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Wolodimir Selenski im TV-Interview
«Ohne diese Hilfe haben wir keine Chance, den Krieg zu gewinnen»

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski im Gespräch mit der US-amerikanischen Abendnachrichtensendung «PBS News Hour».
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¨Für die Ukraine ist die Lage ernst: Seit einigen Wochen machen die russischen Streitkräfte vermehrt Vorstösse entlang der Frontlinie. Mit intensiven Luftangriffen beschiessen die Russen verschiedene Städte – etwa die östliche Millionenstadt Charkiw. Und wegen fehlender Materialien können sich die ukrainischen Soldaten und Soldatinnen kaum gegen die Attacken wehren. (Mehr dazu: Fällt Tschassiw Jar, können schnell weitere Städte folgen)

Der Oberst des österreichischen Bundesheers und Ukraine-Experte Markus Reisner warnte kürzlich in einem Gespräch mit dieser Zeitung, dass es zu einem «Dammbruch-Effekt» kommen könne, wenn eine Seite keine Ressourcen mehr habe. Die Folge wäre ein russischer Vorstoss, der kaum mehr zu stoppen ist. Dies könne alles «sehr schnell gehen».

Und dieses Szenario scheint immer realistischer zu werden. Schon seit längerem warnen ukrainische Beamte, dass die Unterstützung durch die USA für die ukrainischen Streitkräfte von entscheidender Bedeutung ist. Der ukrainische Generalleutnant Kirilo Budanow warnte kürzlich, dass es ohne westliche Unterstützung «katastrophal schwierig» sein werde, eine für Ende Mai oder Anfang Juni erwartete russische Grossoffensive abzuwehren.

Russland sei zurzeit 10-mal stärker, sagt Selenski

In einem Interview in der US-Abendnachrichtensendung «PBS News Hour» spricht nun auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski über die Lage an der Front. Während er sich in früheren Interviews betont optimistisch gab, äussert er nun seine grosse Besorgnis über die stockende Hilfe aus dem Westen: «Ich kann ganz offen sagen, dass wir ohne diese Unterstützung keine Chance haben, zu gewinnen», so der ukrainische Präsident.

Man müsse sehr viel stärker sein als der Feind, so Selenski. Doch das Schussverhältnis beträgt laut dem Präsidenten gegenwärtig 1 zu 10 zugunsten Russlands. So könne man die Stellungen an der Front nicht halten: «Mit diesen Statistiken werden sie uns auf jeden Fall jeden Tag zurückdrängen.» Um 100 Prozent ihre kontrollierten Gebiete verteidigen zu können, müsste das Verhältnis 10 zu 10 betragen, so Selenski.

Die Lage sei sehr schwierig für die Ukraine: «Wir kämpfen gegen eine grosse Armee. Sie kümmern sich nicht um das Leben ihrer Soldaten. Sie bilden sie nicht aus.» Die russischen Streitkräfte seien zwar nicht so trainiert wie die ukrainischen – doch sie seien sehr viele.

Blockierte US-Hilfspakete eine «Schande für die Welt»

Ukraine-Experte Markus Reisner geht davon aus, dass in den kommenden Wochen und Monaten wohl «weitere 300’000 russische Soldaten zulaufen werden». Derweil kämpft die Ukraine mit der Rekrutierung von neuen Soldaten. Selenski unterzeichnete am Dienstag ein umstrittenes neues Mobilisierungsgesetz. Dieses senkt das Mindestalter für Reservisten von 27 auf 25 Jahre und sieht unter anderem härtere Strafen für Kriegsdienstverweigerer vor. (Lesen Sie dazu: Wie die Ukraine mehr Soldaten mobilisieren will)

Seit Monaten blockieren die Republikaner im US-Kongress zudem ein Hilfspaket für die Ukraine im Umfang von 60 Milliarden Dollar. Das Paket beinhaltet neben der Ukraine-Hilfen zusätzlich 14 Milliarden Dollar Kriegshilfe für Israel und weitere 8 Milliarden Dollar für Taiwan. Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, plant nun getrennte Abstimmungen über die Hilfspakete. Die Finanzierungen für Israel und Taiwan haben gute Chancen, durchgewinkt zu werden. Doch das Ukraine-Paket dürfte weiterhin blockiert werden.

Im Interview findet Selenski direkte Worte für die getrennte Abstimmung über die Hilfspakete, die zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht definitiv war. «Es bedeutet, dass es hier nicht um Sicherheit geht. Es ist reine Politik, und es ist eine Schande für die Welt.» Eine Aufteilung der Unterstützung bedeute, dass es «um die bevorstehenden Wahlen» in den USA gehe. «Niemand kümmert sich darum, wie viele Menschen in der Ukraine jeden Tag sterben.» Die Politiker interessierten sich «nur für ihre Zustimmungsraten».

Selenski über Schweizer Friedensgipfel

Die Moderatorin fragte Selenski, ob angesichts der schwierigen Situation an der Front der richtige Zeitpunkt gekommen sei, über die Verhandlung eines Abkommens nachzudenken. Man habe der Welt bereits eine «Friedensformel» angeboten, entgegnete Selenski.

Der ukrainische Präsident erwähnte den Friedensgipfel, der im kommenden Juni in der Schweiz stattfinden soll. «Dort werden wir einen Plan zur Beendigung dieses Krieges ausarbeiten.» Russland werde jedoch nicht anwesend sein, da man mit Präsident Wladimir Putin nicht verhandeln könne, so Selenski: «Er braucht den Sieg. Und für ihn besteht der Sieg darin, die Ukraine zu zerstören.»