Neue EU-KommissionWann bekommt die EU eine Führung, die Trump Paroli bieten kann?
Brüssel streitet darum, wer EU-Kommissar werden darf, während die Welt gerade aus den Fugen gerät. Die EU-Abgeordneten drohen mit ihrem politischen Hickhack den Neustart von Ursula von der Leyen zu vermasseln.
- Ursula von der Leyens Neustart hängt von den EU-Parlamentshearings ab.
- Raffaele Fitto und Teresa Ribera stehen im Zentrum politischer Konflikte.
- Oliver Varhelyi galt als kritischer Punkt wegen früherer Äusserungen.
- Macron und Scholz erschweren Europas strategische Antwort auf Donald Trump.
Kann Ursula von der Leyen neu starten, bevor Donald Trump ins Weisse Haus einzieht und die transatlantischen Beziehungen womöglich auf die Probe stellt? Heute dürfte bei den Anhörungen der neuen Mitglieder der EU-Kommission die Vorentscheidung fallen. Für den Italiener Raffaele Fitto und für die Spanierin Teresa Ribera kommt es zum Showdown im EU-Parlament. Linke und Grüne haben angedroht, dem Kandidaten der postfaschistischen Regierungschefin Giorgia Meloni die Unterstützung zu verweigern. Im Gegenzug dürfte dann die konservative Fraktion gegen die Vertraute von Spaniens sozialistischem Regierungschef Pedro Sanchez stimmen. Nach dem Motto «Wie du mir, so ich dir».
Kommissar fürs Tierwohl
Tritt das Szenario ein, kann Ursula von der Leyen mit ihrer neuen Kommission nicht wie geplant am 1. Dezember starten. Selbst ein Start am 1. Januar wäre unsicher. Denn auch ein dritter Kandidat wankt, der bisherige Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi. Neu soll er nicht mehr das strategisch wichtige Dossier der Erweiterung bekommen, sondern für Gesundheit und das Tierwohl zuständig sein. Eine deutliche Abstrafung, weil er sich die letzten fünf Jahre als linientreuer Statthalter von Viktor Orban erwiesen und sich wenig um das europäische Interesse gekümmert hat. Sein grösstes Handicap ist jedoch, dass er die EU-Abgeordneten bei einem Auftritt einmal als «Idioten» tituliert hat. Oliver Varhelyi hatte damals übersehen, dass das Mikrofon noch eingeschaltet war. Der Ungar hat sich bei der Anhörung letzte Woche für die Beschimpfung zwar entschuldigt und sich bei Fragen zum neuen Portfolio zudem als sattelfest erwiesen. Doch die EU-Parlamentarier sind nachtragend.
Die von den Mitgliedsstaaten vorgeschlagenen Kommissare müssen nicht nur ihre finanziellen Angelegenheiten offenlegen, sondern auch ausführlich schriftliche Fragen beantworten und dann noch ein dreistündiges öffentliches Hearing bestehen. Die Europaparlamentarier feiern die Anhörungen als «Sternstunde der Demokratie». EU-Kommissare werden gern als «ungewählte Bürokraten» dargestellt. Was doppelt falsch ist, weil das Team von Ursula von der Leyen am Ende eine Mehrheit im EU-Parlament überzeugen muss. Und in kaum einem EU-Mitgliedsstaat werden Minister vor Amtsantritt so durchleuchtet.
Schlechtes Timing
Allerdings nimmt ausserhalb der Brüsseler Bubble kaum jemand das Kreuzfeuer wahr, dem die Kandidaten ausgesetzt werden. Auch das Timing ist nicht optimal, die Anhörungen starteten in der Woche der US-Wahlen und gehen diesen Mittwoch zu Ende. Und nun drohen die EU-Abgeordneten mit ihrem politischen Hickhack den Neustart von Ursula von der Leyen zu vermasseln. Brüssel streitet darum, wer EU-Kommissar werden darf, während die Welt gerade aus den Fugen gerät. Dabei zweifelt eigentlich niemand ernsthaft an der Qualifikation der gefährdeten Kandidaten.
Raffaele Fitto kommt zwar von den Fratelli d’Italia, gilt aber als gemässigt und war früher mal bei den Christdemokraten. Sozialdemokraten und Grüne stört vor allem, dass Ursula von der Leyen den Kandidaten der Postfaschistin Meloni zu einem der Vizepräsidenten der EU-Kommission machen will. Die deutsche Christdemokratin will sich damit die Gunst von Italiens Regierungschefin sichern. Und der Tatsache Rechnung tragen, dass sie für Mehrheiten im EU-Parlament bei Themen wie Migration oder Verteidigung in Zukunft auch die Stimmen der italienischen Abgeordneten der Fratelli d’Italia brauchen wird.
Scheitert Fitto nach der Anhörung, fällt auch die Spanierin Ribera, der die Konservativen zudem als bisheriger Umweltministerin eine Mitverantwortung für die Unwetterkatastrophe von Valencia vorwerfen. Der Ungar wäre ein zusätzlicher Kollateralschaden und würde im Extremfall ebenso durchfallen. Die Regierungen in Rom, Madrid und Budapest müssten neue Kandidaten benennen. Zweifel sind angebracht, ob zum Beispiel Viktor Orban ein grosses Interesse hat, schnell einen Ersatz zu nominieren. Der Trump-Fan könnte Ursula von der Leyen durchaus eine Weile zappeln lassen und warten, bis der neue US-Präsident sich eingerichtet hat.
Testfall Handelspolitik
Dabei bräuchte die EU jetzt dringend eine Stimme, die Donald Trump Paroli bieten kann. In Frankreich ist Präsident Emmanuel Macron angeschlagen, in Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Ende. Handelspolitik ist zudem die exklusive Domäne der EU-Kommission. Wenn es um Antworten auf neue amerikanische Zölle geht, entscheidet Brüssel. Auf Ursula von der Leyen wartet eine Führungsrolle. Doch bis die Kommissionspräsidentin mit ihrem Team starten kann, hat Donald Trump womöglich schon erste Fakten geschaffen.
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