Stahlkocher vor harten SparschrittenSwiss Steel in Existenznot
Dem Unternehmen, das von den drei Grossaktionären Peter Spuhler, Viktor Vekselberg und Martin Haefner dominiert wird, brechen die Einnahmen weg. Ohne Staatshilfe scheint es nicht mehr zu gehen.
Es ist kaum vier Jahre her, da stand der Schweizer Stahlhersteller Swiss Steel, der damals noch Schmolz + Bickenbach hiess, kurz vor dem Konkurs. Der Aktienkurs stürzte in ungeahnte Tiefen: 20 Rappen waren die Papiere noch wert.
Nun ist es wieder so weit, nur schlimmer. Nach einem neuerlichen Kurssturz sind die Papiere gerade mal noch 10 Rappen wert. Wieder braucht es eine Sanierung – und wohl auch staatliche Hilfe.
Zugegeben, viel Glück hatten die Luzerner Stahlkocher nicht. Der Ukraine-Krieg führte zu drastisch steigenden Energiekosten und liess die Einnahmen um ein Fünftel und die Auftragsvorräte sogar um mehr als ein Drittel sinken. Der Betriebsgewinn sank gar um 85 Prozent.
Unter dem Strich machte Swiss Steel in den vergangenen zwölf Monaten fast 100 Millionen Franken Verlust. Und offensichtlich glauben die Anleger nicht an eine rasche Besserung. Das Unternehmen, das Ende des zweiten Quartals noch ein Eigenkapital von 500 Millionen Franken aufwies, ist an der Börse gerade mal noch 300 Millionen wert.
Ende August gab Vizepräsident Svein Richard Brandtzæg zum Stichtag des 5. Oktobers seinen Rücktritt bekannt. Am 18. September gab die Unternehmensleitung alle Jahresziele auf – und gab stattdessen eine Gewinnwarnung heraus. Gleichzeitig liess sie verlauten, die Rentabilität sei auch im Juli und August hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
An seiner letzten Verwaltungsratssitzung konnte kein Nachfolger für Brandtzægs präsentiert werden. Allerdings wurde erkannt, dass es zusätzliche Sanierungsmassnahmen braucht.
Peter Spuhler als Schlüsselfigur
Das Unternehmen wird von drei Grossaktionären beherrscht: dem russischen Oligarchen Viktor Vekselberg, Amag-Eigentümer Martin Haefner und immer mehr von Stadler-Chef Peter Spuhler. Der international sanktionierte Vekselberg spielt kaum mehr eine Rolle.
Im Juni eilte Spuhler dem Amag-Besitzer und Swiss-Steel-Grossaktionär Martin Haefner zu Hilfe. Er kaufte ihm gut 8 Prozent der Swiss-Steel-Aktien ab. Das war wichtig, weil Haefner sonst Vekselberg und den Publikumsaktionären ein Übernahmeangebot hätte machen müssen. Das war eine Auflage der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht von 2019.
Ansonsten wird die Lage zunehmend ungemütlich. Bei Swiss Steel laufen bereits umfassende Strategie- und Restrukturierungsmassnahmen. Das Management will diese konsequent fortführen. Sieben Werke in Osteuropa sollen verkauft und die deutschen Edelstahlwerke saniert werden.
Darüber hinaus ist von einer «Kosten- und die Liquiditätsstabilisierung» die Rede. Die Personalkosten, mitsamt jenen des Managements, sollen gesenkt, der Lagerbestand reduziert und möglichst alle nicht unbedingt notwendigen Ausgaben gekappt werden.
Ruf nach Hilfe des Staats
Am wichtigsten scheinen aber im Moment Spuhlers politische Beziehungen nach Bern. Im Bundeshaus sind Rettungsbemühungen in Gang. So haben die SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr und SP-Ständerat Roberto Zanetti zwei Motionen zur Unterstützung der Stahlproduktion in der Schweiz eingereicht. Dabei geht es namentlich um das Stahlwerk in Gerlafingen SO, wo Zanetti früher Gemeindepräsident war.
Nun kann man sich fragen, warum die Schweiz die Stahlproduktion staatlich stützen soll. Fakt ist jedenfalls, dass das im Ausland alle tun. Deutschland versucht so trotz hoher Energiekosten, die Stahlindustrie zu halten. Und in den USA wird ganz offen Protektionismus betrieben.
«Die hohen Energiepreise – Strom und Gas – gefährden zunehmend unsere Wettbewerbsfähigkeit, denn aufgrund der EU-Unterstützungs- und Fördermassnahmen für Energie und Dekarbonisierung ändern sich die Spielregeln», sagt dazu Swiss-Steel-Sprecherin Ania Berger. Darum setzt das Unternehmen auf die Politik.
Die Motionen zur Sicherung der Metallkreisläufe seien deshalb ein wichtiger Meilenstein, um die metallverarbeitende Industrie in die Zukunft zu tragen, sagt Berger. Die Basisindustrie sei ein entscheidender Motor der schweizerischen Kreislaufwirtschaft und leiste einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand.
Dank dieser Begründung kam die Motion von Zanetti im Parlament durch. Jene von Gutjahr wurde noch nicht behandelt. Offen ist, ob der Bundesrat rechtzeitig handelt, bevor Swiss Steel ihre Schweizer Produktion aufgeben muss.
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