Wintersession im TickerSchlussabstimmungen: Das Parlament verabschiedet 18 Vorlagen
In Bern fand die Wintersession der eidgenössischen Räte statt. Wir berichteten laufend.
Das Parlament verabschiedet 18 Vorlagen
Mit den Schlussabstimmungen haben die eidgenössischen Räte am Freitag die Wintersession abgeschlossen. 18 Vorlagen sind parlamentarisch unter Dach und Fach:
mit 127 zu 59 Stimmen bei 10 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 38 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss zur Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für grosse Konzerne, der auch die Verteilung der erwarteten Mehreinnahmen regelt;
mit 140 zu 50 Stimmen bei 6 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 39 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen (Ständerat) dringliche Änderungen im Covid-19-Gesetz, wonach verschiedene Pandemie-Massnahmen bis Mitte 2024 verlängert werden, die Testkosten ab Anfang 2023 aber auf die Krankenkassen und Patienten überwälzt werden;
mit 111 zu 69 Stimmen bei 16 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 33 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen (Ständerat) Änderungen im Jagdgesetz, mit welchen der Abschuss von Wölfen erleichtert wird. Die Kantone dürfen Wölfe von 1. September bis 31. Januar regulieren, mit Zustimmung des Bundes;
mit 110 zu 79 Stimmen bei 7 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 27 zu 9 Stimmen bei 8 Enthaltungen (Ständerat) das Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit, mit welchem lästigen Vermittleranrufen ein Riegel geschoben wird, indem die Kaltakquise verboten wird;
mit 144 zu 40 Stimmen bei 12 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) das Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege, womit die Pflege-Ausbildungsoffensive, die den Schweizer Spitälern und Heimen zum benötigten Pflegepersonal verhelfen soll, starten kann;
mit 150 zu 38 Stimmen bei 8 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) die Revision des Personenbeförderungsgesetzes, mit welcher Subventionsaffären wie jene bei Postauto oder der BLS möglichst verhindert werden sollen, indem Massnahmen zur Klärung der Verwendung von Subventionen gesetzlich verankert werden;
mit 122 zu 67 Stimmen bei 6 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 33 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung (Ständerat) die dringliche Verlängerung zwangsweiser Covid-Tests bei Ausschaffungen bis Ende Juni 2024 im Ausländer- und Integrationsgesetz;
mit 194 zu 1 Stimmen bei einer Enthaltung (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) die Revision des Ausländer- und Integrationsgesetzes, womit der Bund den Kantonen, welche bei einer ausserordentlich hohen Zahl von illegalen Grenzübertritten Ausreisezentren für Flüchtlinge einrichten, finanziell unter die Arme greifen kann;
mit 140 zu 52 Stimmen bei 3 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 37 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung (Ständerat) eine Verordnung, mit welcher das Parlament ab Anfang 2023 zwei neue Richterstellen am überlasteten Bundesgericht schafft;
mit 153 zu 9 Stimmen bei 34 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss zur Reform des Visa-Informationssystems und der damit verbundenen Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen sowie mit 157 zu 4 Stimmen bei 35 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) damit einhergehende Änderungen des Ausländer- und Integrationsgesetzes, womit das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) Zugriff auf mehrere Schengen-Datenbanken erhält;
mit 155 zu 9 Stimmen bei 32 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss zu Änderungen beim Europäischen Reiseinformations- und Genehmigungssystem (Etias) mit einem neuen automatisierten System zur Ermittlung von Risiken bei Einreisen aus Drittstaaten sowie mit 164 zu 0 Stimmen bei 32 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) damit einhergehende Änderungen des Ausländer- und Integrationsgesetzes;
mit 196 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss über den Beitritt der Schweiz zu sechs internationalen Forschungsinfrastrukturnetzwerken sowie mit 196 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) damit einhergehende Änderungen des Bundesgesetzes über Forschungsförderung und Innovation, womit der Prozess für den Schweizer Beitritt zu weiteren Forschungsinfrastrukturnetzwerken vereinfacht wird;
mit 196 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Abkommens zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich, das die Sozialversicherungssysteme seit dem Brexit koordiniert;
mit 142 zu 43 Stimmen bei 11 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 43 zu 1 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss, mit welchem ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Äthiopien genehmigt wird;
mit 143 zu 37 Stimmen bei 16 Enthaltungen (Nationalrat) und mit 44 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss, mit welchem ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Armenien genehmigt wird.
