Protest gegen Erdölförderung «Biden hat gerade junge Leute geohrfeigt»
In Alaska soll Erdöl gefördert werden, genehmigt von der US-Regierung. Weltweit gibt es heftige Proteste – vor allem auf Tiktok und Instagram. Warum die Wut über das «Willow Project» so gross ist.
Der Norden Alaskas ist selbst für die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner weit weg, Luftlinie sind es von Washington, D.C., nach Nuiqsut fast 5500 Kilometer. Der Ort hat knapp 500 Einwohner, ist im Winter über eine Eisstrasse zu erreichen und sonst hauptsächlich im Kleinflugzeug. Gerade waren dort minus 17 Grad Celsius angesagt, in der Hauptstadt plus 26.
Aber um dieses etwas abgelegene Revier dreht sich ein Streit, der dem US-Präsidenten Joe Biden nicht gefallen kann. Es geht um Öl, es geht um die Natur – und es geht um die Wucht sozialer Netzwerke, über die der Fall auch Schweizer Smartphones erreicht.
Die Erlaubnis aus dem Weissen Haus widerspricht dem Wahlversprechen des Demokraten, neue Bohrplätze für Öl und Gas in solch empfindlichen Ökosystemen zu verbieten. Sie passt zweitens mässig zu seinem Milliardenplan der Energiewende, weg von fossilen Brennstoffen. «Keine weiteren Bohrungen auf Bundesland», hatte Biden angekündigt. «Punkt.»
Viele sind wütend, andere freuen sich über neue Arbeitsplätze
Jetzt argumentiert seine Verwaltung grob gesagt, dass sie den Plan wegen gültiger Pachtverträge ohnehin nicht habe stoppen können. Zum vorläufigen Ausgang gibt es allerdings sehr unterschiedliche Ansichten, sie reichen von Begeisterung bis zu Wut mit stetig wachsendem Echo.
600 Millionen Barrel Öl liegen im eisigen Boden der Projektregion, Milliarden Dollar wert. 180'000 Fässer sollen täglich hinaufgepumpt werden, wenn es irgendwann losgehen sollte – für die Befürworterinnen und Befürworter ein wichtiger Beitrag zur künftigen Versorgung der USA, wo ja Spritpreise ein steter Aufreger sind, auch im angehenden Wahlkampf für 2024.
Zu den Unterstützern zählen ausser den Betreibern führende Politikerinnen und Politiker Alaskas aus beiden grossen Parteien sowie Ureinwohner am sogenannten North Slope, wo die Nationale Petroleum Reserve liegt und das Willow Project erlaubt wurde. Conoco Philipps nennt es «die richtige Entscheidung für Alaska und unsere Nation». Von Arbeitsplätzen (erst 2500 heisst es, später um die 300) und Fortschritt ist die Rede, wie üblich bei solchen Projekten. Es wird Anlagen brauchen, Strassen, Landepisten, Pipelines.
Lieber Öl aus Alaska statt aus Venezuela?
Die republikanische Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska findet, es sei doch besser, Öl aus amerikanischem Boden zu holen, statt es Ländern mit schrecklicher Umweltbilanz wie Venezuela abzukaufen. Auch will die Biden-Regierung das Gros der Gegend dort oben schützen; aber ihr Bureau of Land Management hat errechnet, dass durch die Folgen von Willow Project jedes Jahr 9,5 Millionen Tonnen zusätzliches Kohlendioxid freigesetzt würden.
Ökologen und Biologen sind schwer enttäuscht von Biden. «Es gibt keine Version dieses Projekts, die nicht die Tür zu 30 Jahren klimabedrohenden Treibhausgasemissionen öffnet», zitiert die Zeitung «Politico» Kristen Miller, Geschäftsführerin von Alaska Wilderness. Für Bridget Psarianos von Trustees for Alaska ist es «eine völlig inakzeptable Bedrohung für das Reservat, für den Lebensunterhalt und für das Klima». Verbände reichen erneut Klagen ein, Verfahren werden den Bau mindestens verzögern.
#StopWillow ist ein Hit im Internet
Eine Petition bei Change.org gegen das Willow Project haben bisher mehr als 4,7 Millionen Menschen unterzeichnet. Ähnlicher Betrieb ist anderswo im Internet, nicht zuletzt auf Tiktok, da erzeugt das Thema eine Flut von Clicks. Videoclips dort zeigen verschneite Landschaften, Eisberge, Eisbären, Flammen aus Ölfördertürmen, Ölrohre – und Biden. #StopWillow ist ein Hit. «Biden hat gerade junge Leute geohrfeigt», sagt da zum Beispiel eine junge Frau, sie bekam Zehntausende Likes, ihr Video sahen Hunderttausende.
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«Das ist nicht nur eine Umweltbewegung, das ist grösser», sagte dem Sender CNN der Tiktoker Alex Haraus, dessen Clips millionenfach gesehen wurden. «Es ist die amerikanische Öffentlichkeit, die wählen kann.» Es sind offenbar auch junge Schweizerinnen und Schweizer, die sich auf diesem Kanal über das Öl aus der Arktis empören. Bidens Begeisterung für Tiktok wird das im Zwist mit Peking kaum steigern, wegen grundsätzlicher Bedenken gegen die chinesische Plattform wurde am Donnerstag deren CEO Shou Zi Chew im Kongress gehört. Willow droben in Alaska kann die Demokraten Stimmen kosten. Beruhigen dürfte Biden, dass die Republikaner das Öl ebenfalls fliessen lassen wollten.
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