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Sicherer Hafen Schweiz
Der Franken wird stärker – im ungünstigsten Moment

Coins of 1 Euro (left) and coins of 1 Swiss Franc (right), pictured on July 21, 2011. (KEYSTONE/Martin Ruetschi)
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Wenn die Nervosität in der Weltwirtschaft steigt, dann trifft das oft auch die Schweiz. Und zwar wegen des Frankens: Er gilt als sicherer Hafen, den Anlegerinnen in unsicheren Zeiten bevorzugen. Deshalb legt die Schweizer Währung während finanzieller oder geopolitischer Krisen oft an Wert zu.

Der Nahostkonflikt, der vor kurzem eskaliert ist, macht da keine Ausnahme. Nachdem die Hamas am 7. Oktober israelische Zivilisten angegriffen hatte, setzte eine Flucht in den Franken ein. Die Schweizer Währung verteuerte sich, im Gegenzug wurde der Euro billiger. Diese Woche stieg der Franken gegenüber dem Euro sogar auf ein Allzeithoch.

Die Schweiz hat damit – wieder einmal – einen starken Franken.

Über dem fairen Wert

Veranschaulichen lässt sich das am «fairen Wert», zu dem der Franken gegenüber dem Euro eigentlich gehandelt werden müsste, wenn man den fundamentalen Eigenschaften der beiden Währungsräume Rechnung trägt.

Nikolay Markov, Ökonom bei der Bank Pictet, setzt diesen fairen Wert knapp über der Parität an: bei 1.01 Franken pro Euro. An der Börse erhält man für einen Euro aber zurzeit nur 94,5 Rappen – rund 6 Prozent weniger. Im Umkehrschluss bedeutet das: Der Franken ist im aktuellen Handel überbewertet. Im Vergleich zum fairen Wert ist er um 6 Prozent zu teuer.

Der faire Wert eines Wechselkurses ist eine Schätzgrösse: Er variiert je nach Berechnungsmethode. Ökonomen der UBS setzen ihn aktuell bei 1.00 Franken pro Euro an. Die Bank Raiffeisen kommt auf rund 98 Rappen und die Zürcher Kantonalbank auf 97 Rappen pro Euro. Gemessen an letzterer Marke wäre der Franken beim derzeitigen Handelskurs von 94,5 Rappen gut 2 Prozent zu teuer.

Diese Zahlen sind im historischen Vergleich zwar nicht alarmierend. Nach dem «Frankenschock» von 2015 war die Schweizer Währung deutlich stärker als heute: Ihr Handelskurs lag, nachdem die Nationalbank unerwarteterweise die Eurountergrenze aufgehoben hatte, um 10 bis 15 Prozent über dem fairen Wert. Dies brachte die hiesige Exportindustrie in einige Schwierigkeiten, weil ihre Produkte für ausländische Käufer plötzlich deutlich teurer wurden.

Allerdings spitzt sich in diesen Tagen eine Entwicklung zu, die schon vor einer Weile eingesetzt hat. Der Franken hat über die letzten zwölf Monate nicht nur gegenüber dem Euro – der Währung der wichtigsten Handelspartnerländer der Schweiz –, sondern auch gegenüber dem Dollar zugelegt. Setzt sich dieser Trend fort, könnte das für Teile der hiesigen Wirtschaft ungemütlich werden.

Industrie im Dilemma

Denn die Konjunktur ist bereits seit geraumer Zeit flau. Dieses Jahr dürfte die Schweizer Wirtschaft um weniger als 1 Prozent wachsen. Hauptgrund ist der weltweite Abschwung, der im Verlauf des laufenden Jahres eingesetzt hat. Er stellt exportorientierte Firmen in der Schweiz vor Schwierigkeiten, die auf Aufträge aus dem Ausland angewiesen sind, beispielsweise aus Deutschland oder China.

«Zahlreiche Unternehmen haben sich in unseren Umfragen zuletzt über die schwache internationale Nachfrage beklagt», sagt Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. «Der starke Franken war demgegenüber noch kaum ein Thema. Doch das könnte sich in nächster Zeit ändern.»

Wertet der Franken auf, so wird es für Unternehmen zusätzlich schwierig, die schwache Auftragslage wegzustecken. Besonders exponiert seien Branchen wie die Chemie-, die Maschinen- und die Metallindustrie, sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom bei Raiffeisen. «Sie merken den Abschwung meist als Erste und haben oft auch weniger Preissetzungsmacht als etwa die Phramaindustrie.»

Frankenstärke auch in Uhrenbranche ein Problem

Die Maschinenbranche exportiert fast 80 Prozent ihrer Produkte. «Einen graduell stärker werdenden Franken können die Firmen in der Regel verkraften, jedoch nicht diese relativ schnellen Aufwertungsbewegungen», sagt Noé Blancpain, Sprecher von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Der Verband wisse von vielen Mitgliedsfirmen, für die der Wechselkurs die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Schweiz infrage stelle. «Das wird angesichts der weltweit schwachen Industriekonjunktur, die den Preiswettbewerb anheizt, zu einem immer grösseren Problem», sagt Blancpain.

Auch in der Uhrenbranche sei die Frankenstärke ein Problem, bestätigt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie. Die Uhrenhersteller müssten ihre Margen reduzieren oder die lokalen Verkaufspreise in anderen Ländern erhöhen. Ein Dilemma: Entweder sinkt der Umsatz – oder es leidet die Wettbewerbsfähigkeit.

Nationalbank stabilisiert den Franken

Immerhin: Die Schweizer Exportunternehmen sind nicht die einzigen, die mit widrigen Bedingungen konfrontiert sind. Auch die ausländische Konkurrenz hat zu kämpfen. So haben etwa die Energiekosten in Deutschland stärker zugenommen als in der Schweiz, und auch die Löhne sind dort stärker gestiegen.

«Das erklärt, warum ein Wechselkurs von 95 Rappen heute viel weniger ein Problem ist, als es zur Zeit des Frankenschocks noch gewesen wäre», sagt Elias Hafner, Devisenstratege bei der Zürcher Kantonalbank.

Trotzdem scheint auch die Nationalbank besorgt. Anzeichen deuten darauf hin, dass sie mit Devisenkäufen der Frankenaufwertung entgegenwirkt. Ein Hinweis darauf sind die Sichtguthaben, die Geschäftsbanken bei der Nationalbank halten – sobald sie Fremdwährungen kauft, schreibt sie den Gegenwert in Franken auf dem Girokonto einer Bank gut. Nachdem die Guthaben auf diesen Konten länger rückläufig gewesen sind, nehmen sie seit Mitte September wieder zu – bisher um rund 16 Milliarden Franken.

Laut dem Konjunkturforscher Jan-Egbert Sturm ist das eine sinnvolle Massnahme, um den Wechselkurs zu stabilisieren. «Die Nationalbank hat kein Interesse daran, dass der Franken zu stark schwankt», sagt er. Sollte der Euro in nächster Zeit weiter fallen – unter 90 Rappen –, wäre das ihm zufolge «happig».

Die Gefahr, dass der Franken in den kommenden Wochen noch stärker wird, ist allerdings gegeben. Und das wiederum beeinflusst auch die Nationalbank. Im September hatte sie zur Überraschung mancher Beobachter darauf verzichtet, den Leitzins weiter anzuheben. Dass sie diesen Schritt nun im Dezember «nachholt», wird immer unwahrscheinlicher. Denn höhere Zinsen würden einen noch stärkeren Aufwertungsdruck für den Franken auslösen.