Diese Entscheide unterstehen mit zwei Ausnahmen dem fakultativen Referendum.
Die Verfassungsänderung zur OECD-Mindeststeuer unterliegt dem obligatorischen Referendum, sodass es die Zustimmung von Volk und Ständen braucht. Die Abstimmung dazu erfolgt am 18. Juni 2023.
Die Verordnungsänderung für zwei neue Richterstellen am Bundesgericht untersteht nicht dem Referendum und kann nach der Annahme durch die Räte in Kraft treten.
Für die übrigen 16 Vorlagen läuft die Referendumsfrist, sobald die Entscheide im Bundesblatt publiziert sind.
Zu den verlängerten Bestimmungen im Covid-19-Gesetz hat die Bürgerbewegung «Mass-voll!» ein Referendum angekündigt. Noch unklar ist, ob gegen das Jagdgesetz und das Versicherungsvermittlergesetz opponiert wird.
Ausschaffung von IS-Terroristen in unsichere Länder ist vom Tisch
Die Eidgenössischen Räte verlangen keine Sonderregeln mehr für die Ausschaffung von Personen, welche im Zusammenhang mit Verbrechen der Terrormiliz IS verurteilt worden sind. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat der Abschreibung einer Motion des Tessiner Mitte-Politikers Fabio Regazzi (Bild) zugestimmt.
In der kleinen Kammer war die Abschreibung am Donnerstag unbestritten und erfolgte diskussionslos. Damit ist der von 2016 stammende Vorstoss des Tessiner Nationalrats definitiv vom Tisch.
Regazzi forderte die Ausweisung verurteilter IS-Terroristinnen und -Terroristen in ihre Herkunftsländer – und zwar unabhängig davon, ob diese Länder als «unsichere Staaten» gelten. Die Sicherheit der Schweiz müsse über den Bestimmungen zum Schutz von verurteilten Personen stehen.
Der Nationalrat stimmte dem Vorstoss im Jahr 2018 zu, der Ständerat im Jahr darauf. In einem im vergangenen Mai verabschiedeten Bericht kam der Bundesrat jedoch zum Schluss, es sei rechtlich unmöglich, den Vorstoss umzusetzen. Eine Umsetzung würde das Non-Refoulement-Prinzip verletzen.
Dieses verbietet die Rückführung von Personen in Staaten, in denen ihnen Folter oder eine andere grausame Behandlung drohen. Es ist Teil des zwingenden Völkerrechts.
Es geht um fünf Personen
Bundesrätin Karin Keller-Sutter sagte am Donnerstag im Ständerat, die Schweiz sei in diesem Bereich nicht untätig: Zwischen 2016 und 2021 habe die Bundesamt für Polizei (Fedpol) 27 Ausweisungen terroristischer Gefährder verfügt. Fünf dieser Personen hätten wegen des Non-Refoulement-Prinzips nicht ausgewiesen werden können.
Um diese fünf Personen gehe es in der Motion Regazzi. In ihrem Fall versuche die Schweiz weiterhin, eine Ausschaffung in einen Drittstaat zu erreichen. Doch hätten die diplomatischen Bemühungen bisher nicht gefruchtet, so Keller-Sutter.
Die Justizministerin sagte weiter, das 2021 vom Volk angenommene Bundesgesetz zu polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT-Gesetz) erlaube es den Kantonen und dem Nachrichtendienst des Bundes, beim Fedpol Massnahmen zu beantragen. Das seit Mitte Jahr in Kraft stehende Gesetz könne in diesem Bereich «etwas Abhilfe schaffen».
Mathilde Crevoisier Crelier ist neue Ständerätin des Kantons Jura
Die 42-jährige Übersetzerin Mathilde Crevoisier Crelier ist neue Ständerätin. Die Sozialdemokratin aus dem Kanton Jura ist am Donnerstagmorgen im Ständerat vereidigt worden. Sie folgt auf die in den Bundesrat gewählte Elisabeth Baume-Schneider.
Crevoisier Crelier wohnt in Pruntrut und wurde dort in diesem Herbst in den Gemeinderat gewählt. Die Abläufe in Bundesbern kennt sie gut, denn sie arbeitet als Übersetzerin im Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI).
