Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Frauen am Sechseläuten
Zürcher Zünfte lassen Töchter zu – aber nur vereinzelt

Kinder in traditionellen Kostümen beim Sechseläuten-Umzug in Zürich am 15. April 2024, mit Blumenkörben in der Hand.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Die Zürcher Zünfte Höngg und Meisen erlauben neu die Aufnahme von Zünftertöchtern.
  • Die ersten weiblichen Vollmitglieder werden in der Zunft zur Höngg im Herbst 2026 aufgenommen.
  • Bei der Zunft zu den Drei Königen dürfen Frauen am Umzug teilnehmen.
  • Historisch gesehen waren Ehefrauen bis ins 18. Jahrhundert reguläre Zunftmitglieder.

Zwei Zünfte holen auf: In der Zunft Höngg und in der Zunft zur Meisen dürfen Frauen seit kurzem vollwertige Mitglieder werden. Das haben die jeweiligen Generalversammlungen entschieden: bei der Zunft Höngg schon 2024, bei der Zunft zur Meisen im Februar dieses Jahres. 

Beide Zünfte nehmen allerdings nur Töchter von Zünftern auf. Unter den Männern wird die Mitgliedschaft zwar ebenfalls häufig vererbt, unter bestimmten Bedingungen können aber auch Auswärtige beitreten.

Dass in einem ersten Schritt nur weibliche Nachkommen der Zünfter das Recht auf eine Mitgliedschaft haben, ist für die Zunft Höngg eine Übergangslösung. Das sei wichtig gewesen, um bei den Zünftern mögliche Bedenken zu zerstreuen, sagt Walter Zweifel, Zunftmeister von der Zunft Höngg: «Die Töchter engagieren sich, man kennt sie, und sie haben eine zünftige DNA.» 

Die Zunft zu den Drei Königen wagte letztes Jahr ebenfalls eine Art Pilotversuch in Sachen Gleichstellung: Auf Einladung ihrer Väter durften die Zünftertöchter am Sechseläuten dabei sein – nicht nur am Umzug, sondern an sämtlichen Programmpunkten des Tages. Das Experiment sei geglückt und die Frauen dürften von jetzt an immer am Umzug teilnehmen, sagt Zunftmeister Rolf Bühler: «Wir haben total Freude.» Die Aufnahme von Frauen als Mitglieder ist jedoch derzeit kein Thema. Alle anderen 23 Zünfte schliessen Frauen ebenfalls weiterhin aus.

Von Gesellinnen zu vollwertigen Mitgliedern

Die Töchter in der Zunft Höngg durchlaufen nun denselben Aufnahmeprozess wie männliche Mitglieder: Sind sie älter als 30, werden sie zuerst zu Interessentinnen und dann zu Anwärterinnen. Die Hauptversammlung entscheidet, ob ein Anwärter oder eine Anwärterin aufgenommen wird.

Sind sie jünger als 28, werden sie zu Gesellinnen, die wie die Gesellen noch kein Stimmrecht haben. Am Sechseläuten und an allen anderen Anlässen sind sie fürs Ausschenken der Getränke zuständig. Spätestens im 28. Lebensjahr stellen die Gesellen – und neu die Gesellinnen – ebenfalls einen Antrag, vollwertige Mitglieder der Zunft zu werden. «Im Herbst 2026 werden wir, vorbehaltlich der Zustimmung der Hauptversammlung, die ersten beiden Frauen aufnehmen können», sagt Walter Zweifel von der Zunft Höngg.

Mit 30 war für die Frauen Schluss mit Sechseläuten

Eine von ihnen ist die 32-jährige Rahel Zweifel. Sie ist Zünfterstochter und nimmt seit ihrer Kindheit am Sechseläuten teil: zuerst als Angehörige der Zunftfamilie, dann als Ehrendame des Zunftmeisters. Als Ehrendamen dürfen die Frauen bis 30 am Umzug teilnehmen, danach nicht mehr. «Das Zunftleben hat mich mein Leben lang begleitet, und mit 30 sollte ich plötzlich nicht mehr mitwirken können?», sagt Rahel Zweifel. Dabei teile sie doch die Werte der Zünfter: Freundschaft, Geselligkeit und Tradition, wie sie sagt.

