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Blitzinduzierte Brände
Manchmal wird ein Waldbrand erst entdeckt, wenn die Schuhsohlen schmelzen

Blitzschlag auf Lichtung im Bündner Oberland, beobachtet von einem Zelt am Piz Titschal in der Nacht vom 23. August 2012.
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In Kürze:
  • Im Durchschnitt ereignen sich hierzulande 118 Waldbrände pro Jahr.
  • Blitzeinschläge lösen in alpinen Regionen während der Sommermonate die meisten Waldbrände aus, wobei eine Zunahme feststellbar ist.
  • Neue Bekämpfungsmethoden umfassen Spezialeinsätze mit Abseiltechnik in Bergregionen.

Die Schweiz ist ein Waldland. Rund ein Drittel der Fläche oder 1,3 Millionen Hektaren sind mit Wald bedeckt. Wie dem unlängst veröffentlichten Waldbericht 2025 des Bundesamtes für Umwelt zu entnehmen ist, nimmt die Waldfläche nach wie vor jedes Jahr zu, auch wenn sich das Wachstum in letzter Zeit verlangsamt hat.

Trotz der dichten Bewaldung sind Waldbrände hierzulande allerdings weit weniger ein Thema als in anderen Regionen der Welt. Grossflächige, auch für menschliche Siedlungsflächen gefährliche Waldbrände assoziiert man eher mit Klimaverhältnissen, wie sie in Griechenland, Kalifornien oder Australien herrschen.

Dabei sind Waldbrände in der Schweiz alles andere als selten. Gemäss der Datenbank Swissfire ereignen sich pro Jahr durchschnittlich 118 Waldbrände auf einer Gesamtfläche, die etwa 213 Fussballfelder ausmacht. Am häufigsten brennt es in den Wäldern der Alpensüdseite, vor allem im Tessin. Aber auch auf der Alpennordseite und sogar im Mittelland und im Jura kommt es regelmässig zu Waldbränden.

Blitze sind in den Alpen Hauptauslöser für Waldbrände

Die Gründe, warum Waldbrände ausbrechen, sind je nach Region und Jahreszeit unterschiedlich. Während der Wintermonate wie auch im Mittelland und im Jura werden sie fast ausschliesslich durch den Menschen verursacht. Bei Trockenheit kann ein Brand durch eine weggeworfene Zigarette, eine schlecht gelöschte Feuerstelle oder durch Funkenwurf bei Bau- oder Forstarbeiten ausgelöst werden.

Etwas anders sieht es im Hochsommer in Gebirgsregionen aus. Dort hat ein Grossteil der Waldbrände natürliche Ursachen. In den Alpen sind Blitze während der Sommermonate die Hauptauslöser von Waldbränden.

Wie eine kürzlich im Forum Wissen der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) veröffentlichte Studie zeigt, nimmt die Zahl der sogenannten blitzinduzierten sommerlichen Waldbrände in den Alpen seit dem Jahr 2000 in der Schweiz tendenziell zu. «In den Jahren 2022 und 2023 bestätigte sich dieser Trend, es gab aussergewöhnlich viele Blitzschlagbrände wegen Trockenheit», sagt Marco Conedera von der Forschungsgruppe Insubrische Ökosysteme der WSL in Cadenazzo.

Fokussiert man auf den Blitzschlag als Ursache, so begünstigen im wesentlichen drei Faktoren die Entstehung von Bränden.

Der erste Faktor ist die Topografie. Wie die Untersuchungen der WSL zeigen, brechen Feuer im Gebirge oft im Bereich von Kuppen- oder Gratlagen aus. Der Grund dafür ist simpel: Blitze werden von solchen exponierten Lagen regelrecht angezogen.

Der zweite Faktor ist die Vegetation. Die in den Gebirgswäldern dominierenden Nadelbäume wirken wegen ihrer dreieckigen Form ebenfalls anziehend auf Blitze. Die durch den Blitz gelieferte Zündenergie wird in den humusreichen Boden geleitet, wo sich dann Schwelfeuer in der kompakten Nadelstreu entwickeln können. Dazu wirken Nadelbäume wegen der Anordnung des Astwerks wie Regenschirme. Dadurch bleibt das Streu unter den Bäumen bei kurzen Regenschauern trocken.

Mehr Trockenheit, mehr Waldbrände – auch in der Schweiz

Der dritte und wichtigste Faktor ist aber das Wetter. Und genau hierbei findet seit einigen Jahrzehnten der markanteste Wandel statt. Mit den stetig steigenden Temperaturen hat sich seit der Jahrtausendwende die Häufigkeit und Dauer von sommerlichen Hitze- und Trockenperioden im Alpenraum deutlich erhöht. Die Schweizer Wälder – das zeigt auch der Waldbericht 2025 – sind deshalb zunehmendem Trockenstress ausgesetzt.

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um die «normale» sommerliche Trockenheit, die regelmässig klimabedingt im Wallis, Engadin oder Tessin auftritt. Vielmehr kommt es zunehmend zu Trockenheiten, die sich über Monate hinweg aufbauen. In den Wäldern trocknet dann nicht nur die oberflächliche Vegetation aus, sondern auch die darunter liegende Humusschicht.

Brennender Baum im Wald bei Nacht, Funken fliegen in die Luft.

Man könnte nun meinen, dass es während trocken-heissen Sommern im Gebirge auch deutlich weniger Gewitter gibt, was das Risiko für Blitzschlagbrände reduzieren würde. Genau das ist aber nicht der Fall.

Zur Bildung von alpinen Hitzegewittern braucht es nämlich nicht unbedingt einen atmosphärischen Auslöser. Ein solcher atmosphärischer «Trigger» wäre beispielsweise eine Kaltfront, die für Hebungsprozesse sorgt, wodurch sich im Sommer Gewitterfronten bilden.

