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Regierungs-Aus in Frankreich
Historischer Moment in Paris: Nun gerät Macron unter Druck

French Prime Minister Michel Barnier looks on during a session of questions to the government at the National Assembly in Paris on December 4, 2024. The French National Assembly will debate, after the questions to the government, two motions brought by the French left-wing Nouveau Front Populaire (New Popular Front) NFP coalition and the French far-right Rassemblement National (National Rally) RN party in a standoff over 2025's austerity budget, which saw French Prime Monister force through a social security financing bill without a vote (article 49.3) on December 2, 2024. (Photo by Alain JOCARD / AFP)
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Michel Barnier ist den Franzosen als stolzer Mann bekannt und als formidabler Mittler. Der 73-jährige Savoyarde war in seiner langen politischen Karriere oft Minister. Und für Brüssel hat er die Umsetzung des Brexit verhandelt, nicht gerade ein Spaziergang. Doch seine jüngste Rolle, die des Premierministers seines Landes, gleichzeitig seine bisher wichtigste, war am Ende wohl einfach objektiv zu schwierig. Eine «mission impossible».

Am Mittwoch hat eine Mehrheit im Parlament Barnier und seine Minderheitsregierung aus Zentristen und konservativen Republikanern nach nur drei Monaten im Amt gestürzt. Seine Gegner von links und von ganz rechts haben gemeinsam für einen Misstrauensantrag der radikal linken La France Insoumise gestimmt – 331 insgesamt, ein deutliches Votum. Nötig waren 288.

Er warf Le Pen vor, mit der Linken zu paktieren

Barnier hatte bis zuletzt gekämpft. Am Dienstagabend hatte er die Nachrichtenmoderatoren von TF1 und France 2 zu sich ins Büro seines Amtssitzes eingeladen, ins Hôtel de Matignon, wie das in wichtigen Momenten französische Präsidenten tun. Es wurde ein engagierter, für Barniers Verhältnisse sogar leidenschaftlicher Auftritt. Noch einmal appellierte er an seine Gegner, sie möchten doch ans «höhere Gut der Nation» denken, die Lage sei «schwierig, gravierend».

Doch da er natürlich ahnte, dass diese letzte Offensive verpuffen würde, griff er sie auch an. Marine Le Pen vom extrem rechten Rassemblement National, die ihn in den vergangenen Monaten passiv mitgetragen hatte und nun mit ihm brach, rief er zu, ihre Wähler verstünden nicht, dass sie mit der «extremen Linken» stimme. Und dasselbe warf er umgekehrt der Linken vor.

Ein «Ball der Egos»

Doch eigentlich ging es Barnier vorwiegend darum, mit erhobenem Haupt aus dieser viel zu kurzen Erfahrung hervorzugehen. Kein Premier der Fünften Republik, also seit 1958, war weniger lang im Amt als er. Er ist auch der erste Premier seit Georges Pompidou 1962, der vom Parlament gestürzt wird. Die Franzosen sollten bei diesem letzten grossen Auftritt Barniers also erfahren, dass er Opfer eines «Balls der Egos» geworden war, dass die Politik noch immer nicht gelernt habe, Kompromisse zu machen. «Das Volk ist viel vernünftiger als gewisse Politikerinnen und Politiker.»

Er würde dem Land gern weiterhin dienen, sagte er. Doch wenn es nicht mehr sein solle, dann sei das auch okay. Ihm seien nämlich Vergoldungen, Privilegien und Dienstautos egal. Da drang wieder sein verletzter Stolz durch.

epa11754140 A handout photo made available by the Saudi Royal Palace shows Saudi Crown Prince Mohammed bin Salman (R) receiving French President Emmanuel Macron at Al-Yamamah Palace in Riyadh, Saudi Arabia, 02 December 2024 (issued 03 December 2024). Macron is on a three-day state visit to Saudi Arabia.  EPA/BANDAR ALJALOUD HANDOUT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

Vordergründig ging es den Oppositionen um Barniers Sparhaushalt für 2025. 60 Milliarden Euro sollten eingespart werden, um das hohe Staatsdefizit zu verringern. Mit mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandprodukts ist der Fehlbetrag im laufenden Jahr gerade besonders hoch. Die französischen Staatsschulden, so erinnerte Barnier während der Debatte auch immer wieder warnend, belaufen sich auf 3228 Milliarden Euro – eine Rekordmarke in der Geschichte des Landes.

Dennoch forderten die Oppositionen den Premier dazu auf, geplante Steuern wieder aufzugeben und Kostensenkungen zurückzunehmen. Marine Le Pen pochte so lange auf immer neue Zugeständnisse, bis Barnier den Dialog entnervt abbrach.

Wie lässt sich die Blockade lösen?

Hintergründig bewegt Le Pen und Jean-Luc Mélenchon, Chef der France Insoumise, jedoch ein ganz anderes Ziel. Beiden kann das politische Chaos gar nicht gross genug sein. Sie hoffen, Emmanuel Macron komme entgegen allen bisherigen Bekundungen irgendwann doch zu dem Schluss, dass nur noch sein Rücktritt als Präsident die politische Blockade lösen könne.

Bisher war Macron ganz entschlossen, bis zum ordentlichen Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit weiterzumachen, also bis 2027. In diesen Tagen beschrieb er alternative Gedankenspiele als «politische Fiktion». «Ich wurde zweimal vom französischen Volk gewählt. Das macht mich extrem stolz, ich werde diesem Vertrauen mit meiner ganzen Energie bis zur letzten Sekunde entsprechen.»

Aus der Entourage Macrons erfuhr die französische Presse, dass der Präsident bereits nach Profilen für das Amt eines neuen Premiers sucht. Theoretisch könnte er Barnier einen neuen Regierungsauftrag erteilen, doch sehr wahrscheinlich ist das nicht. Ebenfalls eher unwahrscheinlich erscheint die Option, dass Macron einen parteilosen, technokratischen Premier berufen könnte: Bis anhin fehlt es an passenden Namen für eine solche Rolle.

Mögliche Nachfolger Barniers

Als mögliche Nachfolger Barniers aus der Minderheitskoalition gelten unter anderem: der Zentrist François Bayrou; der Macronist und bisherige Verteidigungsminister Sébastien Lecornu; der Republikaner und bisherige Innenminister Bruno Retailleau; und François Baroin, ein früherer Wirtschafts- und Finanzminister des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Möglich wäre auch, dass der Sozialdemokrat Bernard Cazeneuve wieder ins Gespräch kommt: Cazeneuve war schon einmal Premier. Doch da er inzwischen den Parti Socialiste verlassen hat, ist er bei der Linken längst nicht allen genehm. Solange Macron sucht, führt Barnier die Geschäfte weiter. Sehr lang sollte das Vakuum diesmal aber nicht dauern, da sind sich alle einig. Im Sommer benötigte der Präsident zwei Monate für Barniers Nominierung.