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Porträt von Alexander Dobrindt
Er kritzelte fünf Vorschläge auf einen Zettel und rettete die Koalition mit Pendeldiplomatie

Alexander Dobrindt von der CSU betritt am 7. April 2025 die Bayerische Landesvertretung in Berlin zu Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU.
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In Kürze:
  • Alexander Dobrindt löste Blockaden, als die Koalitions­verhandlungen zu scheitern drohten.
  • Als Vertrauensperson von Merz und Söder verhandelte er mit Grünen und SPD.
  • Der frühere Verkehrs­minister dürfte nun das wichtige Innen­ministerium leiten.

Alexander Dobrindt einen der ungeliebteren Politiker Deutschlands zu nennen, wäre bis vor kurzem noch schwer untertrieben gewesen. Seit seinen Anfängen als Generalsekretär der CSU Anfang der 2010er-Jahre galt er als konservativer Lautsprecher und populistischer Haudrauf.

Noch vor der Bundestagswahl im Februar war er einer jener Christdemokraten, die am brachialsten auf den Gegner eindroschen, am liebsten auf die Grünen. Der «grüne Spuk in Deutschland» müsse endlich ein Ende nehmen, diktierte Dobrindt in jedes Mikrofon.

Die Bahn vernachlässigte er wie seine Vorgänger und Nachfolger

Schon als Verkehrsminister in Angela Merkels dritter Regierung (2013 bis 2017) hatte sich der Oberbayer keine Meriten erworben. Dobrindt kümmerte sich vor allem darum, Hunderte Millionen in den bayerischen Strassenbau umzuleiten. Die Bahn vernachlässigte er wie seine Vorgänger und Nachfolger, der CSU-Trick eines Strassenzolls, den nur Ausländer bezahlen sollten, wurde zum Desaster. In Erinnerung blieb der Minister nur wegen seiner bunt karierten Anzüge.

Doch kaum war die jüngste Wahl vorbei, avancierte der 54-Jährige zum wichtigsten Helfer von Friedrich Merz, dem künftigen Kanzler der Schwesterpartei CDU. Was machte Dobrindt plötzlich zum Mann der Stunde? Zwei grosse Rettungstaten – und eine einzigartige Position: Als Chef der CSU im Bundestag geniesst er sowohl das Vertrauen von Merz wie auch von CSU-Chef Markus Söder. Letzteres musste sich Dobrindt erst erarbeiten: Als Gefolgsmann von Söders Vorgänger Horst Seehofer hatte er diesem zunächst noch als «Feind» gegolten.

Vom «Grünen-Fresser» zum «Grünen-Flüsterer»

Das erste Mal rettete Dobrindt Merz, als dieser ausgerechnet von den Grünen ein Ja zum 1000-Milliarden-Euro-Schuldenpaket benötigte, ohne das es seine Koalition mit den Sozialdemokraten nicht geben würde. Merz hatte die Grünen nach der Wahl ignoriert – und wunderte sich, dass sie nun auf einmal Bedingungen stellten.

Als keine Lösung mehr möglich schien, Merz mut- und ratlos war, nahm Dobrindt mitten in der Nacht die grüne Unterhändlerin Katharina Dröge zur Seite. Zu zweit sprachen die beiden eine Stunde lang im Vertrauen. Als sie in die Runde zurückkamen, war die Kompromisslinie gefunden, der Knoten gelöst – der «Grünen-Fresser» zum «Grünen-Flüsterer» mutiert.

Dabei wusste der CSU-Mann ganz genau, was er tat: Schon zwei Tage zuvor hatte er sein Lager gewarnt, Dröge werde Merz im Bundestag noch einmal scharf attackieren. In der Nacht danach aber, da werde man sich einigen.

Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Alexander Dobrindt diskutieren während der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags am 25. März 2025 in Berlin.

Dobrindts zweite Grosstat liegt erst eine Woche zurück. Von der Öffentlichkeit unbemerkt, stand die Koalition von CDU/CSU und SPD plötzlich nochmals am Abgrund. Lars Klingbeils Sozialdemokraten wollten auf einmal die Steuern für die Reichsten erhöhen – obwohl sie wussten, dass Merz hier eine dicke rote Linie gezogen hatte.

Während Merz und Söder sich empörten und der Kanzler in spe laut «Spiegel» schon davon sprach, dass er notfalls halt zum Bundespräsidenten gehen müsse, um sein Scheitern einzugestehen, anerbot sich Dobrindt zu einer letzten Vermittlung.

45 Minuten sprach er mit Klingbeil unter vier Augen, um herauszufinden, was die SPD eigentlich wollte. Als er zurückkam und signalisierte, Klingbeil sei an einem Kompromiss interessiert, war die Erleichterung enorm. Dobrindt kritzelte fünf Vorschläge auf einen Zettel und begann eine Pendeldiplomatie, die im Laufe eines Tages zu einer umfassenden Lösung führte. Die Koalition war gerettet. Zwei Tage darauf verkündete Merz den Abschluss der Verhandlungen.

«Dobrindt kann sich in Gegenüber hineinversetzen»

Wie hatte Dobrindt geschafft, woran Merz gescheitert war? Natürlich half es, dass es für ihn die vierten Koalitionsverhandlungen waren, an denen er mitwirkte – nicht wie bei Merz die ersten. Noch wichtiger waren die sozialen Fertigkeiten: Dobrindt könne sich in Gegenüber hineinversetzen, wurde danach erzählt, deswegen wisse er, was jemand für eine Lösung brauche. Er sei einer, der Spannungen abbauen könne, der auch mal gemütlich sitzen bleibe, um Stimmung und Vertrauen zu schaffen. Diese Talente fehlen Merz eher. Dobrindt sagt von sich selber, er sei ein «Ermöglicher», mehr nicht.

Ermöglicht hat sich Dobrindt durch seine Rolle bei den Verhandlungen dafür nun jenes «grosse Ministerium», das sein Chef Markus Söder der CSU schon früh in Aussicht gestellt hatte: das Innenministerium nämlich. Die innere Sicherheit wieder zu verbessern und die irreguläre Migration einzudämmen, sind zwei der wichtigsten Aufgaben von Merz’ Regierung.

Dobrindts Entschlossenheit, aber auch seine diplomatischen Fähigkeiten sind nun gefragt, etwa wenn es darum geht, Deutschlands Nachbarn wie die Schweiz von einem strengeren Kontrollregime an der Grenze zu überzeugen. Am ersten Tag seiner Kanzlerschaft, hatte Merz im Wahlkampf versprochen, werde er seinen Innenminister formell dazu anweisen. Bei Dobrindt wird das nicht nötig sein.