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Neue Regierung in Deutschland
Erst beschimpft Merz die Grünen, jetzt bettelt er um sie

Friedrich Merz, Spitzenkandidat der CDU, vor Beginn des Parteiführertreffens in Berlin am 10. März 2025. Hintergrund sind Koalitionsverhandlungen mit der SPD.
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In Kürze:
  • Am Aschermittwoch wurden die Grünen von CSU-Politikern heftig kritisiert.
  • Die Grünen lehnen das 1000-Milliarden-Paket in seiner aktuellen Form ab.
  • Jetzt verhandeln CDU und SPD mit den Grünen über Zugeständnisse.

An Aschermittwoch, zum Ende der Fastnacht, ist vieles erlaubt, was sonst verpönt ist, etwa die leidenschaftliche Beschimpfung des politischen Gegners. Die bayerische CSU pflegt dieses Ritual mit besonderer Inbrunst. Zuletzt arbeitete sie sich vor allem an den Grünen ab, ihrem ideologischen Lieblingsfeind.

Markus Söder nahm sich in Passau letzte Woche Robert Habeck vor, den «schlechtesten Wirtschaftsminister», den Deutschland je gehabt habe. Bayerns Ministerpräsident wünschte den Vizekanzler «auf Nimmerwiedersehen» ins Pfefferland – das heisst in dessen schleswigsche Heimat, wo Daniel Günther, ein Christdemokrat, der noch mit Grünen regiert, bestimmt schon «ein Plätzchen» für ihn bereit halte.

Noch eine Schippe Spott legte Martin Huber drauf, Söders Generalsekretär. Zum Glück seien die Grünen bei der Bundestagswahl «abgewatscht» und in die Opposition verbannt worden. «Robert Habeck kann wieder Kinderbücher schreiben, Annalena Baerbock über feministische Aussenpolitik philosophieren, Cem Özdemir Tofu-Schnitzel essen.» Die Grünen hätten sich mit Cannabis «weggebeamt» – und seien von den Wählern nun zu Recht in die Opposition gebeamt worden.

Merz: «Nicht mehr alle Tassen im Schrank»

Selbst Friedrich Merz, CDU-Chef und wahrscheinlich bald Deutschlands neuer Kanzler, hatte am Abend vor der Bundestagswahl in einem Münchner Bräuhaus noch in Söders Grünen-Beschimpfung eingestimmt, indem er über «grüne Spinner» herzog, die «nicht mehr alle Tassen im Schrank» hätten. «Links ist vorbei», rief Merz in die begeisterte Menge.

Keine Woche nach Aschermittwoch ist die Lage eine vollkommen andere. Am prägnantesten brachte sie die linke Berliner «Tageszeitung» auf den Punkt, die Merz auf ihrer Titelseite mit einem Blumenstrauss und der Schlagzeile zeigte: «Hallöchen, grüne Spinner, bitte helft mir!»

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Kaum ist die Wahl vorbei, wollen Merz und Söder nämlich nicht nur mit den Sozialdemokraten koalieren – diese sind faktisch ihre einzige Machtoption –, sondern sie brauchen auch noch die Grünen, um die Geschäftsgrundlage ihrer künftigen Regierung durchzusetzen: ein mehr als 1000 Milliarden Euro starkes Paket für Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur.

Um Schulden in dieser Grössenordnung aufzunehmen, sind Änderungen des Grundgesetzes nötig, die eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erfordern. Beide sind ohne die Grünen nicht erreichbar. Zudem drängt die Zeit: Eine Einigung ist faktisch nur noch im alten Bundestag möglich, der am 25. März vom eben neu gewählten abgelöst wird.

Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Markus Soeder und Saskia Esken geben eine Erklärung in Berlin am 8. März 2025, nach Gesprächen zur Regierungsbildung.

Im Grunde schlagen Merz, Söder und SPD-Chef Lars Klingbeil den Grünen etwas vor, das diese selbst immer gewünscht hatten. Aber weil sich Christ- und Sozialdemokraten zuletzt ausschliesslich um sich selbst kümmerten, die Grünen in ihre Überlegungen nie einbezogen, sondern deren Zustimmung einfach voraussetzten, merkten sie gar nicht, wie gewaltig der Unmut bei diesen gewachsen war.

Am Montag zog die Grünen-Spitze die Notbremse und gab geschlossen bekannt, dass sie das 1000-Milliarden-Paket in der vorliegenden Form ablehne. Sie sei zwar vehement für mehr Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur, könne das Vorgehen von Union und SPD aber nicht billigen. Es laufe darauf hinaus, «Schatzkisten» zu schaffen, aus denen am Ende besonders treue Wählergruppen wie die Autopendler oder die Bauern mit Geschenken bedacht würden.

Eine Zustimmung ist immer noch wahrscheinlich

Den von CDU und CSU zuletzt ohne Pause beleidigten Grünen geht es nicht nur um Ehre und Stil, sondern durchaus um die Sache. Ihre Kritik an einer engen Auslegung dessen, was «Verteidigung» ausmacht, und der drohenden Selbstbedienung, zu der ein Investitionsfonds einlädt, wird auch von vielen liberalen Wirtschaftsfachleuten geteilt.

Jetzt verhandeln Merz und Klingbeil also mit den Grünen erst mal über Zugeständnisse, um doch noch eine Einigung herbeizuführen. Viel Zeit bleibt nicht, das Paket kommt schon am Donnerstag erstmals in den Bundestag. Dass die Grünen am Ende trotzdem zustimmen, ist wahrscheinlich. Aber blind verlassen können sich Merz und Söder darauf nicht mehr.