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Meinung

Replik auf Milei-Skepsis
Der Staat soll keine Schulen und Universitäten betreiben

Zwei Männer in Anzügen unterhalten sich neben einer Treppe in einem modernen Innenraum.
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Am 24. Januar 2025 nahm der argentinische Präsident Javier Milei unter dem Jubel von rund 600 Zuschauerinnen und Zuschauern in Kloten den Röpke-Preis für Zivilgesellschaft entgegen. Ausgezeichnet hatte den libertären Regierungschef das Liberale Institut, das vom Schweizer Publizisten Oliver Kessler geleitet wird.

Diese Redaktion fragte darauf in einem Beitrag Mileis Schweizer Anhänger, wie sie denn dessen Rezepte hierzulande konkret umsetzen würden. Oliver Kessler beantwortet die Frage am Beispiel der Bildung wie folgt:

In seinem Beitrag äusserte Redaktor Sandro Benini Zweifel, ob konsequent liberale Reformen, wie sie der argentinische Präsident Javier Milei zurzeit im Schnellzugstempo einführt, in einem Land wie der Schweiz ebenfalls umgesetzt werden könnten. Die Antwort lautet: natürlich. Sie müssen es sogar, wenn wir nicht schleichend alles verlieren wollen, was uns lieb ist.

Der Liberalismus war schon von jeher hauptverantwortlich für den Erfolg der Schweiz. Die Tradition des Schweizer Freiheitsverständnisses reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Damals verteidigten die Eidgenossen ihre Unabhängigkeit gegenüber der Steuertyrannei eines fremden Herrn, die sie durch eine freiwillige Gemeinschaft mit einem Mindestmass an gemeinsamen Regeln zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum ersetzten. Dies widerspiegelt die beiden Komponenten der Freiheitsidee: Auflehnung gegen Zwang und Bereitschaft zur freiwilligen vertraglichen Bindung.

Auch heute noch verkörpert der Liberalismus eine Idee, die uns aus einer verkorksten Situation befreien kann, in der der Staat aus allen Nähten platzt. Die schweizerische Staatsquote (Staatsausgaben in Prozent zum Bruttoinlandprodukt) ist heute doppelt so hoch wie 1960, die Gesetzesbücher werden immer mehr und immer dicker. Der Staatseinfluss nimmt überall zu und droht die Gesellschaft zu ersticken. Jetzt muss sich etwas ändern.

Will die Schweiz «vom etatistischen Morast befreien»: Oliver Kessler, Direktor des Liberalen Instituts in Zürich und Autor des Buches «Freiheitsdiät: Erfolgsrezepte für eine fitte Schweiz».

Zwar ist die Schweiz gemäss dem Index wirtschaftlicher Freiheit 2024 das wirtschaftlich drittfreiste Land der Welt. Doch diese relativ gute Platzierung ist weniger den besonders freiheitlichen Bedingungen in der Schweiz, sondern vielmehr den noch miserableren Umständen im Ausland zu verdanken. Wo also könnte angesetzt werden, um Verbesserungen für die hiesige Bevölkerung zu erzielen? Schauen wir uns dazu beispielhaft den Bildungsbereich an.

Ein hoher Lebensstandard setzt Arbeitsteilung und Spezialisierung voraus. Nur so kann sich jeder auf das konzentrieren, was ihm am besten liegt, was er am besten kann und ihm am meisten Freude bereitet. Gerade eine arbeitsteilige Gesellschaft ist auf Bildungsvielfalt angewiesen – sowohl thematische wie auch methodologische. Es braucht folglich eine grosse Toleranz für individuelle Wege. Was es nicht braucht, sind staatliche Vorgaben, Zwänge und einen verordneten Bildungseinheitsbrei. Es gilt daher, folgende Reformen anzupacken:

Freiwillig

Bürokraten sollten keine verbindlichen Lehrpläne für alle aufstellen dürfen. Weshalb sollten wir einigen Menschen die Macht geben, über den Bildungsweg aller anderen bestimmen zu dürfen?