Die Nachfolge von Baume-Schneider kann die neue Ständerätin antreten, weil sie bei den Wahlen von 2019 im Kanton Jura nach der designierten Bundesrätin auf dem ersten Ersatzplatz landete. Crevoisier Crelier legte das Amtsgelübde ab.
Lesen Sie hier mehr zur neuen Ständerätin: Sie marschiert direkt ins Stöckli
Hinterbliebene Elternteile sollen 16 Wochen Urlaub erhalten
Stirbt ein Elternteil kurz nach der Geburt eines Kindes, soll der überlebende Vater oder die überlebende Mutter künftig Anspruch auf 16 Wochen Urlaub haben. Dafür hat sich der Nationalrat am Donnerstag ausgesprochen.
Die grosse Kammer hiess die Vorlage, ausgelöst durch eine parlamentarische Initiative der früheren St. Galler GLP-Nationalrätin Margrit Kessler, mit 171 zu 1 Stimmen bei 22 Enthaltungen gut. Letztere stammten insbesondere von der FDP. Kessler forderte ursprünglich 14 Wochen Urlaub für hinterbliebene Väter. Die Vorlage geht in den Ständerat.
Todesfälle aufgrund von Komplikationen nach einer Schwangerschaft oder Geburt sind in der Schweiz sehr selten. Von 2005 bis 2021 waren laut Bundesamt für Statistik (BFS) durchschnittlich fünf von rund 82'000 Geburten betroffen.
Die Kosten für die Erwerbsersatzordnung (EO) für 2024 werden auf 120'000 Franken geschätzt. 80'000 Franken entfallen auf den Urlaub für hinterbliebene Väter und 40'000 Franken auf den Urlaub für hinterbliebene Mütter.
Parlament will Ziel für Stickstoffverlust tiefer setzen
Das Parlament will mit Rücksicht auf Viehhalter das Ziel bei den Nährstoffverlusten aus der Landwirtschaft tiefer setzen, als es der Bundesrat in einer Verordnung vorsieht. Der Nationalrat hat als Zweitrat eine Motion von Johanna Gapany (FDP/FR) angenommen.
Der Entscheid am Mittwoch fiel mit 93 zu 90 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Im Ständerat war der Vorstoss mit 25 zu 18 Stimmen erfolgreich. Mit dem Ja beider Räte ist nun der Bundesrat am Zug.
Die noch nicht in Kraft getretene Verordnung sieht vor, dass die Stickstoff- und Phosphor-Verluste in der Landwirtschaft bis 2030 um je mindestens 20 Prozent zurückgehen. Ausgangsbasis sind gemäss der für Anfang 2023 geplanten Verordnungsänderung die Mittelwerte der Jahre 2014 bis 2016. Dies Ziele muss der Bundesrat nun noch einmal überdenken.
Energiepreise sollen kartellrechtlich untersucht werden
Der Nationalrat will die seit dem Ukraine-Krieg gestiegenen Energiepreise wettbewerbsrechtlich untersuchen lassen. Er hat am Mittwoch einem entsprechenden Vorstoss seiner Wirtschaftskommission (WAK-N) zugestimmt.
Der Entscheid in der grossen Kammer fiel mit 106 zu 81 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Folgt der Ständerat dem Entscheid, muss der Bundesrat die Wettbewerbskommission (Weko) auffordern, eine Untersuchung zu möglichen Wettbewerbsproblemen auf den Energiemärkten zu lancieren. Im Fokus stehen sollen die Preise für Gas und Öl.
Verschiedene europäische Nachbarländer – unter anderem Deutschland – haben bereits wettbewerbsrechtliche Abklärungen eingeleitet, weil die Preise phasenweise bei Raffinerie und Tankstelle gestiegen sind, obwohl der Rohölpreis nicht im selben Masse stieg. Die WAK-N verlangt eine Untersuchung wegen möglicherweise unzulässigen Wettbewerbsabreden oder allfälligen Missbrauchstatbeständen wie Diskriminierung.
Die Fraktionen von SVP und FDP wehrten sich zusammen mit dem Bundesrat gegen die Motion. Sie wollten sich nicht in die Belange der unabhängigen Weko einmischen, hiess es. Das Weko-Sekretariat beobachte die Märkte laufend – auch im konkreten Fall der Brenn- und Treibstoffe.
