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Endspurt im deutschen Wahlkampf
Hat Merz sein Manöver mit der AfD genützt? Warum ist die Linke die Partei der Stunde?

Wahlplakate in Halle Saale zur Bundestagswahl 2025 mit Friedrich Merz von der CDU und Robert Habeck von Bündnis90/Die Grünen.
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In Kürze:
  • Die Umfragewerte der deutschen Parteien sind seit Wochen unverändert.
  • Friedrich Merz’ Bündnis mit der AfD spaltet die Meinungen in Deutschland.
  • Die Linke erlebt nach Sahra Wagenknechts Austritt einen Aufschwung.
  • Die FDP kämpft mit schwachen Argumenten um den politischen Überlebenskampf.

Eine Partei bei 30 Prozent (CDU/CSU), eine bei 20 (AfD), zwei bei 15 (SPD und Grüne), alle anderen (FDP, Linke, Sahra Wagenknecht) knapp an oder unter der 5-Prozent-Schwelle: Oberflächlich betrachtet hat sich an den Umfragewerten der deutschen Parteien seit Wochen kaum etwas geändert.

Doch der Schein trügt – und 20 bis 25 Prozent der Deutschen wissen noch nicht, welche Partei sie am 23. Februar wählen sollen. Die sieben wichtigsten Fragen und Antworten des Moments.

Hat Merz sein Kungeln mit der AfD nun genützt oder geschadet?

Hunderttausende gingen an den vergangenen beiden Wochenenden in deutschen Städten auf die Strasse, um gegen die in Teilen rechtsextreme AfD und gegen Friedrich Merz zu demonstrieren, den Kanzlerkandidaten der Christdemokraten. Merz hatte Ende Januar im Bundestag erstmals mit der AfD zusammengespannt beim Versuch, eine «Asylwende» noch vor der Wahl durchzusetzen. Die Abstimmungen galten mehrheitlich der Galerie, die Sorge und die Wut vieler Linker und Liberaler über Merz’ «Tabubruch» fielen aber ziemlich real aus.

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU und Kanzlerkandidat, spricht zu den Medien vor einer Fraktionssitzung im Bundestagsgebäude in Berlin, Deutschland, am 10. Februar 2025.

Selbst in seiner eigenen Partei galt Merz’ Manöver als riskant, entsprechend nervös sah die Parteispitze letzte Woche den neuesten Umfragen entgegen. Die Ergebnisse fielen dann spektakulär unspektakulär aus: Die Union verlor, unter dem Strich, keine Punkte und gewann keine dazu. Einzig Merz wurde von einigen Deutschen danach als kanzlerfähiger angesehen als zuvor. Über sein Vorgehen waren die Meinungen gespalten. Eine breite Mehrheit teilte und teilt aber sein Anliegen: eine restriktivere Asylpolitik. Auf Letzteres hatte Merz von Anfang an vertraut.

Geht für Scholz nach seinem Auftritt beim Kanzler-Duell noch etwas?

Der grösste Erfolg für Kanzler Olaf Scholz stand schon vor der TV-Debatte bei ARD und ZDF fest: Der Sozialdemokrat stand dem Herausforderer Merz allein gegenüber – obwohl die AfD von Alice Weidel in den Umfragen vor ihm und Robert Habeck von den Grünen nur knapp hinter ihm liegen. Der (falsche) Eindruck, der Wahlkampf spiele sich zur Hauptsache zwischen Amtsinhaber und Umfragekönig ab, nützte Scholz mehr, als es sein Auftritt je hätte tun können.

Eine Blitzumfrage legte aber auch nahe, dass Scholz sich bei der Debatte gut gehalten und die (tiefen) Erwartungen übertroffen hatte. Ob es etwas am Umstand ändert, dass er so unbeliebt ist wie kein Kanzler vor ihm, ist dennoch zweifelhaft. Aber ein kleiner Lichtblick für die seit Wochen depressiven Genossen war der Sonntagabend schon.

Warum ist die Linke auf einmal die Partei der Stunde?

Jan van Aken, Ines Schwerdtner und Heidi Reichinnek (von links nach rechts) beim Wahlkampfauftakt der Linkspartei in Berlin 2025, mit einem Logo der Partei im Hintergrund.

Wer nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht vor einem Jahr annahm, die Linkspartei werde bald untergehen, befand sich in guter Gesellschaft. Einem erfolgreichen Neustart standen neuerliche Querelen entgegen, während Wagenknecht bei der Europawahl und den Landtagswahlen im Osten Triumphe feierte.

