Spektakel auf der PisteSteiler als Kitzbühel und Schweizer in Hochform – so wird die Ski-WM
Die Medaillenjagd in Courchevel und Méribel könnte für die Schweiz goldig werden. Doch Vorsicht vor der Piste – und einem Duo, das zum Paarlauf ansetzt.
Wie goldig ist die Ausgangslage für die Schweiz?
![Strahlefrau: An der WM 2021 in Cortina glänzte Lara Gut-Behrami mit Gold im Riesenslalom und Super-G.](https://cdn.unitycms.io/images/FG9JyWn9qjY9RHNllXApze.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=j306idVdyVM)
Es ist angerichtet: Die Schweiz sollte dieser WM den Stempel aufdrücken. In sämtlichen 13 Wettbewerben besitzt Swiss-Ski gute bis sehr gute Medaillenchancen. Marco Odermatt ist im Riesenslalom und im Super-G sogar klar zu favorisieren und gehört auch in der Abfahrt zu den Medaillenanwärtern. Loïc Meillard zählt in den technischen Disziplinen sowie in der Kombination zum engsten Favoritenkreis, im Slalom hat Daniel Yule zwei Saisonsiege vorzuweisen – und Ramon Zenhäuserns Formkurve zeigt steil nach oben. 28 Podestplätze haben die Schweizer in 28 Saisonrennen herausgefahren, dass sieben Athleten dafür verantwortlich waren, zeugt von einer breiten Spitze.
Bei den Frauen ist Lara Gut-Behrami Titelverteidigerin im Super-G und Riesenslalom, zwei Medaillen von ihr wären auch in Frankreich keine Überraschung. Im Riesenslalom fährt sie so schnell wie nie seit ihrem Triumph im Gesamtweltcup vor sieben Jahren. Im Slalom ist Wendy Holdener die Nummer 2 hinter Mikaela Shiffrin, auch in der Kombination ist mit ihr zu rechnen, wobei die Amerikanerin auch im Zweiteiler schwer zu bezwingen sein wird. Gold zu verteidigen hat überdies Corinne Suter in der Abfahrt, eine Medaille ist ihr abermals zuzutrauen, wobei sie nicht mehr so konstant fährt wie auch schon und zudem den Sturz von Cortina zu verdauen hat.
Kurz: Die Rekordausbeute von 14 Medaillen der Fabel-WM 1987 in Crans-Montana werden die Schweizer kaum übertreffen. Neun Auszeichnungen wie vor zwei Jahren in Cortina jedoch müssten drinliegen. Auch der Sieg im Medaillenspiegel scheint fast Pflicht. Da klingt Österreichs Zielsetzung von vier bis sechs Medaillen fast schon bescheiden.
Was folgt hinter den Schweizer Stars?
![Besitzt Aussenseiterchancen: Joana Hählen könnte in den Speed-Disziplinen für eine Überraschung sorgen.](https://cdn.unitycms.io/images/8jNo5EzBKcd9d1_ZmMG4R-.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=WOOfAFGuE90)
Auch die zweite Schweizer Garde ist mit Ambitionen nach Frankreich gereist. Bei den Männern gilt in der Abfahrt: aus sechs mach vier. Stefan Rogentin, Justin Murisier, Gilles Roulin und Alexis Monney dürften um die zwei Plätze neben den Gesetzten Odermatt und Niels Hintermann stechen.
Auch bei den Frauen gibt es in der Abfahrt ein Überangebot (sechs Fahrerinnen für fünf Startplätze). Eine Überraschung zuzutrauen ist Joana Hählen, die Bernerin schaffte es letzten März an der WM-Hauptprobe auf Rang 2. Michelle Gisin steht derweil nach ihrem Skimarkenwechsel noch immer ohne Podestplatz da, sie könnte dennoch in fünf Disziplinen zum Einsatz gelangen. In der Kombination sind ihre Chancen wohl am grössten, wobei sie auf Ausrutscher der Konkurrenz angewiesen sein dürfte.
Nicht mit dabei ist Elena Stoffel – trotz erfüllter Limite. Weil vier weitere Slalomfahrerinnen die Selektionsvorgaben erreicht haben, blieb die Walliserin aussen vor. Es seien Tränen geflossen, sagte Stoffel, sie könne den Entscheid akzeptieren, «aber verstehen kann ich ihn nicht».
Wen gilt es sonst zu beachten?