Freie Lehrmittelwahl

In einigen Kantonen wie etwa im Kanton Zürich legt der Bildungsrat fest, welche Lehrmittel die Lehrpersonen obligatorisch zu verwenden haben. Diese Lehrmittel müssen dann gezwungenermassen angeschafft werden. Das ist falsch. Einzig die freie Lehrmittelwahl ist liberal.

Freie Schulwahl

Sämtliche Vorgaben, wonach man nur bestimmte Schulen innerhalb eines vorgeschriebenen geografischen Gebiets besuchen darf, müssen abgeschafft werden. Die grössere Wahlfreiheit intensiviert den Wettbewerb zwischen den Anbietern, was tendenziell die Bildungsqualität erhöht.

Fairer Bildungswettbewerb

Der Staat darf sich nicht in den Markt für Bildung einmischen und diesen verzerren, indem er eigene Schulen und Universitäten betreibt. Denn er kann die privaten Mitbewerber durch künstlich vergünstigte Preise ausstechen, die er nur deshalb offerieren kann, weil er jemanden zwingt, den wahren Preis zu bezahlen. Laut Artikel 62 der Bundesverfassung muss der Grundschulunterricht «unter staatlicher Leitung oder Aufsicht» stehen. Diesen und weitere Artikel, die zu einer Verstaatlichung der Bildung geführt haben, gilt es aus der Bundesverfassung zu streichen.

Bildung ohne Zwang

Die Kinder gehören nicht dem Staat. Sie sollen sich auf ihren ganz persönlichen Bildungsweg machen dürfen, unabhängig davon, ob und wie lange dieser durch ein Schulzimmer führt. Dabei werden sie in den allermeisten Fällen von ihren Eltern oder anderen Betreuungspersonen liebevoll unterstützt und begleitet. Die Angst, dass viele Kinder ohne Gewaltandrohung des Staates keine Bildung mehr erhielten, ist realitätsfern.

Eine möglichst gute Ausbildung ist im Eigeninteresse eines jeden Kindes und seiner Eltern. Es ist daher eine Illusion, dass die Nachfrage nach Bildung durch das Gewaltmonopol stimuliert werden könnte. Den Schulzwang gilt es deshalb aufzuheben. Eine Kompromisslösung wäre es, ihn vorerst nur auf Stufe Bund zu streichen und es damit den Kantonen freizustellen, ob sie Kinder in das Schulsystem nötigen wollen oder nicht. So wird sich zeigen, mit welchem System die Kantone besser Familien anlocken können: durch Zwang oder Freiwilligkeit.

Unterstützung von Bedürftigen

Den Eltern, die sich das Schulgeld nicht leisten können, sollen in erster Linie die Familie, Freunde und Bekannte finanziell unter die Arme greifen, in zweiter Linie die erweiterte Zivilgesellschaft – z.B. Stiftungen und Hilfswerke, die den Zweck der Bildungsfinanzierung für Mittellose verfolgen. Echte Solidarität und zwischenmenschliche Wärme ersetzt so die Zwangsumverteilung von Eigentum.

Die Möglichkeiten in der Schweiz zur Befreiung der Bevölkerung vor staatlicher Unterdrückung und Ausbeutung sind grenzenlos. Auch in anderen Sphären wie dem Gesundheitswesen, der Medienpolitik oder der Altersvorsorge gäbe es enormes Reformpotenzial. Vieles davon mag derzeit noch «utopisch» und «realpolitisch unmöglich» erscheinen.

Doch früher oder später werden uns die ökonomischen Realitäten keine andere Wahl mehr lassen, als uns vom etatistischen Morast zu befreien, unter dem die Schweiz zunehmend leidet. Je früher wir die nötigen Schritte in Angriff nehmen, desto besser.