Grosse Kammer will Taskforce für Aufspüren von Vermögenswerten
In der Schweiz soll sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine Taskforce um die Umsetzung von Sanktionen kümmern und Vermögenswerte von gelisteten Personen aufspüren. Der Nationalrat nimmt einen neuen Anlauf für das Anliegen.
Er hat am Mittwoch eine Motion seiner Wirtschaftskommission (WAK-N) angenommen – mit 101 zu 84 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Nun ist der Ständerat am Zug. Stimmt auch er dem Vorstoss zu, muss der Bundesrat «schnell» eine Taskforce einsetzen.
Wenn diese Vermögenswerte von gelisteten Personen aufspürt werden, soll das Geld bis zur Klärung gesperrt, aber nicht eingezogen werden. Ein im Sommer gescheiterter Vorstoss hatte einen solchen Einzug gefordert.
Der neue Vorstoss verzichte nun auf diese rechtsstaatlich problematische Forderung, sagte Kommissionssprecherin Kathrin Bertschy (GLP/BE). Gemäss Motionstext sollen Vermögenswerte von russischen und belarussischen Staatsangehörigen, die auf der Sanktionsliste stehen, aufgespürt und «bis zur zweifelsfreien Klärung» lediglich gesperrt werden.
Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf
Vertreterinnen und Vertreter von SVP und FDP stellten sich gegen den Vorstoss. Die Minderheit erachtete die bestehenden Strukturen und Aktivitäten des Bundes als ausreichend, hiess es zur Begründung.
Ähnlich argumentierte der Bundesrat. Er sei überzeugt, dass die Prozesse zwischen den Bundesbehörden und den privaten Unternehmen in der Schweiz gut eingespielt und effizient seien, sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin.
Die – auch im internationalen Vergleich – hohe Summe an eingefrorenen Vermögenswerten zeige, dass die Prozesse funktionierten. Der Bundesrat halte daher zum jetzigen Zeitpunkt die Schaffung einer Taskforce nicht für notwendig.
Parlament greift kantonale Mindestlöhne an
Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge sollen kantonalem Recht betreffend Mindestlöhne, 13. Monatslohn und Ferienanspruch vorgehen. Dieser Meinung ist das Parlament. Es hat am Mittwoch eine entsprechende Motion an den Bundesrat überwiesen.
Der Entscheid in der grossen Kammer fiel mit 95 zu 93 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Die Fraktionen von SVP, FDP und Mitte setzten sich durch. Im Ständerat hatte eine FDP/Mitte-Mehrheit obsiegt. Die Motion von Erich Ettlin (Mitte/OW) hat zum Ziel, Bestimmungen der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge (GAV) anderslautenden Bestimmungen der Kantone zu Mindestlöhnen überzuordnen und somit die Sozialpartnerschaft vor «umstrittenen Eingriffen» zu schützen.
Wird die Motion umgesetzt, werden vom Volk bestätigte kantonale Mindestlohn-Bestimmungen – etwa in den Kantonen Genf, Neuenburg und Jura – nichtig, sofern der Bundesrat in entsprechenden Branchen den GAV als allgemeinverbindlich erklärt hat. Es gälten dann die GAV-Bestimmungen.
Parlament schiebt lästigen Vermittleranrufen einen Riegel
Für alle Vermittlerinnen und Vermittler von Krankenversicherungen gelten künftig strengere Regeln. Unter anderem ist ihnen die sogenannte Kaltakquise untersagt. Darauf haben sich die Räte nach langem Hin- und Her geeinigt.
Der Nationalrat hat am Mittwoch das Resultat der Einigungskonferenz mit 114 zu 57 Stimmen bei 10 Enthaltungen gutgeheissen, der Ständerat folgte ihm am Nachmittag mit 33 zu 1 Stimme bei 7 Enthaltungen.
Uneinig waren sich die Räte bis am Schluss bei der Frage, ob die verschärften Regeln für alle Vermittlerinnen und Vermittler gelten sollen oder nur für jene, die nicht bei einer Versicherung angestellt sind, also nur für externe Brooker, die schnell möglichst viele Versicherungen verkaufen wollen.
Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmung. Dort ist es allerdings stark absturzgefährdet. In der Gesamtabstimmung der Kommission zur ganzen Vorlage gab es nebst 11 befürwortenden Stimmen zwar keine Nein-Stimmen, aber 15 Enthaltungen. Zudem liegt nun nur die Maximalvariante vor, was vor allem der bürgerlichen Seite als Ablehnungsgrund zupass kommen könnte.
Herzog beerbt Baume-Schneider im Ständerats-präsidium
Die bei der Bundesratswahl knapp unterlegene Eva Herzog (SP/BS) wird anstelle von Elisabeth Baume-Schneider (SP/JU) neue erste Vizepräsidentin des Ständerates. Die kleine Kammer hat die unterlegene Bundesratskandidatin am Mittwoch auf Antrag der SP-Fraktion gewählt.
Gewählt wurde Herzog mit 39 von 39 gültigen Stimmen. Damit wird sie im Jahr 2024 Ständeratspräsidentin – und die von der Bundesratswahl enttäuschten Baslerinnen und Basler haben trotzdem bald doch noch etwas zu feiern. Derzeit sitzt Brigitte Häberli (Mitte/TG) auf dem Präsidentinnenstuhl im Stöckli.
Ständerat spricht 37 Millionen für Modernisierung von Swisstopo
Der Ständerat will veraltete IT-Systeme im Bundesamt für Landestopografie (Swisstopo) ersetzen. Er hat am Mittwoch als Erstrat dem entsprechenden Projekt und einem Kredit von 37 Millionen Franken mit 31 zu 0 Stimmen zugestimmt. Das Geschäft geht an den Nationalrat.
Gleichzeitig sollen Gelder im Umfang von 17,3 Millionen Franken für die erste Umsetzungsetappe 2023-2024 freigegeben werden. Der gesamte Mittelbedarf für das Programm «Neue Produktionssysteme (Nepro)" für die Laufzeit von 2019-2029 beträgt 65,6 Millionen Franken. Die Gelder werden dem ordentlichen Budget entnommen.
Nepro umfasst rund dreissig Projekte und Teilprojekte. Die in Betrieb befindlichen Systeme des Geoinformationszentrums der Schweiz wurden Anfang der 2000er-Jahre konzipiert und sind teilweise seit über 13 Jahren in Betrieb und veraltet.
Ein Update der heutigen Technologie genügt laut Bundesrat nicht, es brauche eine neue, amtsweite Plattform, um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht werden zu können. Die Plattform dient zum einen der Verteidigung und Sicherheit der Schweiz. Sie unterstützt aber namentlich auch Ersthelfer bei Katastrophen oder GPS-Systeme für das Verkehrsnetz Schweiz oder das Gletschermonitoring, wie Verteidigungsministerin Viola Amherd im Rat ausführte.
Ständerat will bei Strommangel Nacht- und Sonntagsarbeit erleichtern
Schweizer Unternehmen sollen im Fall eines Strommangels ihre Angestellten einfacher in der Nacht und am Sonntag einsetzen können. Dies um Strom zu sparen und die Arbeit dann zu erledigen, wenn genügend Elektrizität vorhanden ist. Das will der Ständerat.
Mit 22 zu 11 Stimmen bei 9 Enthaltungen hat die kleine Kammer am Dienstag eine Motion der Mitte-Vertreterin Andrea Gmür-Schönenberger mit dieser Forderung angenommen.
Räte einigen sich beim Jagdgesetz
Die neuen Regeln zur Regulierung der Wolfsbestände sind unter Dach. Der Nationalrat hat am Dienstag die letzten Differenzen zum Ständerat ausgeräumt.
Uneins waren die Räte zuletzt noch darüber, wer die Grundsätze für den Herdenschutz zu regeln hat und auch dessen Zumutbarkeit für die Besitzerinnen und Besitzer von Nutztieren. Der Nationalrat wollte dies ursprünglich dem Bund überlassen. Der Ständerat forderte, dass der Bund diese Aufgabe im Einvernehmen mit den Kantonen vornimmt.
Nicht anfreunden mochte sich der Ständerat auch damit, im Gesetz statt von Jagdbanngebieten neu von Wildtierschutzgebieten zu sprechen. In beiden Punkten hat der Nationalrat nachgegeben.
