US-Wahlkampf im SenatKamala Harris beflügelt die Kongresskandidaten
Die Demokraten schöpfen nun auch plötzlich Hoffnung für die Kongresswahlen. Senator Chuck Schumer möchte einen Traum umsetzen.

Als US-Präsidentin würde Kamala Harris jedes Jahr 3 Millionen Häuser bauen lassen und einen Steuerabzug von 6000 Dollar für Neugeborene einführen. Dafür will sie bei Wohlhabenden und Konzernen 5 Billionen Dollar mehr Steuern einziehen.
Es sind die konkretesten Bausteine eines politischen Programms, das sich sonst eher nicht durch einen hohen Detailgrad auszeichnet – die Demokratin profitiert im Moment vor allem davon, dass das Land ihres Konkurrenten Donald Trump müde ist. Und heilfroh, mit der 59-jährigen Kalifornierin eine Alternative zu dem 78-jährigen Republikaner und dem 81-jährigen Amtsinhaber Joe Biden erhalten zu haben.
Um auch nur einen Teil ihrer Wahlversprechen in die Tat umsetzen zu können, müsste Harris allerdings Mehrheiten in beiden Kongresskammern finden. Doch dafür stehen die Chancen nicht besonders gut. Im Senat halten die Demokraten derzeit eine äusserst knappe Mehrheit von 51 gegen 49 Stimmen. Über das Repräsentantenhaus hingegen gebieten die Republikaner, mit 220 gegen 212 Stimmen bei drei offenen Sitzen – eine Mehrheit, die sich allerdings auch nur dann durchsetzen kann, wenn Trumps Parteigänger sehr geschlossen stimmen.
Zu vergeben: Das ganze House und ein Drittel der Senatssitze
Bisher konnten sich vor allem die Republikaner auf die Wahlen im Herbst freuen. Am 5. November wird nicht nur das Amt im Weissen Haus vergeben, sondern auch alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 33 der 100 Sitze im Senat. Lange schien es so, als ob die Roten dann eine Mehrheit in beiden Kammern sicher hätten.
In der kleinen Kammer reichen den Republikanern zwei Sitzgewinne, um die Verhältnisse zu drehen. Dabei hilft ihnen, dass Joe Manchin nicht mehr antritt, ein konservativer Demokrat aus West Virginia, dem armen und ländlichen Staat in den Appalachen. Der Sitz wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an die Republikaner gehen. Vor vier Jahren hatten mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten in West Virginia für Trump gestimmt. Der Kandidat der Republikaner, der Gouverneur und millionenschwere Agrar- und Kohleunternehmer Jim Justice II., dürfte die Senatswahl den Umfragen zufolge mit grossem Vorsprung gewinnen.
Montana wird für die Demokraten entscheidend
Einen zweiten Sitzgewinn erhofften sich die Republikaner in Montana, wo der Demokrat Jon Tester zur Wiederwahl antritt. Mit dem Segen aus Mar-a-Lago greift ihn dort Tim Sheehy an, ein früheres Mitglied der Spezialeinheit Navy Seals. In Umfragen führt Sheehy bisher, doch inzwischen wurde ruchbar, dass sein Flugunternehmen, mit dessen Erfolgen er sich brüstet, Millionenverluste einfährt. Das Rennen gilt als knapp, der viel beachtete «Cook Political Report» zählt es zu den völlig offenen Wahlkämpfen, den sogenannten «toss ups», so gut vorherzusagen wie das Resultat eines Würfelwurfs.
Umso mehr gilt das, seit die Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen wieder im Aufwind sind. Die Unbeliebtheit von Joe Biden hatte die Chancen der Kongresskandidaten der Demokraten belastet – nicht zuletzt mit dieser Begründung hatte Nancy Pelosi, frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, den alternden Präsidenten zum Rückzug gedrängt. Die Euphoriewelle, auf der die neue Kandidatin Kamala Harris seither reitet, wirkt sich nun auch auf die anderen Kandidaten der Demokraten aus.
Alle schauen auf die 22 offenen Rennen
Nachdem Harris den Umfragerückstand auf Donald Trump wettgemacht und ihn teilweise überholt hat, weist «The Hill» etwa die Chancen der Republikaner auf einen Sieg in der grossen Kammer etwas tiefer aus als zuvor – mit noch 56 Prozent statt vorher 61 Prozent. Wie andere Publikationen auch hatte «The Hill» das Modell einen Monat pausiert, um die Wirkung von Bidens Abschied aus dem Rennen abzuschätzen.

Für die Mehrheit im House dürfte der Ausgang in einer kleinen Minderheit der Distrikte entscheidend sein, wie auch bei der Präsidentschaftswahl. Dazu zählt der «Cook Political Report» 70 Sitze; 39 davon sind jetzt von Demokraten besetzt. Dabei hat die Partei von Kamala Harris gute Chancen, zwei rote Sitze zu holen, einen dank einer Neuordnung der Wahlkarte in Alabama, einen zweiten in New York – die Republikaner hingegen müssten alle Sitzgewinne in jenen 22 Rennen realisieren, die als offen gelten.
Kamala Harris mobilisiert die Frauen
Den Demokraten kommt zugute, dass Kamala Harris die Frauen besser mobilisieren dürfte, als Joe Biden das vermochte. Sie äussert sich sehr deutlich zu Themen wie dem Recht auf Abtreibung, das die Demokraten in zehn Gliedstaaten zum Gegenstand von Abstimmungen gemacht haben, die gleichzeitig mit der Wahl am 5. November stattfinden werden. Das dürfte die demokratische Basis an die Urnen bewegen; bereits werden Parallelen gezogen zu den Zwischenwahlen 2022, bei denen die Republikaner vergeblich auf eine rote Welle gehofft hatten.

Inzwischen spüren die Demokraten wieder einen derart positiven Trend, dass Senator Chuck Schumer am Parteikongress in Chicago eine Wunschliste aufzählte. Die Partei werde das Mandat in Montana verteidigen, ebenso zwei angegriffene Sitze in Ohio und Arizona. Gelinge es der Partei so, 50 Sitze zu halten, hätte sie mit dem Vizepräsidium den Stichentscheid, führte Schumer aus.
Dann werde er den Filibuster abschaffen, eine Regel im Senat, die eine Mehrheit von 60 Stimmen für viele Gesetzesänderungen erfordert und viele alte Träume der Demokraten blockierte. Eine Änderung würde es erlauben, eine Wahlrechtsreform zu beschliessen, um Einschränkungen in konservativen Staaten rückgängig zu machen.
Nicht zuletzt könnte sich Kamala Harris dann auf den Senat verlassen, um ihre Wahlversprechen umzusetzen.
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