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Grossbank in der Krise
Datenleck trifft die CS und die Schweiz

Die Enthüllungen treffen die Bank in einer kritischen Phase: Verschmierte CS-Filiale in Zürich im Jahr 2019. 

Informationen zu über 18’000 Konten aus dem Innersten der Credit Suisse befinden sich offenbar in den Händen von über 160 Journalisten weltweit. Am Sonntagabend publizierten die «Süddeutsche Zeitung» sowie Partnermedien wie der britische «Guardian» oder die «New York Times» Recherchen aus dem neuen Datenleck, das sie «Suisse Secrets» getauft haben.

Dabei geht es laut dem Journalistenkollektiv um hohe Millionenbeträge, welche die zweitgrösste Schweizer Bank angenommen habe, obwohl die Kontobesitzer hochrangige Politiker aus heiklen Ländern waren oder direkt unter dem Verdacht der Korruption oder anderer Verbrechen standen. Zum Teil habe sie Geld von verurteilten Verbrechern angenommen. Insgesamt sollen auf den Konten über 100 Milliarden Franken gelegen haben.

Die Veröffentlichung stellt die Credit Suisse gleich vor drei massive Probleme.

Problem 1: Die Kunden

Das Journalistenkollektiv nennt zahlreiche Namen von ehemaligen, möglicherweise aber auch noch aktuellen Kundinnen und Hochrisikokunden der Credit Suisse.

Laut der «Süddeutschen Zeitung» gehören zu den Kontoinhabern etliche Herrscher und ihre Familien aus autokratisch regierten Staaten, etwa der jordanische König Abdullah II., der mittlerweile verstorbene algerische Diktator Abdelaziz Bouteflika oder Armeniens Ex-Präsident Armen Sarkissian. Der frühere jordanische Premier Samir Rifai soll selbst dann noch ein CS-Konto eröffnet haben, als er nach Korruptionsvorwürfen bereits des Amtes enthoben worden war.

Der jordanische König Abdullah II. während eines Staatsbesuch beim damaligen US-Präsidenten Donald Trump im Jahr 2017.  

Die Bankdaten sollen zudem Konten von etwa 7000 Personen aus Venezuela enthalten. Offenbar brachten sie Vermögen bei der CS in Sicherheit, während das von einem linken Regime beherrschte Land in völliger Armut versank.

Unter anderem hatte laut den Suisse-Secrets-Recherchen Nervis Villalobos, der ehemalige Vize-Energieminister Venezuelas, bis 2013 ein Konto bei der Credit Suisse mit einem Höchststand von über 9 Millionen Franken. Villalobos liess sich 2016 mit seiner Familie in Genf nieder, die Aufenthaltsbewilligung wurde jedoch später vom Bund widerrufen, weil seine Anwesenheit eine Gefahr für die Sicherheit und Reputation der Schweiz darstelle. Als Beispiele werden Ermittlungen wegen Korruption genannt. Der Verdacht fällt in jenen Zeitraum, in dem Villalobos sein Konto bei der CS hatte.

Armeniens Ex-Präsident Armen Sarkissian am WEF in Davos 2020.

Auch verurteilte korrupte Geschäftsmänner aus Venezuela sollen ihre Millionen bei der CS deponiert haben. Zudem sollen mehr als ein Dutzend Geheimdienstchefs oder deren Familienmitglieder CS-Kunden gewesen sein. Einigen davon werden Folter und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, etwa dem Ägypter Omar Suleiman, Geheimdienstchef in der Ära Mubarak. Ein 2003 eröffnetes Konto bei der Credit Suisse für dessen Töchter soll bis zu 63 Millionen enthalten haben. 

Problem 2: Das Leck

Dass diese illustre Kundschaft nun bekannt wird, ist das eine. Ebenso schwer wiegt für die Credit Suisse der Umstand, dass die Grossbank offenbar Informationen zu Tausenden von Konten verloren hat. Die «Süddeutsche Zeitung» schreibt, die Daten seien vor mehr als einem Jahr in ihrem anonymen Briefkasten für Whistleblower deponiert und seither eingehend auf ihre Echtheit geprüft worden. Die Informationen bezögen sich auf einen Zeitraum von den 1940er-Jahren bis «weit ins vergangene Jahrzehnt». Mehr als zwei Drittel der Konten seien nach dem Jahr 2000 eröffnet worden.

Die SZ hält fest, dass nichts für die Daten bezahlt und auch sonst keine Gegenleistung erbracht worden sei.

Ein solches Datenleck kann zu einem grossen Vertrauensverlust bei den CS-Kunden führen, ist doch Diskretion eines der höchsten Güter im Bankenwesen. Es ist gut möglich, dass die Finanzmarktaufsicht Finma eine Untersuchung einleiten wird, um abzuklären, wie es zu diesem Leck kam. Auch für einige der nun publik gewordenen Kundenbeziehungen könnte sich die Finma interessieren.

Die «Süddeutsche Zeitung» schreibt, dass sie selbst nicht wisse, wer die anonyme Quelle sei, welche die brisanten Daten übermittelt habe. Die Zeitung hält aber fest, dass nichts für die Daten bezahlt und auch sonst keine Gegenleistung erbracht worden sei.

In einem Begleitbrief der anonymen Quelle erklärt diese, es gehe darum, die «schändliche Rolle der Schweizer Banken als Kollaborateure von Steuerhinterziehern» zu entlarven. Das Bankgeheimnis sei «unmoralisch», Entwicklungsländer würden «um dringend benötigte Steuereinnahmen» gebracht. Die Verantwortung dafür sieht der Whistleblower jedoch nicht bei den Banken, sondern «beim Schweizer Rechtssystem».

Die Credit Suisse erklärt in einer Stellungnahme, dass viele der problematischen Konten schon längst geschlossen und in den letzten Jahren viele Massnahmen im Einklang mit den Schweizer Finanzreformen umgesetzt worden seien. Die erhobenen Vorwürfe werden von der CS strikt zurückgewiesen: Die Recherche sei eine «konzertierte Aktion mit der Absicht, den Schweizer Finanzplatz in Verruf zu bringen», heisst es in der Antwort der Bank. 

Die Credit Suisse will nun herausfinden, wie es zum Datenleck gekommen ist. Die Bank wird dafür eine Untersuchung mit einer internen Task Force unter Einbeziehung spezialisierter externer Experten durchführen.

Problem 3: Die Bank ist bereits angeschlagen

Die Enthüllungen treffen die Bank in einem kritischen Moment. Sie sind der vorläufig letzte Höhepunkt einer ganzen Reihe von Skandalen, welche die CS seit zwei Jahrzehnten beuteln und zum Rücktritt von Führungskräften und dem Einbruch des Aktienkurses führten. Derzeit muss die CS einen Milliardenverlust durch fehlgelaufene Investitionen in die Archegos- und Greensill-Fonds verdauen. Zudem steht die Bank zurzeit vor dem Bundesstrafgericht, weil sie vor etwa 15 Jahren geholfen haben soll, bulgarisches Drogengeld zu waschen.

Die Chefs der Credit Suisse haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder betont, dass die Bank aus ihren Fehlern gelernt habe und künftig die Risiken besser kontrollieren werde. Zuletzt war es der neue Präsident Axel Lehmann, der ein verbessertes Kontrollsystem und überhaupt einen «kulturellen Wandel» versprach.