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Räte einigen sich bei Verfassungsartikel zu OECD-Mindeststeuer
Der Verfassungsartikel zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer für international tätige Konzerne ist unter Dach und Fach. Der Nationalrat hat am Dienstag die letzte verbliebene Differenz zum Ständerat ausgeräumt.
Offen war zuletzt noch die Frage, ob das Parlament den Kantonen vorschreiben soll, wie genau sie Städte und Gemeinden an den erwarteten Mehreinnahmen beteiligen sollen. Mit 104 zu 72 Stimmen bei einer Enthaltung stimmte der Nationalrat zu, auf eine präzise Vorgabe zu verzichten. Ursprünglich wollte die grosse Kammer eine Verteilung wie bei der Gewinnsteuer festschreiben.
Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmungen.
«Apropos» – der tägliche Podcast: Debatte um Mindeststeuern: Wohin mit den neuen Milliarden?
Folgen der OECD-Mindeststeuer: Wie eine SP-Frau und ein SVP-Mann zusammen gegen die Linken kämpfen
Ständerat stellt sich hinter neu aufgelegte Agrarpolitik ab 2022
In die Landwirtschaftspolitik kommt wieder Bewegung. Der Ständerat stellt sich hinter die vor knapp zwei Jahren sistierte Vorlage für die Agrarpolitik nach 2022. Die nötigen Änderungen im Landwirtschaftsgesetz hiess er mit 42 zu 0 Stimmen gut.
Auf eine ausdrückliche Verankerung der Klimaziele im Landwirtschaftsgesetz – namentlich der Reduktion des Ausstosses von Treibhausgasen in der Landwirtschaft und der Ernährung – verzichtete der Ständerat. Er lehnte mit 32 zu 12 Stimmen den Antrag einer rot-grünen Minderheit ab.
SP und Grüne hätten noch weiter gehen und auch einen Ausbaupfad für das Tierwohl und einen Absenkpfad für Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft und der Ernährung festschreiben wollen. Auch diese Anträge wies der Rat mit klaren Mehrheiten ab.
Nationalrat will Schweizer Reedereien pauschal besteuern
Schweizer Reedereien sollen künftig pauschal besteuert werden. Der Nationalrat hat am Dienstag der Einführung der sogenannten Tonnagesteuer als Erstrat im Grundsatz zugestimmt. SP, Grüne und GLP kritisierten die «branchenspezifische Steuersubvention».
Durchgesetzt nach der Eintretensdebatte hat sich aber die bürgerliche Mehrheit von SVP, FDP und Mitte. Sie lehnte sowohl den Nichteintretens- als auch den Rückweisungsantrag an den Bundesrat ab. Nun werden die Details der Vorlage diskutiert.
Die Tonnagesteuer ist eine alternative Methode zur Ermittlung der Gewinnsteuer. Der Bundesrat sieht sie als Mittel, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Bereich Seeschifffahrt sicherzustellen. Die Vorlage geht zurück auf einen Auftrag beider Räte aus dem Jahr 2016.
Ständerat debattiert über Weg der Landwirtschaft in die Zukunft
Der Ständerat nimmt einen zweiten Anlauf und debattiert am Dienstag die neu aufgelegte Agrarpolitik nach 2022 (AP22+). Die Vorlage soll der Landwirtschaft den Weg in die Zukunft weisen.
Vor fast zwei Jahren hatte das Parlament die Vorlage auf Eis gelegt und dabei eine Langzeitperspektive verlangt, die auch Themen wie Ernährungssicherheit und Lebensmittelverschwendung beinhalten sollte.
Der Bundesrat legte diesen Bericht im Sommer vor. Er skizziert darin den Weg der Land- und Ernährungswirtschaft bis 2050. Einbezogen hat er die gesamte Wertschöpfungskette, vom Bauernbetrieb über Zwischenhandel und Verarbeitung bis auf den Teller. Er will Nachhaltigkeit und einen gegenüber heute höheren Beitrag an die Ernährungssicherheit.
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Bei der Veröffentlichung des Berichtes empfahl der Bundesrat dem Parlament, die sistierte Agrarpolitik-Vorlage nun zu behandeln – mit Anpassungen. Weil für mehr Gewässerschutz bereits Massnahmen beschlossen sind, sollen die zunächst dafür geplanten Massnahmen entfallen.
