Trendwende im KlimaschutzGlobale Emissionen könnten im nächsten Jahr erstmals sinken
Wenn das eintrifft, was Klimaforscher anhand der aktuellen energetischen Entwicklungen sehen, wäre das ein Meilenstein. Doch dann beginnt die Arbeit erst.
Die Anstrengungen im internationalen Klimaschutz könnten im nächsten Jahr erstmals Wirkung zeigen. Es gibt gute Gründe, dass die globalen Emissionen der Treibhausgase 2024 trendmässig zu sinken beginnen. Das ist das Resultat einer eben veröffentlichten Studie von Climate Analytics.
Das Forschungsinstitut verfolgt seit langem die globale Klima- und Energiepolitik. Nun appellieren die Autoren der Studie an die Regierungen, die sich ab nächste Woche für knapp zwei Wochen in Dubai zur nächsten UNO-Klimakonferenz treffen: Es wäre ein starkes Signal, wenn sich die Staaten darauf einigen könnten, noch vor 2025 den ansteigenden Trend der Emissionen umzukehren. «Unsere Analyse zeigt, dass dieses Ziel realistisch ist», schreibt die Forschungsgruppe.
«Es muss alles unternommen werden, damit sich die Erde nicht mehr als 1,5 Grad erwärmt.»
Damit rufen die Forschenden die Empfehlung des Weltklimarates IPCC in Erinnerung: Die grösste Chance bestehe, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, wenn die Treibhausgase noch vor 2025 sinken und die Vertragsstaaten des Klimaabkommens von Paris die Emissionen bis 2030 um 43 Prozent reduzieren.
Die 192 Staaten haben sich vor acht Jahren an der historischen Klimakonferenz in Paris an den Erkenntnissen der Klimaforschung orientiert: Die Erderwärmung muss deutlich unter 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bleiben. Und mehr: Es soll alles unternommen werden, dass sich die Erde nicht mehr als 1,5 Grad erwärmt.
Die Forschergruppe von Climate Analytics sieht nun starke Anzeichen in ihren Modellen, dass die Emissionen in diesem Jahr das Maximum erreichen und in den nächsten Jahren zu sinken beginnen.
Doch was macht sie so optimistisch? Bisher steht die Entwicklung der globalen Emissionen im Widerspruch zu den ehrgeizigen Klimaplänen vieler Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens: die Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Erdgas und Erdöl bis 2050 gegen null zu senken.
Der Trend der Emissionen zeigt aber Jahr für Jahr stets nach oben. Auch in diesem Jahr ist ein Wachstum von etwa 1 Prozent zu erwarten, wie Daten des «Center for International Climate Research» in Norwegen zeigen.
Welches sind die wichtigsten Faktoren, die zu dieser optimistischen Sicht führen?
Enormes Wachstum der erneuerbaren Energie.
Wenn der aktuelle weltweite Wachstumstrend bei der Solar- und Windenergie weiter anhält, so die Resultate der Studie, wird schon bald die Nachfrage nach erneuerbarer Energie grösser sein als für fossile. Zahlen des unabhängigen Energie-Thinktanks Ember zeigen, dass die fossile Stromproduktion weltweit bereits in diesem Jahr den Zenit erreichen könnte und nun kontinuierlich sinkt.
Eine herausragende Rolle spielt dabei China: Das Land hat in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres die Produktionskapazität der Solar- und Windenergie um 160 Gigawatt (GW) erhöht, und sie wird vermutlich bis Ende Jahr auf 200 GW ansteigen. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 betrug das Wachstum 120 GW. In China könnten deshalb die Emissionen früher als erwartet bereits 2024 sinken.
Die EU wird in den Modellierungen den Anteil der Sonnen- und Windenergie bei der Stromnachfrage von 22 Prozent im Jahr 2022 auf 37 Prozent im Jahr 2025 steigern. Positive Entwicklungen sind auch in den USA sichtbar. Dort wurde 2022 mehr Strom aus erneuerbaren Quellen produziert als aus Kohle und Kernenergie.
Energieeffizienz steigt, CO₂-Intensität sinkt
Noch 2005 gab es nur 13 Länder weltweit, in denen die Emissionen der Treibhausgase zu sinken begannen. Darunter die USA, eine Gruppe europäischer Länder, etwa Deutschland, Grossbritannien und Italien. Danach stieg die Zahl beträchtlich.
Heute gibt es mehr als 50 Staaten, deren Emissionen zurückgehen. Diese Staaten sind für über ein Viertel des Ausstosses an Treibhausgasen verantwortlich. Bemerkenswert ist dabei: Der grösste Treiber für die Reduktion der Emissionen war eine Verbesserung der Energieeffizienz und die Reduktion der CO₂Intensität, das heisst etwa der Ersatz von Kohle durch Erdgas.
Beschleunigte Elektrifizierung
Die Autoren der Studie sehen auch einen wichtigen Faktor in der Zunahme der Elektrofahrzeuge. Die Zahl der verkauften elektrischen Fahrzeuge hat sich seit 2020 verdreifacht, in diesem Jahr sind schätzungsweise 14 Millionen verkauft worden, davon 8 Millionen in China. Das zeigen Zahlen der IEA. Das sind zwar derzeit nur wenige Prozent des gesamten globalen Fahrzeugparks. Doch steigt das Wachstum in den nächsten Jahren in gleichem Masse und mehr, dann dürfte nach Ansicht der Forschenden die Nachfrage nach Erdöl deutlich sinken. Die Autoren rechnen damit, dass dies ab 2025 der Fall sein wird.
«Wir haben die Muskeln antrainiert, aber stehen erst am Start.»
ETH-Forscher Reto Knutti attestiert der Studie grosse Glaubwürdigkeit. Doch er warnt auch: «Obwohl das ermutigende Zeichen sind, die Aufgaben sind damit natürlich noch nicht gemacht», sagt der Klimaforscher. «Wir haben uns bildhaft gesprochen die Muskeln antrainiert und die technischen Möglichkeiten geschaffen, aber wir stehen erst am Start und müssen nun von einem Rekordhöchststand der Emissionen auf null, ins Ziel.»
So sehen es auch die Forschenden von Climate Analytics. Die Trendwende bei den Emissionen sei erst der Beginn «einer langen Reise». Vom Ziel, eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad zu verhindern, ist man damit noch weit entfernt. Dafür braucht es mehr: Die weltweite Kapazität der erneuerbaren Energien müsse verdreifacht werden, die Energieeffizienz verdoppelt und die Elektrifizierung nicht nur im Verkehr, sondern auch in der Industrie und in den Haushalten beschleunigt werden. Dazu kommt, dass nicht nur CO₂, sondern auch Gase wie Methan etwa aus der Landwirtschaft und der Erdgasindustrie stark sinken müssten.
Ob die Regierungen sich für diese ehrgeizigen Anstrengungen an der Klimakonferenz in Dubai aussprechen, wird sich zeigen. Immerhin sind sie auf der Agenda der Verhandlungen. Und ob der Optimismus der Forschenden von Climate Analytic Gewissheit wird, lässt sich erst in den nächsten Jahren feststellen – wenn tatsächlich ein fallender Trend, bei jährlichen Schwankungen, bei den globalen Emissionen ersichtlich wird.
Noch gibt es einige politische Unsicherheiten, welche die Zuversicht relativieren können. Zu den grössten gehören: Wird China vom geplanten grossen Ausbau der Kohlekraft absehen? Und wie stark wird die angekündigte Förderung der fossilen Energie der Erdölstaaten sein?
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