Menschen in traditioneller Schweizer Tracht marschieren auf einer Strasse während eines Festumzugs, umgeben von Zuschauern.

Deshalb hielt sie 2023 mit 19 anderen Zünfterstöchtern und 16 Zünfterssöhnen vor der Höngger Zunftgemeinschaft eine Rede, um sich für geschlechtsneutrale Statuten einzusetzen. Rahel Zweifel versteht, dass der Integrationsprozess Zeit braucht: «Für einen traditionsreichen Verein wie eine Zunft ist das ein Wandel: die Anerkennung ihrer Töchter als Teil ihrer Gesellschaft.»

«Es beginnt, sich zu verändern», sagt Felix H. Boller, Präsident des Zentralkomitees der Zürcher Zünfte (ZZZ). Gemäss Boller ist jede Zunft eigenständig und muss im eigenen Tempo vorangehen. Die Zünfter äussern sich zum Frauenanteil am Sechseläuten nur zögerlich: Eine unbedachte Aussage, so der Eindruck, könnte den Reformprozess in einzelnen Zünften bremsen – und die Sorge ist gross, ältere Mitglieder vor den Kopf zu stossen.

Die Frauen-Zunft läuft auf Einladung mit

Ob die Zünfte Frauen aufnehmen oder nicht, sei ihnen selbst überlassen, sagt Claudia Hollenstein. Sie bewerte diese Entscheide nicht, freue sich jedoch, wenn eine Zunft Frauen aufnehme. Hollenstein ist Vorsteherin der Gesellschaft zu Fraumünster: Die sogenannte Frauen-Zunft läuft seit mehr als zehn Jahren am Sechseläutenumzug mit. Mitglied im Zentralkomitee der Zürcher Zünfte ist die Gesellschaft zu Fraumünster allerdings nicht; sie erhält jedes Jahr eine Einladung der Zunft zur Constaffel. Mit ihr hat die Frauen-Zunft im Jahr 2014 eine Art Vertrag aufgesetzt: Die Zusammenarbeit verlaufe sehr gut, so Hollenstein.

Lieber als über den Frauenanteil am Sechseläuten möchte Claudia Hollenstein über den besonderen Beitrag sprechen, den die Gesellschaft zur Fraumünster am Morgen vor dem Umzug leistet: «Wir ehren jedes Jahr im Fraumünster eine Frau, die Wichtiges für Zürich getan hat.» Dieses Jahr ist es Hedwig Frey, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Universität Zürich zur ersten Titularprofessorin für Anatomie ernannt wurde.

Zwei Kinder in traditioneller Kleidung verteilen Blumen an Zuschauer beim Sechseläuten in Zürich. Menschen sitzen entlang der Strasse und schauen zu.

Die Frauen und Töchter der Mitglieder jener 23 Zünfte, die Frauen weiterhin ausschliessen, tun am kommenden Montag, was sie am Sechseläuten immer getan haben: Sie stehen am Strassenrand und werfen den Männern Blumen zu. Oder sie begleiten als Ehrendame einen Zunftmeister oder einen Ehrengast. Der Zutritt zu den Zunftstuben bleibt ihnen aber verwehrt. 

Das war übrigens nicht immer so: Bis ins 18. Jahrhundert war es normal, dass beide Ehepartner Mitglied waren in der Zunft – auch wenn die Frauen keine Ämter bekleiden durften. Damals verbrannten die Zünfter weder einen Böögg, noch veranstalteten sie einen Sechseläutenumzug – Diskussionen darüber, ob Frauen mitlaufen dürfen, gab es folglich keine. Den Sechseläutenumzug gibt es in der heutigen Form erst seit 1862, als die Frauen schon aus den Zünften verdrängt worden waren.