Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Vier Unternehmen in der Krise
In Peter Spuhlers Imperium zeigen sich tiefe Risse

Portrait von Stadler Chef Peter Spuhler, aufgenommen in der PCS Holding in Frauenfeld.
21.11.2022
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Monaten hat der Thurgauer Bahnunternehmer Peter Spuhler die Geduld verloren: Unter dem Eindruck einbrechender Aufträge und eines stark gesunkenen Aktienkurses gab der von ihm dominierte Winterthurer Traditionskonzern Rieter am Freitagmorgen bekannt, dass er weitere 400 bis 600 Arbeitsplätze streicht.

Das ist bereits die zweite Hiobsbotschaft von Rieter innerhalb von nur drei Monaten. Am 20. Juli hatte der Spinnereimaschinenhersteller angekündigt, dass er rund 300 Stellen in Verwaltungsfunktionen abbaut. In Winterthur, wo sich der Konzernhauptsitz befindet, betraf diese erste Abbauwelle rund 100 Arbeitsplätze.

In der jetzt angekündigten zweiten Abbauwelle streicht Rieter bis zu 600 Arbeitsplätze in Fabriken in Deutschland, Tschechien, China und Indien. Insgesamt baut das Unternehmen damit bis zu 900 Stellen ab. Mitte Jahr beschäftigte es weltweit 5555 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Spuhler hält ein Drittel der Aktien von Rieter und ist damit der mit Abstand grösste Aktionär. Es wird ihn nicht freuen, dass die Aktie seit dem Höchststand vor gut zwei Jahren wegen des flauen Geschäftsgangs bei gleichzeitig steigenden Material-, Energie-, Arbeits- und Produktionskosten um 66 Prozent eingebrochen ist. Allein in den vergangenen sechs Monaten betrug das Minus fast 20 Prozent.

Nun greift Spuhler zum Sparhammer. Beschlossen wurde das im Verwaltungsrat, in dessen Strategieausschuss der Hauptaktionär sitzt. Der Auftragseingang sei in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 59 Prozent eingebrochen, begründete Konzernchef Thomas Oetterli.

Die Nachfrage nach Textilmaschinen sei ausser in China weltweit eingebrochen. Auch das Geschäft mit Bau- und Ersatzteilen habe sich abgeschwächt. Gleichzeitig führten die hohen Strom- und Rohmaterialpreise und die steigenden Zinsen zu höheren Kosten.

Existenznot bei Swiss Steel führt zu Ruf nach Staatshilfe

Rieter ist nicht Spuhlers einziges Sorgenkind. Der Unternehmer ist auch Grossaktionär beim Luzerner Stahlhersteller Swiss Steel, beim Winterthurer Autozulieferer Autoneum und beim Thurgauer Bahnbauer Stadler Rail – und allen läuft es zurzeit nicht gut.

Am schlimmsten ist die Lage bei Swiss Steel. Das Unternehmen, das einst Schmolz + Bickenbach hiess und vor vier Jahren kurz vor dem Konkurs stand, ist erneut in seiner Existenz bedroht, wie die «SonntagsZeitung» kürzlich schrieb. Wegen der drastisch gestiegenen Energiekosten machte Swiss Steel in den vergangenen zwölf Monaten fast 100 Millionen Franken Verlust.

Der Aktienkurs sackt seit geraumer Zeit ab. Innerhalb eines Jahres hat er 59 Prozent an Wert verloren, innerhalb der vergangenen sechs Monate 29 Prozent.

Spuhler ist davon besonders betroffen, da er 20 Prozent der Aktien hält, seit er im Juni dem Grossaktionär und Amag-Besitzer Martin Haefner gut 8 Prozent der Swiss-Steel-Aktien abgekauft hatte. Der dritte Grossaktionär ist der international sanktionierte russische Oligarch Viktor Vekselberg.

Der Verwaltungsrat hat umfangreiche Sparmassnahmen beschlossen. Die Personalkosten sollen gesenkt, alle nicht unbedingt nötigen Ausgaben gestrichen und sieben Fabriken in Osteuropa verkauft werden.

