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Handelskrieg am Horizont
Die Rivalität zwischen China und den USA droht zu eskalieren

Das neue Kriegsschiff «Sichuan» Typ 076 wurde im Dezember in einem chinesischen Hafen eingeweiht. Es ist laut einem US-Thinktank das grösste Angriffsschiff der Welt.
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In Kürze:
  • China hat das weltgrösste Angriffsschiff und eine neue Drohne enthüllt.
  • Die USA planen eine stärkere Schiffbauindustrie, um Chinas Flotte entgegenzutreten.
  • Der Chip-Konflikt zwischen China und den USA eskaliert weiter.
  • Chinas Wirtschaft steht weiter unter Druck durch Immobilienkrise und sinkende Investitionen.

Zum Jahresende gelang den chinesischen Streitkräften ein doppelter Coup. An der Luftfahrtshow in Zhuhai wurde die verbesserte F-97A-«loyal wing»-Drohne des chinesischen Herstellers Feihong vorgestellt: Eine unbemannte KI-gesteuerte Angriffsdrohne, die als Begleitvehikel für Chinas Stealth-Kampfjets vom Typ J-35 gedacht ist und auch Luft- und Bodenziele angreifen kann. Die F-97A ist nach Angaben des Herstellers für «lang anhaltende, hochintensive, konfrontative Kampfeinsätze» konzipiert.

Dann, in der letzten Dezemberwoche, wurde in Shanghai das erste amphibische Kriegsschiff «Sichuan» der neuen Generation Typ 076 eingeweiht – laut US-Thinktank CSIS das grösste Angriffsschiff der Welt. Es hat eine Länge von 260 Metern und verdrängt 40’000 Tonnen, viermal mehr als chinesische Zerstörer vom Typ 055.

Das Riesenschiff wurde in nur vier Jahren gebaut und ist ein Flugzeugträger, der über Landungsboote und ein elektromagnetisches Flugzeugkatapult samt Auffangsystem verfügt. Das ermöglicht Starts von Kampfjets oder Drohnen.

In Washington ist man alarmiert. Peking hatte nach einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums 2021 mit rund 355 Kriegsschiffen die grösste Flotte der Welt – die USA haben weniger als 300 Schiffe. Bis 2030 plant Chinas Marine einen Ausbau auf 460 Schiffe, um seine Seewege und geostrategischen Interessen zu schützen. In der Taiwanfrage hat Peking eine militärische Lösung nicht ausgeschlossen.

Nationale Sicherheit diktiert Trumps Industriepolitik

China und die USA kämpfen um die Vorherrschaft bei allen entscheidenden Schlüsseltechnologien. Dazu gehören Halbleiterindustrie, künstliche Intelligenz (KI), Quantencomputer, Robotik oder E-Mobilität. Aber auch Logistik. Ende Dezember legten US-Senator Mark Kelly und Donald Trumps designierter nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz im Kongress den «Ships for America Act» vor. Ein Zehnjahresprogramm für Amerikas Schiffbauindustrie mit dem Ziel, Chinas überlegene Welthandelsflotte auszubremsen.

China kontrolliere 5500 ozeantüchtige Transportschiffe, beklagt Senator Kelly. Die USA hätten dagegen «nur 80 Ozeanriesen». Peking könne daher Amerikas Wirtschaft lahmlegen, das sei eine riesige Schwachstelle. Besonders im Konfliktfall: So erfolgen zum Beispiel rund 90 Prozent des Nachschubs über den Seeweg.

Sicherheitsberater in spe Mike Waltz, der künftige US-Aussenminister Marco Rubio, der neue Handelsbeauftragte Jamieson Greer und Berater Peter Navarro drängen auf den Neuaufbau der Industriebasis Amerikas. Da der Schiffsbau viele Arbeitsplätze bringt, sind auch die Gewerkschaften mit im Boot.

Bereits im November unterzeichneten die USA mit Kanada und Finnland das «ICE Pact»-Abkommen, um gemeinsam mehr Eisbrecher zu bauen. Diese Partnerschaft soll die Expansionsbestrebungen Chinas und Russlands in der Arktis angesichts erheblichen Rohstoffpotenzials unterlaufen. Joe Bidens nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan spricht von geostrategischer Bedeutung, weil «Schiffe die neuen Chips der Industriestrategie» sind.

Der Chip-Krieg zwischen China und USA ist in vollem Gang

Die enorme Bedeutung der Halbleiterindustrie, Chip-Produktion und KI-Anwendungen im zivilen und militärischen Bereich facht den Chip-Konflikt zwischen Washington und Peking weiter an: Anfang letzten Monats verfügte die chinesische Führung ein Exportverbot für die Sondermetalle Gallium, Germanium, Antimon und anderer Metalle, die zur Härtung von Gasturbinen, Blei-Säure-Batterien oder Kabelumhüllungen, aber auch für militärische Komponenten verwendet werden. Gleichzeitig hat die chinesische Regierung eine Antitrust-Untersuchung gegen den US-Chipriesen Nvidia eingeleitet.