Verzichten will der Bundesrat auch auf eine Anpassung beim ökologischen Leistungsnachweis für Direktzahlungen. Änderungen im bäuerlichen Bodenrecht will der Bundesrat von der AP22+ abkoppeln. Bei beiden Punkten will es die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) gleich halten.
Ständerat will EO-Maximalbeträge vereinheitlichen
Frauen werden voraussichtlich in Zukunft bei Mutterschaft von der Erwerbsersatzordnung gleich hoch entschädigt wie Militärdienstleistende. Der Ständerat hat am Montag eine entsprechende Motion von Eva Herzog (SP/BS) angenommen.
Die kleine Kammer fällte ihren Entscheid mit 20 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung. Damit geht die Motion an den Nationalrat. Dessen Zustimmung ist wahrscheinlich. Denn bereits in der Frühjahrssession hatte die grosse Kammer einen Vorstoss der früheren Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen mit dem gleichen Anliegen gutgeheissen.
Heute beträgt die maximale Entschädigung bei Mutterschaft 196 Franken pro Tag, während die EO bei Militärdienst bis zu 245 Franken am Tag entrichtet.
In ihrem Vorstoss kam Herzog der Gegnerseite entgegen und schlug als Variante vor, eine neue einheitliche maximale Entschädigung festzulegen, deren Betrag zwischen diesen beiden Werten gelegen hätte.
Bundesrat will andere Projekte nicht gefährden
Der Bundesrat verwies in seiner ablehnenden Stellungnahme auf den Willen des Gesetzgebers bei der Unterscheidung. Diese sei politisch gewollt. Er wollte andere familienpolitische Projekte mit der EO – etwa für die Betreuung von Angehörigen – nicht mit den erwarteten Mehrkosten gefährden.
Der Unterschied erkläre sich daraus, dass heute nur Militärdienstleistende Kinderzulagen erhielten, führte Sozialminister Alain Berset aus. Eine Ausweitung würde Mehrkosten von mindestens 250 Millionen Franken pro Jahr verursachen. Müssten die heutigen Mittel ausreichen, würde die Kinderzulage viel zu tief ausfallen, gab er ohne Erfolg zu bedenken.
Bundesrat soll bis Ende 2023 Entschuldungsplan für IV vorlegen
Der Ständerat will vom Bundesrat bis Ende 2023 einen Entschuldungsplan für die Invalidenversicherung (IV). Diese steht bei der AHV mit über zehn Milliarden Franken in der Kreide. Der Vorstoss der Gesundheitskommission des Ständerates geht nun an den Nationalrat.
Der Ständerat überwies die Forderung am Montagabend oppositionslos. Auch der Bundesrat war bereit, die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) anzunehmen.
Offen bezüglich Lösungsansätze
Von 2011 bis 2017 gab es für die IV dank einer Zusatzfinanzierung über eine befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer etwas Entlastung und sie konnte den Schuldenberg bei der AHV um rund fünf Milliarden Franken reduzieren. Seither floss kein Rappen mehr zurück von der IV zur AHV.
Die Motion der SGK-S ist bezüglich möglicher Lösungsansätze offen formuliert. Klar sei, dass die IV weiterhin finanziellen Handlungsspielraum benötige, der «nicht durch den Druck einer Schuldentilgung eingeschränkt werden sollte», schreibt der Bundesrat in seiner Antwort auf den Vorstoss.
Als mögliche Optionen für die Schleifung des Schuldenberges sieht der Bundesrat «strukturelle respektive einnahmenseitige Massnahmen». Gerade von bürgerlicher Seite in den Räten dürfte aber auch der Ruf nach Massnahmen auf der Ausgabenseite laut werden.
Nationalrat will besseren Schutz vor Gewalt am Arbeitsplatz
Der Nationalrat will, dass die Schweiz ein Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation IAO zur Beseitigung von Gewalt und Belästigung bei der Arbeit unterzeichnet. Anders als dem Ständerat sind ihm die Rahmenbedingungen für die Genehmigung klar genug.
Mit 124 zu 49 Stimmen bei vier Enthaltungen stimmte der Nationalrat am Montag dem Bundesbeschluss zur Genehmigung des Übereinkommens zu.
SDA/red
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