![Endlich WM-Gold? An Risikobereitschaft wird es Draufgängerin Sofia Goggia gewiss nicht mangeln.](https://cdn.unitycms.io/images/0f0VgdlK4Bi9AkhHhMQodf.jpg?op=ocroped&val=1600,1067,1000,1000,0,0&sum=M3aPKIiwxAU)
Es gibt eine Athletin, die derzeit alles in Grund und Boden fährt. Im Weltcup ist Mikaela Shiffrin noch einen Triumph von der Fabelmarke von 86 Siegen entfernt – gesetzt von Ingemar Stenmark Ende der 80er-Jahre. Zuletzt hat sie diese nur deshalb nicht erreicht, weil sie im zweiten Slalom-Lauf von Spindlermühle mit der Aussicht, Sporthistorie zu schreiben, leicht nervös wurde. Doch selbst in diesem Zustand reicht es der derzeit besten Skifahrerin zu Rang 2 – mit nur sechs Hundertsteln Rückstand auf Lena Dürr. In Slalom und Riesenslalom wird der Sieg über die 27-jährige Amerikanerin führen. Und auch im Super-G gehört sie zu den Favoritinnen, erst recht, da sie die Hauptprobe 2022 auf Rang 2 abschloss.
In der Abfahrt wiederum wird Sofia Goggia alles daransetzen, erstmals WM-Gold zu holen. Die Olympiasiegerin von 2018 gönnte sich jüngst ein paar Tage Auszeit in Dubai, nachdem sie in der zweiten Abfahrt von Cortina d’Ampezzo gestürzt war.
Bei den Männern dürfte Aleksander Kilde auch an der WM zum grossen Gegenspieler der Schweizer – vorab von Marco Odermatt – in den Speed-Disziplinen werden. Der Lebensgefährte von Shiffrin gewann in diesem Winter fünf der acht Abfahrten, mit derjenigen von Kitzbühel auch die letzte vor der WM. Gut möglich also, dass diese WM zum Paarlauf wird mit dem Duo Kilde/Shiffrin.
In den technischen Disziplinen wiederum hat Kildes norwegischer Landsmann Henrik Kristoffersen gute Aussichten, zur grossen Figur zu werden. Der 28-Jährige mischt stets ganz vorne mit in den Riesenslaloms und Slaloms – dürfte aber gerade auch aus der Schweiz einigen Widerstand spüren.
Wer fehlt?
![Harte Zeiten: Max Franz sass nach seinem schweren Sturz eine Zeitlang im Rollstuhl und fehlt an der WM.](https://cdn.unitycms.io/images/5co8WN4OqULAVG4qJgP7pD.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=D6AUvXmixn4)
Die Weltmeister von 2021 in Cortina sind alle noch dabei, und doch gibt es prominente Absenzen. Da sind natürlich die während der Saison zurückgetretenen Beat Feuz, vor zwei Jahren Gewinner von Abfahrts-Bronze, Mauro Caviezel und Matthias Mayer. Von den Schweizern fehlt auch Urs Kryenbühl, der in der Abfahrt die Selektionsrichtlinien erfüllt hat, in Bormio aber eine Kreuzbandverletzung erlitt. Verpassen wird die Titelkämpfe aller Voraussicht nach der Norweger Lucas Braathen, der sich notfallmässig am Blinddarm operieren lassen musste. Im Slalom wäre er der Topfavorit gewesen.
Noch schlimmer hatte es im November Max Franz erwischt. Nachdem er sich beide Beine brach, sass er gar wochenlang im Rollstuhl. Im österreichischen Speedteam hätte der 33-Jährige wohl einen Fixplatz gehabt. Nach seinem Sturz in Adelboden fehlt auch der Franzose Victor Muffat-Jeandet, dem in der Kombination zumindest Aussenseiterchancen eingeräumt worden wären.
Bei den Frauen muss Ester Ledecka passen. Die tschechische Alleskönnerin, die im Snowboard die Nummer 1 der Welt ist – und vor zwei Jahren in Cortina eine Ski-Medaille zweimal um einen Wimpernschlag verpasste.
Welche Rennsport-Vergangenheit haben die WM-Orte?
Courchevel ist aus dem Weltcupkalender der Frauen nicht mehr wegzudenken. Seit 2010 schwingen sich die Technikerinnen die Piste Stade Emile Allais hinunter, seit 2019 ausschliesslich in Riesenslaloms. Vor der fixen Aufnahme in den Weltcupkalender und der Ansetzung der Rennen jeweils Ende Dezember fand hier nur ein Wettkampf auf höchster Stufe statt: 1979 gewann Ingemar Stenmark vor dem Schweizer Peter Lüscher und dem Jugoslawen Bojan Krizaj einen Riesenslalom.
