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Debatte nach Messerangriff
Friedrich Merz verlangt «faktisches Einreiseverbot» für «illegale Einwanderer»

Friedrich Merz spricht bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Brilon, Deutschland, vor der Bundestagswahl 2025.
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In Kürze:
  • Ein Afghane griff in Aschaffenburg eine Kindergruppe mit einem Messer an.
  • Enamullah O. war psychisch krank und stand unter staatlicher Betreuung.
  • Forderungen nach einer radikalen Migrationspolitik werden lauter.

Wie meist nach Anschlägen stellt sich am Tag danach die Frage: Warum hat das niemand kommen sehen? Der 28-jährige Afghane, der gestern im bayerischen Aschaffenburg eine Gruppe von Kindern mit einem Messer angegriffen und einen kleinen Buben und einen Passanten getötet hat, war den Behörden schon vielfach aufgefallen.

Enamullah O. war psychisch offenbar gravierend krank und wurde deswegen behandelt. In seinem Zimmer im Asylheim fand die Polizei keine Zeichen, die auf eine islamistische Gesinnung hindeuteten, dafür viele Medikamente. Den Behörden war er laut «Spiegel» zudem bereits wegen Drogen- und Gewaltdelikten sowie wegen Sachbeschädigung aufgefallen. Bereits im letzten Sommer soll er eine Ukrainerin mit einem Messer bedroht oder angegriffen haben. Am Donnerstagabend wurde zudem bekannt, dass der Verdächtige in eine psychiatrische Einrichtung überwiesen wurde.

Anfang Dezember ordnete ein Gericht an, dass O. staatlich begleitet werden müsse. Einige Tage später teilte der Afghane den Behörden mit, er wolle freiwillig nach Afghanistan ausreisen. Offiziell endete sein Asylverfahren damit, faktisch blieb er. Auch die staatliche Betreuung verhinderte am Ende nicht, dass er im Park auf eine Kindergruppe losging.

Nach den Regeln des Dublin-Abkommens wäre nicht Deutschland für das Asylverfahren zuständig gewesen, sondern Bulgarien: das Land, in dem er die EU betrat. Offenbar bemühte sich Deutschland aber nicht schnell genug um die Überstellung – wie schon im Fall des syrischen Messerattentäters von Solingen.

Menschen besuchen ein provisorisches Denkmal mit Kerzen, Blumen und Stofftieren für die Opfer eines Messerangriffs im Januar 2025 in einem Park in Aschaffenburg, Deutschland.

Abschiebungen nach Afghanistan sind seit der Machtübernahme der Taliban 2021 extrem schwierig geworden. Nachdem ein Afghane im Juni in Mannheim einen Polizisten mit einem Messer getötet hatte, kündigte Kanzler Olaf Scholz an, wenigstens schwere Gewalttäter künftig in ihre Heimat abzuschieben. Im August brachte ein Flug tatsächlich 28 Männer nach Afghanistan zurück – es blieb allerdings der bisher einzige solche Transport.

Anders als Österreich oder Norwegen ist Deutschland bis anhin nicht bereit, mit den Taliban direkt zu verhandeln, um regelmässige Abschiebungen zu ermöglichen. So wurde der Flug im August von Katar vermittelt und über Usbekistan abgewickelt.

Zurückweisungen an der Grenze und unbefristete Abschiebehaft

Vier Wochen vor der Bundestagswahl hat die Tat von Enamullah O. nun erneut eine Flut von politischen Forderungen ausgelöst. Alice Weidel, die Kanzlerkandidatin der Alternative für Deutschland, wiederholte ihren neuen Slogan «Remigration jetzt!». Die AfD meint damit die millionenfache Abschiebung von eingewanderten Menschen. Aus Weidels Sicht sind an der Misere die Christdemokraten schuld, die den Wählerinnen und Wählern jetzt aber auf einmal das Blaue vom Himmel herunter versprächen. Gefährliche Parks seien «von Kriminellen zu räumen», forderte Co-Parteichef Tino Chrupalla.

Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der in den Umfragen führenden Christdemokraten, kündigte an, er würde am ersten Tag seiner Kanzlerschaft ein «faktisches Einreiseverbot für illegale Einwanderer» an den deutschen Grenzen erlassen. Alle Personen, die nicht über gültige Einreisedokumente oder über die europäische Freizügigkeit verfügten, sollten von der Polizei abgewiesen werden.

Die Forderung nach Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen steht bereits im Wahlprogramm von CDU und CSU. Ausreisepflichtige Menschen wie Enamullah O. sollen zudem auf unbefristete Zeit in Abschiebehaft genommen werden. Beide Forderungen widersprechen nach Ansicht von Fachleuten ziemlich sicher der deutschen Verfassung oder europäischem Recht.

Wagenknecht meint, Kanzler und Innenministerin hätten versagt

CSU-Chef Markus Söder versprach wie Merz eine «180-Grad-Wende in der Migrationspolitik» und sagte, faktisch würden die Grenzen geschlossen, übernähmen CDU/CSU erneut die Regierung. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kündigte an, die Massstäbe für die sichere Unterbringung von psychisch kranken Menschen überprüfen zu wollen. Das seien zwar immer schwere Entscheidungen, aber man müsse sie gegen die Risiken für die Bevölkerung abwägen. CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz erneuerte ihre Forderung nach einem amtlichen Register für psychisch kranke Straftäter.

Der sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz scharte noch am Abend die Spitzen der Sicherheitsbehörden sowie Innenministerin Nancy Faeser um sich und kündigte «Konsequenzen» an. Sahra Wagenknecht hingegen machte Scholz und Faeser politisch verantwortlich für die Tat: «Dass nach Mannheim und Solingen nichts passiert ist, ist in erster Linie das Versagen des Kanzlers und seiner Innenministerin.» Auch FDP-Chef Christian Lindner, bis vor kurzem noch Finanzminister, beklagte ein «veritables Staatsversagen». Er reiste umgehend nach Aschaffenburg.