Über den Gebirgshängen wird die heisse Luft im Sommer auch durch die Topografie zum Aufsteigen gezwungen. Das geschieht vor allem dann, wenn die Druckverteilung eher flach ist, also weder ein Hochdruckgebiet noch ein Tiefdruckgebiet eindeutig Regie führt.

In den Bergen wachsen dann Quellwolken in die Höhe, aus denen wiederum «hausgemachte» Gewitter entstehen können. «Nicht selten handelt es sich dabei um Trockengewitter, die kaum Niederschlag, aber sehr wohl Blitzentladungen bringen», sagt Boris Pezzatti von der Forschungsgruppe Insubrische Ökosysteme der WSL.

Dieser Effekt zeigte sich zum Beispiel im bis heute bezüglich Durchschnittstemperatur unerreichten Hitzesommer des Jahres 2003. Damals gab es über den Bergen trotz anhaltend heissen Wetters immer wieder Gewitter. Diese waren aber meist lokal begrenzt und konnten die grossflächig aufgebaute Trockenheit kaum lindern.

Die Gewitterwolken schickten aber auch zahlreiche Blitze zu Boden. Die Folge waren überdurchschnittlich viele Waldbrände im ausgetrockneten Alpenraum. Vergleichbar, wenn auch auf einem tieferen Niveau, war die Situation in den Sommern der Jahre 2022 und 2023.

Karikatur eines Blitzeinschlags, der ein Buch mit der Aufschrift ’Klima-Prognosen’ hält, neben einer Trommel mit ’Donner’ darauf. Daneben brennt ein Wald, während eine Sprechblase sagt: ’Ich glaube Sommerferien können wir uns ans Bein streichen..’

Bemerkenswert dabei ist, dass die Waldbrände im Gebirge eine ganz eigene Dynamik aufweisen. «Im Gebirge verlagern sich Brände in der Regel vom Tal her aufwärts», sagt Pezzatti. Wenn starke und trockene Winde wehen, was zum Beispiel im Tessin bei Nordföhn der Fall ist, können sich Waldbrände aber auch in andere Richtungen und über grössere Distanzen ausweiten.

Das war zum Beispiel beim grossen Waldbrand vom Juli 2023 in Bitsch im Kanton Wallis der Fall. Dieses Feuer loderte während 19 Tagen, etwa 200 Personen mussten evakuiert werden. Auslöser war damals jedoch kein Blitz, sondern ein Schuss aus einer Waffe.

Blitzinduzierte Brände neigen ausserdem dazu, zuerst unterirdisch in der trockenen Streuschicht des Waldbodens zu schwelen. Es kann dann Tage oder sogar Wochen dauern, bis sie ausbrechen. Diese Brände sind besonders heimtückisch, weil sie fast nicht zu erkennen sind. «Es gibt das Beispiel eines Försters, der einen Schwelbrand im Wald erst bemerkte, als ihm die Schuhsohlen schmolzen», sagt Boris Pezzatti.

Diese Mottbrände erschweren die Löscharbeiten, die im Berggebiet wegen des unzugänglichen Terrains ohnehin sehr schwierig sind, noch zusätzlich.

Gemäss den Experten der WSL muss davon ausgegangen werden, dass die Zahl der durch Blitzschläge verursachten Waldbrände in der Schweiz im Sommer künftig noch stärker zunehmen wird. «Bei zunehmender Trockenheit könnten Zahl und Fläche von Blitzschlagbränden deutlich ansteigen», sagt Boris Pezzatti.

Die Experten empfehlen daher, dass künftig noch stärker in moderne Schutzkonzepte und Forschung investiert werden soll.

In einigen Kantonen wurden in den letzten Jahren bereits Anpassungen vorgenommen. So überarbeitete beispielsweise der Kanton Neuenburg unter dem Eindruck eines für die Region ungewöhnlich grossen Waldbrandes am 18. April 2018 seine Feuerwehrstrategie. Unter anderem wurde in die für den Kampf gegen Waldbrände nötige Ausrüstung und in die Ausbildung der Einsatzkräfte investiert.

Im Kanton Graubünden, namentlich im Misox, wurde gemäss Marco Conedera unlängst eine neue Methode zur Brandbekämpfung erprobt. Dabei seilten sich Spezialisten über die Gebirgshänge zu den Brandherden ab, um das Feuer effektiver zu bekämpfen.

Ausserdem arbeiten die WSL-Fachleute auch mit Computermodellen. Dabei werden Blitz- und Wetterdaten von Meteo Schweiz mit einer Kartierung des Waldbrandrisikos kombiniert. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, den Ausbruch eines Waldbrandes nach dem Durchgang eines Gewitters in einer von Trockenheit betroffenen Region frühzeitig zu erkennen.

Flachland nicht mit Gebirge vergleichbar

Unbeantwortet bleibt die Frage, ob bei einem weiteren Anstieg der Temperaturen künftig auch im Mittelland mit mehr Waldbränden zu rechnen ist – sei es durch Blitzschlag oder durch menschliches Einwirken.

Boris Pezzatti kann dazu keine eindeutige Prognose abgeben. Mit Fortdauer der aktuellen Entwicklung könnten grössere Brandereignisse künftig auch im Flachland der Alpennordseite zwar nicht ausgeschlossen werden. Allerdings sei die Situation in den Tieflagen nicht mit jener im Gebirge zu vergleichen. «Im Mittelland gibt es im Vergleich zum Alpenraum nur kleinere zusammenhängende Waldflächen, die wegen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung von Feuerschneisen getrennt werden», betont er. Ausserdem weisen die von Laubbäumen geprägten Wälder des Flachlandes ein anderes, deutlich feuchteres Mikroklima auf.