Derweil ist Co-Gastgeber Méribel lediglich noch und auch nur unregelmässig im zweithöchsten Europacup vertreten, seit es 2015 aus dem Weltcupplan gefallen ist. Damals fanden die Finalrennen des Weltcups wie 2022 in den französischen Alpen statt. Nun tragen die Frauen sämtliche WM-Rennen auf der Piste Roc de Fer aus, auch die Medaillen in den Parallelrennen werden hier vergeben. Derweil die Männer in Courchevel auf der Strecke L’Eclipse um Edelmetall kämpfen.
Wie waren die Hauptproben 2022?
![Sie haben die Piste im Griff: Am Weltcup-Final 2021/22 mussten sich Marco Odermatt (links) und Gino Caviezel (rechts) im Super-G einzig Vincent Kriechmayr geschlagen geben.](https://cdn.unitycms.io/images/B1qKSUtv4YMARZ5fQDep4O.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=Mqw6FWr_etw)
Die Finalrennen vor einem Jahr lieferten den Vorgeschmack. Und der war ziemlich gesalzen. Die Piste L’Eclipse – übersetzt Finsternis – mache ihrem Namen alle Ehre, befand Vincent Kriechmayr, nachdem er sowohl Super-G als auch Abfahrt gewonnen hatte. «Du kommst herunter, es wird immer dunkler, eisiger und schwieriger – im Schnitt ist es sogar steiler als in Kitzbühel», sagte er gegenüber der «Kronen-Zeitung».
Nicht nur der 31-Jährige, auch die Schweizer kamen damit vorzüglich zurecht, im Super-G flankierten Marco Odermatt und Gino Caviezel den Oberösterreicher auf dem Podest. Auch in der Abfahrt wurde Odermatt Zweiter – und der jüngst zurückgetretene Beat Feuz Dritter (die verrücktesten Anekdoten des Skirentners lesen Sie hier: Und Schwarzenegger bewundert ihn für seine Oberschenkel).
Den Riesenslalom gewann der Nidwaldner sogar, und Loïc Meillard wurde Dritter. Allerdings fanden 2022 sämtliche technischen Bewerbe in Méribel statt. Die schnellen Schwünge auf dem Schnee von Courchevel werden also auch für sie eine Premiere.
Wie oft hatte Frankreich schon Weltmeisterschaften?
![Wieder in Savoyen: 2009 fanden in Val-d’Isère letztmals Weltmeisterschaften in Frankreich statt.](https://cdn.unitycms.io/images/8LEbypaDaWf9vWhcRcB6O3.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=_OtMHDnJs8Y)
Was hatten die Franzosen nicht für wunderbare Skifahrer und Skifahrerinnen. Jean-Claude Killy, diesen Künstler in allen Disziplinen, der sich gleich bei der Einführung des Weltcups 1967 zum Besten seines Fachs krönte. Luc Alphand, in den 90er-Jahren dreimal der beste Abfahrer, Jean-Baptiste Grange, 2011 und 2015 Slalom-Weltmeister, Régine Cavagnoud, unerschrockene Tempobolzerin, 2001 verstorben nach einem Zusammenprall mit einem deutschen Coach auf einer Trainingspiste. Marielle Goitschel, Allessiegerin vor Einführung des Weltcups, Carole Merle, 22-fache Weltcupsiegerin, Tessa Worley, noch immer eine der besten Riesenslalomfahrerinnen. Clément Noël, jüngst Champion im Slalom von Schladming.
Oder: Alexis Pinturault, Gesamtweltcupsieger von 2021, begnadeter Techniker noch immer. Für ihn werden die nächsten Tage besonders speziell. Seine Familie betreibt in Courchevel ein Luxushotel, Pinturault fährt also eine WM vor der Haustür. Es ist für Franzosen eine Seltenheit. Gemessen an der Anzahl hochkarätiger Athleten und Athletinnen sind sie gar selten Gastgeber von Titelkämpfen gewesen, viermal nur, 1937 in Chamonix erstmals, 2009 in Val-d’Isère letztmals. Zum Vergleich: Allein St. Moritz bringt es auf fünf Weltmeisterschaften.
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