Kommentar zum «Zensurgesetz»Die Medien müssen recherchieren dürfen
Dass heute Bankdaten in ausländischen Medien geleakt werden, während in der Schweiz ein Rechercheverbot herrscht, ist ein Unding, das abgeschafft werden muss.
Vor gut zehn Jahren stand das Schweizer Bankgeheimnis unter dem Dauerbeschuss der USA, Deutschlands, Grossbritanniens und Frankreichs. Für die wichtigsten Handelspartner war nach der Finanzkrise die Zeit gekommen, den Schweizer Bankenplatz, ein Hort der Steuerhinterziehung, zu knacken. Während die USA über die Staatsanwaltschaften und mit brachialen Drohungen ihren Willen durchsetzten, setzte insbesondere Deutschland gezielt darauf, Banker mit Millionenprämien dazu zu verleiten, ihre Kunden zu verraten. Die Steuer-CDs machten ihren Weg nach Deutschland, die UBS und die CS hatten grosse Datenlecks zu beklagen. In der Folge wurde das Bankgeheimnis unhaltbar, die Schweiz führte den automatischen Informationsaustausch (AIA) ein, und das Bankgeheimnis für ausländische Steuerhinterzieher war Geschichte.
Das war das Umfeld, in dem bürgerliche Politiker 2014 im Parlament ein rigoroses Gesetz zur Verteidigung des Bankgeheimnisses durchsetzten. Eines, das letztlich viel zu spät kam, denn Bankdaten an die Steuerämter der Nachbarländer zu verkaufen, ist mit dem automatischen Informationsaustausch überflüssig geworden.
Doch es ging dem Parlament Ende 2014 eben nicht nur um die Steuer-CDs. Schon damals war klar, dass der AIA kommt, darum richtete sich das Gesetz auch explizit gegen Veröffentlichung von Bankdaten in den Medien. Es gibt viele Gründe, seine Bankdaten geheim zu halten. Zwei peinliche Wirtschaftsskandale der letzten Jahre wurden aber nur dank Bankgeheimnisverletzungen aufgedeckt: Der ehemalige Präsident der Nationalbank, Philipp Hildebrand, musste gehen, weil auskam, dass seine damalige Frau kurz vor der Einführung des Franken-Mindestkurses mit Devisen spekuliert hatte. Diese Bankgeheimnisverletzung ging pikanterweise auf das SVP-Umfeld zurück. Pierin Vincenz wiederum fiel tief, weil wegen eines Lecks bei der Bank Julius Bär Bankdaten via das Finanzportal «Inside Paradeplatz» an die Öffentlichkeit gerieten.
Es sind auch Politiker aus korrupten Ländern sowie deren finanzkräftige Oligarchen, die ihre Gelder in der Schweiz in den Finanzkreislauf bringen und damit waschen wollen. Dagegen gibt es zwar die Geldwäschereigesetze und Sorgfaltspflichten. Doch wie schlampig die umgesetzt werden, zeigt der Geldwäschereiprozess, dem sich die CS in Bellinzona stellen muss, oder ein Untersuchungsbericht der Finma im Falle des georgischen Oligarchen Bidsina Iwanischwili, welche die «SonntagsZeitung» letzte Woche publik machte.
Offenbar zählt im Zweifel noch immer das Geschäft, nicht das Gesetz. Genau darum braucht es auch in der Schweiz Journalistinnen und Journalisten, die recherchieren dürfen. Dass das nur ausländische Kollegen für uns erledigen müssen, ist eine Schande. Darum gehört der Maulkorb-Artikel im Bankgesetz dringend abgeschafft.
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