Doch plötzlich haben sich die Verhältnisse verkehrt: Wagenknechts Partei ist seit Herbst von 8 auf 4 Prozent abgerutscht, die Linke von 3 auf 5 bis 6 Prozent gestiegen. 20’000 Menschen sind der Linkspartei seit Anfang Jahr beigetreten, in den sozialen Medien begeistert die Linke viele junge Menschen.

Der Auszug ihrer Unruhestifterin Wagenknecht hat die Partei, die vor allem für tiefere Mieten und höhere Löhne kämpft, inhaltlich befreit, der Mitte-Kurs von SPD und Grünen öffnet ihr zusätzlich Raum. Bleibt die Linke am Ende im Bundestag, während Wagenknecht scheitert – es wäre die grösste Überraschung dieses Wahlkampfs.

Mit welchen Argumenten kämpft die FDP um ihr Überleben?

Kurz nach dem Bruch der Ampel-Regierung im November sah Christian Lindner seine FDP schon zurück bei 10 Prozent – und als Partner einer Regierung mit Friedrich Merz. Tatsächlich steht sie unverrückbar bei 4 Prozent und muss fürchten, wie 2013 aus dem Bundestag zu fliegen. In der Partei herrscht, offen gesagt, Panik.

Lindner hatte die FDP 2017 wieder in den Bundestag geführt, danach aber ausgeschlagen, mit CDU/CSU und Grünen zu regieren. Das «Nicht-Regieren» bis 2021 bekam der Partei erheblich besser als das «Falsch-Regieren» mit SPD und Grünen in den vergangenen drei Jahren. Der FDP gehen deswegen gerade die Argumente aus, warum Deutsche sie eigentlich wählen sollen.

Um eine (unwahrscheinliche) Koalition von Merz mit den Grünen zu verhindern, lautet die neuste Losung. Wer als Wählerin oder Wähler so viel um die Ecke denken mag, hält Lindner vielleicht auch für den genialsten Finanzminister in der Geschichte der Bundesrepublik.

Wie hoch kann die AfD noch steigen?

Die Partei von Alice Weidel hat vom gemeinsamen Abstimmen mit CDU, CSU und FDP für eine «Asylwende» unter dem Strich ebenso wenig profitiert wie Merz’ Christdemokraten. Geschadet hat es der Partei aber auch nicht. Der Grund für die Stagnation in den Umfragen liegt womöglich im Umstand, dass die AfD ihr derzeitiges maximales Potenzial «fast ausmobilisiert» hat, wie Fachleute meinen. Beziffert wird es auf etwa 25 Prozent. Fast 50 Prozent können sich hingegen prinzipiell vorstellen, CDU/CSU zu wählen, fast 40 Prozent SPD.

Geht noch etwas für Robert Habecks Grüne?

Der Wahlkampf der Grünen ist in den letzten Wochen kaum vom Fleck gekommen. Die Partei gilt seit einem Jahr als Lieblingsgegner aller anderen Parteien – von der Linken bis zur AfD. Nicht nur AfD und CSU, sondern neuerdings auch die FDP haben es ausgeschlossen, nach der Wahl mit ihr zu koalieren. Gegen diese Stimmungslage kommt ihr Kanzlerkandidat Robert Habeck nicht an.

Dabei sind die Hallen und Säle der Grünen voll, das Interesse am gefühlig-philosophischen Wahlkampf Habecks gross, 35’000 Menschen sind seit dem Bruch der Koalition Anfang November den Grünen beigetreten. Die Grünen verlieren unter den Regierungsparteien im Vergleich zur Wahl 2021 denn erstaunlicherweise auch am wenigsten: etwa 1 Prozentpunkt – gegenüber 7 für die FDP und 10 für die SPD.

War es das für Sahra Wagenknecht?

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine Partei erfolgreicher gestartet als das Bündnis von Sahra Wagenknecht. Doch der Hype um den links-rechten Medienliebling ist verweht – und zwar zum schlechtesten Zeitpunkt, just vor der Bundestagswahl. Das Thema Frieden in Europa ist nur noch eines unter vielen, Wagenknechts Polemik gegen alle, die ihre Meinung nicht teilen, verhallt im Lärm der vielen Stimmen.

Der «Süddeutschen Zeitung» sagte die Parteigründerin gerade, natürlich gehe es bei dieser Wahl auch um ihre Zukunft. Allzu viel hineinlesen sollte man darin allerdings nicht: Etwas anderes als Politik (und politische Bestseller schreiben) kann und will Sahra Wagenknecht nicht.