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Rückzug einer Leitfigur
«Ich wollte mehr»: Habeck hat die Grünen neu erfunden, nun tritt er ab

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, spricht nach den Wahlen in Deutschland in Berlin zur Presse, Februar 2025.
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In Kürze:
  • Robert Habeck räumt seine Niederlage bei den deutschen Grünen ein.
  • Bei der Bundestagswahl verlor seine Partei viele Wählerinnen an die Linke.
  • Habecks Strategie, die Grünen zu einer Mittepartei zu transformieren, ist gescheitert.

«Es ist kein gutes Ergebnis, ich wollte mehr, und wir wollten mehr.» Robert Habeck fasste die Gefühlslage bei den deutschen Grünen am Montag gültig zusammen. Die Partei war bei der Bundestagswahl auf 11,6 Prozent abgesackt, 2021 hatte Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin noch 14,7 Prozent erreicht.

Er werde nach dieser Wahl keine Führungsrolle bei den Grünen mehr einnehmen oder beanspruchen, sagte Habeck. Selbstkritik am eigenen Wahlkampf war von ihm, der sonst durchaus dazu bereit ist, keine zu hören. Das Angebot sei «top» gewesen, meinte er, nur an der Nachfrage habe es gefehlt.

Ist Habeck ein Opfer von Merz’ Manöver mit der AfD?

Aus Habecks Sicht sind die Grünen in den letzten Wochen des Wahlkampfs Opfer einer Dynamik geworden, der sie nichts entgegenzusetzen hatten. Als Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Bundestag auf einmal mit der AfD abstimmte, löste das bei Linken im ganzen Land starke Gegenreaktionen aus.

Profitiert von ihnen hat am Ende aber ausschliesslich die Linkspartei, die versprach, gegen Merz «auf die Barrikaden» zu gehen – nicht die Grünen oder die SPD, die sich weiterhin bereit hielten, mit CDU und CSU zu regieren. 700’000 Wählerinnen und Wähler haben die Grünen insgesamt an die Linkspartei verloren, so viele wie an keine andere Partei.

Aussenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einer Pressekonferenz in Berlin am 24. Februar 2025 nach den Bundestagswahlen. Im Hintergrund ist das Wort ’Bundes’ zu sehen.

Mit Habeck beendet nun jene Leitfigur ihre Karriere, die die Öko-Partei ab 2017 in vielerlei Hinsicht neu erfunden hat. Die Grünen dürften nicht mehr nur in ihrer linken Nische Politik machen, sondern müssten Brücken in weite Teile der gesellschaftlichen Mitte schlagen, lautete der Kehrreim von Habecks Idee. Ziel war es, den Sozialdemokraten die Hegemonie Mitte-links streitig zu machen und dabei selbst zu einer Art moderner Volkspartei zu werden.

Beflügelt vom wachsenden Bewusstsein für die Klimakrise und angetrieben von Habeck und Baerbock, überholten die Grünen zwischen 2019 und 2022 in den Umfragen mehrmals die SPD und stiegen auf bis zu 28 Prozent. Habecks Schicksal war, dass er bei der Bundestagswahl 2021, als die Ausgangslage ideal war, Baerbock als Kanzlerkandidatin den Vortritt lassen musste. Selbst Kandidat wurde er erst jetzt, als den Grünen der Wind schon lange scharf ins Gesicht blies. Baerbock habe damals den Elfmeter nicht versenkt, sagte Habeck einmal bitter, aber nicht zu Unrecht, er beginne den Wahlkampf nun bei 0:4.

Kein Hoffnungsträger mehr, sondern ein Gesicht der Krise

Allerdings war der 55-Jährige keineswegs nur ein Opfer der Umstände, auch eigenes Versagen trug entscheidend zur Niederlage bei. In der bürgerlichen Mitte, auf die er abzielte, hatte der Wirtschaftsminister vor allem durch sein vermurkstes Heizungsgesetz viel Vertrauen verloren. Für die meisten Deutschen war er nicht mehr der erfrischende, brillante Welterklärer von einst, sondern das Gesicht der Wirtschaftskrise.

Bei den traditionellen Wählerinnen und Wählern der Grünen wiederum irritierte Habeck damit, dass er den Wahlkampf stärker auf sich zuschnitt, als das in den vergangenen zwei Jahrzehnten je einer gewagt hatte. Selbst in der eigenen Partei zweifelten zudem viele daran, dass Wohlfühlgespräche am Küchentisch das richtige Format für einen Wahlkampf in Krisenzeiten sei.

Parteilinke monierten, Habeck habe urgrüne Themen wie ambitionierten Klimaschutz oder mitfühlende Flüchtlingspolitik einfach preisgegeben. Stattdessen habe der Kanzlerkandidat einen 10-Punkte-Plan für eine strengere Asylpolitik aus dem Hut gezaubert, um sich für eine unwahrscheinliche Koalition bei Merz anzubiedern.

Für Habeck blieb am Ende kein geeigneter Platz

Habeck wusste, dass er nach dieser Wahl nicht Kanzler werden würde. Das Amt des Finanzministers war sein (nicht sehr) geheimes Ziel. Stattdessen endet mit der gescheiterten Ampel-Regierung nun auch seine Karriere.

Die Partei wird seit letztem Herbst von seiner politischen Vertrauten Franziska Brantner und dem jungen Linken Felix Banaszak geführt. Die 44-jährige Baerbock strebt womöglich den Fraktionsvorsitz an, ein Amt, das Habeck nicht interessierte. So bleibt für den Erfinder der neuen Grünen am Ende kein geeigneter Platz mehr. Nicht einmal, ob er seinen Sitz im Bundestag behalten wolle, konnte Habeck am Montag sagen.