Ob das reichen wird, ist ungewiss. Darum ertönt jetzt der Ruf nach Staatshilfe. SP-Ständerat Roberto Zanetti und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr haben zwei Motionen zur Unterstützung der Stahlproduktion in der Schweiz eingereicht. So können sie sich vorstellen, den Stahlwerken den Stromnetzzuschlag vorübergehend zu erlassen.

Da die Stahlproduktion im Swiss-Steel-Werk in Emmenbrücke LU riesige Mengen an Energie verschlingt, würde dies die Erfolgsrechnung wesentlich entlasten. Spuhler, der wie Gutjahr für die Thurgauer SVP im Nationalrat sass, streitet ab, dass er hinter dem Vorstoss steckt.

Stadler Rail leidet unter dem starken Franken

Selbst bei dem von Spuhler gross und erfolgreich gemachten Unternehmen Stadler Rail läuft es zurzeit nicht gut. Seit dem Börsengang vom 12. April 2019 ist der Aktienkurs um 29 Prozent eingebrochen, seit dem Höchststand vor dreieinhalb Jahren sogar um 37 Prozent. Allein in den vergangenen sechs Monaten betrug das Minus gut 14 Prozent.

Da Spuhler 41,5 Prozent der Aktien hält, trifft ihn dieser Kurszerfall besonders stark. Zurückzuführen ist er auf den zunehmend starken Franken und die höheren Energie- und Rohstoffkosten.

Zwar jubelte Spuhler im August über den rekordhohen Auftragsbestand von 25 Milliarden Franken. Doch weil bei weitem nicht alle Verträge von Stadler Rail gegen die Teuerung und das Währungsrisiko abgesichert sind, schmilzt die ursprünglich geplante Gewinnmarge dahin.

Dieses Problem haben auch andere Firmen, doch bei Stadler ist es besonders gross. Denn zwischen Angebotsabgabe, Vertragsunterschrift und der Auslieferung der bestellten Zügen vergehen mehrere Jahre.

Ob Spuhler den Abwärtstrend drehen kann, ist ungewiss. Schon im März 2022 musste er sein mittelfristiges Ziel, die Marge auf 8 bis 9 Prozent zu erhöhen, nach hinten schieben. Die Grossbank UBS schreibt in einem neuen Bericht, angesichts der höheren Energie- und Rohstoffkosten und der Währungsverschiebungen sei es unwahrscheinlich, das Ziel innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erreichen.

Autoneum kommt seit Jahren nicht vom Fleck

Keine Freude dürfte Spuhler auch am Autozulieferer Autoneum haben. Seit dem Höchststand vor gut sechs Jahren hat die Aktie 65 Prozent eingebüsst. In den vergangenen sechs Monaten waren es 15 Prozent.

Spuhler ist zusammen mit dem Industriellen Michael Pieper der Hauptaktionär von Autoneum. Die beiden haben eine Aktionärsgruppe gebildet, die 38,5 Prozent der Aktien hält. Im siebenköpfigen Verwaltungsrat sind sie damit die beiden einflussreichsten Figuren.

Zwar hat Autoneum im ersten Halbjahr vom Anstieg der Produktionsvolumen bei den Autoherstellern profitiert und konnte den Umsatz und den Gewinn deutlich steigern. Doch der Aufschwung nach dem Ende der Pandemie war von kurzer Dauer. Wegen der Abschwächung des Weltwirtschaftswachstums stagniert die Autoproduktion bereits wieder. Sie werde sich in der näheren Zukunft kaum erholen, sagt Analyst Walter Bamert von der Zürcher Kantonalbank.

Doch die in der Autoindustrie üblichen Auf-und-Ab-Zyklen vermögen den Kurszerfall bei Autoneum nicht zu erklären. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat das Unternehmen mehrfach seine Gewinnziele zurücknehmen müssen. Mal waren es hausgemachte Probleme, dann der Chipmangel, dann der Ukraine-Krieg.

Gut möglich, dass Spuhler auch bei diesem Unternehmen bald die Geduld ausgeht.

In einer ersten Version hiess es, Stadler Rail habe im März ihr mittelfristiges Ziel, die Marge auf 8 bis 9 Prozent zu erhöhen, nach hinten schieben müssen. Die Anpassung dieses Ausblicks erfolgte nicht im März 2023, sondern bereits im März 2022.