleibt aber keine andere Wahl, als die Schrumpfkur hinzunehmen, sofern sie überhaupt ein Sozial- und Klimaprogramm wollen. Der linke Senator Bernie Sanders etwa, der zu Beginn 6 Billionen Dollar gefordert hatte, pries nun Bidens Fassung als Werk, wie es der Kongress seit den 1960er-Jahren nicht mehr genehmigt habe.
Um ein Pfand in der Hand zu haben, haben die linken Abgeordneten die Abstimmung über ein 1,9 Milliarden schweres Infrastrukturpaket aufgeschoben, bis für das Sozial- und Klimapaket eine Mehrheit gesichert ist. Wie rasch diese Abstimmungen nun vor sich gehen, war am Donnerstag zunächst nicht absehbar, es sollte aber rasch vorwärtsgehen. Die progressive Wortführerin Pramila Jayapal beharrte jedoch darauf, zuerst die konkreten Gesetzestexte zu sehen.
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Die Republikaner, so viel ist klar, weichen nicht von ihrer Fundamentalopposition ab, auch nicht jene aus Staaten, die profitieren würden. Greg Steube aus Florida fasste es zusammen: «Die Biden-Agenda führt Amerikaner in den Ruin.»
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