Beide Schritte sind die Retourkutsche Pekings auf die jüngsten Exportkontrollen Washingtons, die den Verkauf von Hightech-Memorychips an China untersagen. Schon 2022 hatte die Biden-Administration mehrere Dutzend chinesische Firmen auf eine (schwarze) «Entity-Liste» gesetzt, darunter der grösste chinesische Memorychip-Hersteller YMTC.

Die US-Regierung hat die Entity-Liste neu mit 24 kritischen Kategorien für die Herstellung von Mikrochips, darunter breitbandige Interface-Speichertechnologie, sowie um 140 Firmen ergänzt. Mit den verschärften Massnahmen soll Chinas heimische Produktion hochgradiger Chips zur Selbstversorgung unter anderem für den Militärsektor ausgebremst werden.

Das zeigt, dass der US-Prozess der Entkoppelung von China an Fahrt gewinnt. Und nationale Sicherheitsinteressen dominieren. Beide Seiten sind nach Ansicht von Sophie-Charlotte Fischer vom CSS Center der ETH Zürich überzeugt, dass «die Leitprinzipien von Effizienz und Wirtschaftswachstum zwecks technologischer Integration» durch «Aspekte der nationalen Sicherheit» ergänzt oder gar ersetzt werden müssen.

Die «graduelle technologische Entkoppelung,» werde auch die Schweiz treffen. Daher müsse Bern die «Resilienz der strategisch wichtigen Lieferketten stärken» und solche Technologien definieren, die man als strategisch relevant betrachte.

Schweizer Rohstoffriese Trafigura in Wartestellung

Pekings Protektionismus enthüllt weitere strategische Abhängigkeiten des Westens: China kontrolliert nach Angaben des US-Geological-Survey (USGS) 98 Prozent der weltweiten Gallium- und 60 Prozent der Germanium-Produktion, Rohstoffe, die bei E-Fahrzeugen oder F-35 Jets verwendet werden.

Ersatz wäre möglich, wenn der Schweizer Rohstoffriese Trafigura die Zinkraffinerie seiner Tochter Nyrstar in Clarksville im US-Bundesstaat Tennessee umrüsten oder ausbauen würden. Dann könnte die Anlage 80 Prozent der US-Nachfrage von Gallium und Germanium abdecken und damit die nationale Sicherheit der USA verstärken. Erste Untersuchungen laufen bereits, das Unternehmen dürfte angesichts der teuren Produktion aber auf staatliche Subventionen hoffen.

Donald Trump hat während des Wahlkampfs mehrfach Drohungen gegen China, Mexiko, Kanada oder die EU ausgestossen. Strafzölle von 60 Prozent für chinesische Produkte, 200 Prozent auf Autoimporte aus Mexiko, 25 Prozent auf andere mexikanische und kanadische Waren oder 20 Prozent auf Produkte aus der EU.

Noch vor Weihnachten forderte Trump die EU auf, mehr US-Öl und -Gas zu kaufen, um das Handelsbilanzdefizit ins Lot zu bringen. Ansonsten, so Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social, «gibt es Zölle, und zwar ohne Ende.»

Dass es Trump mit seiner «America First»-Industriepolitik ernst meint, hat er in seiner ersten Amtszeit mit Strafzöllen gegen europäische Stahl- und Aluminiumprodukte oder den Luftfahrtriesen Airbus bewiesen. Für den ehemaligen US-Handelsminister Robert Lighthizer sind Trumps Forderungen primär ein Druckmittel für Deals mit anderen Staaten.

Die EU droht zwischen zwei Fronten zu geraten, da Brüssel Zölle auf Elektroautos aus China eingeführt hat und Peking mit Gegenmassnahmen droht.

Chinas Wirtschaft lahmt

Auf der letzten «Central Economic Work Conference» in Peking hat Staatschef Xi Jinping die wichtigsten ökonomischen Ziele bekräftigt: 5 Prozent Wirtschaftswachstum, eine gelockerte «proaktive» Fiskalpolitik, höhere Schulden, Stärkung der Verbraucher und Spezialanleihen für lokale Regierungsstellen.

Doch die chinesische Wirtschaft lahmt, die Immobilienkrise hat das Land im vierten Jahr infolge fest im Griff: 32 Millionen Apartments sind unverkäuflich, die Immobilienpreise fallen weiter. Die Arbeitslosigkeit steigt, Verbraucher und Verbraucherinnen sind verunsichert, und Überkapazitäten im E-Autosektor haben zu einem harten Preiskrieg geführt. Die Inflation ist gering, doch die Detailhandelsumsätze waren im November erneut enttäuschend.

Ausländische Investoren halten sich zurück. In einer Umfrage der amerikanischen Handelskammer in Shanghai sahen nur knapp die Hälfte der Befragten eine rosige Zukunft in China. General Motors schreibt sein gesamtes 5 Milliarden Dollar schweres Joint Venture im Land ab und schliesst nach drei Quartalsverlusten infolge Fabriken. Auch Apple, VW, Starbucks oder der Luxuskonzern LVMH melden sinkende Umsätze.

Chinas Wirtschaft könne sich in der derzeitigen Verfassung keinen Handelskrieg leisten, sagt Politologe Herfried Münkler. «Die Exportabhängigkeit ist heute Chinas grösste Verwundbarkeit.»