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Schuldenberg und Zahlungsunfähigkeit
Die Immobilienkrise in China eskaliert

This aerial photo taken on December 3, 2022 shows a housing complex by Chinese property developer Evergrande in Huaian, in China's eastern Jiangsu province. (Photo by AFP) / China OUT
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Die Hiobsbotschaften aus dem chinesischen Immobiliensektor reissen nicht ab. Die beiden Immobilienriesen Evergrande und Country Garden sitzen zusammen auf Schulden von mehr als 550 Milliarden Dollar. Anlegerinnen und Anleger fürchten einen Zusammenbruch von Evergrande, der Immobilienentwickler Country Garden steht nach jüngsten Meldungen vor der Zahlungsunfähigkeit.

Im Immobiliensektor Chinas rumort es gewaltig. Die Nervosität ausländischer Investoren steigt. Die strukturelle Krise im Immobiliensektor ist schwerwiegender als lange vermutet und in den vergangenen Wochen eskaliert. Evergrande kämpft seit zwei Jahren mit einem riesigen Schuldenberg, Liquiditätsengpässen und Zahlungsunfähigkeit. Aktien und Anleihen sind seit Monaten auf Talfahrt. Für die Jahre 2020 und 2021 erlitt der Konzern Verluste von 81 Milliarden Dollar.

Für zusätzliche Unruhe sorgte die Festnahme des Evergrande-Gründers Hui Ka Yan. Er sitzt seit September im Hausarrest. Weshalb, ist unbekannt. Die «New York Times» vermutet kriminelle Handlungen des Topmanagers. Der 62-jährige Milliardär aus Guangdong galt als bestens politisch vernetzt und war 2017 vom US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» mit einem Vermögen von damals 45 Milliarden Dollar zum reichsten Mann Asiens gekürt worden. Mittlerweile dürfte Hui mehr als 90 Prozent seines Vermögens verloren haben.

Evergrande ist mit 2000 Klagen konfrontiert. Eine grundlegende Sanierung des Konzerns scheiterte bisher. Und neue Hürden tauchten auf. Die chinesische Börsenaufsicht hat eine Untersuchung gegen Evergrande eingeleitet und dem Immobilienriesen am 12. September untersagt, neue Anleihen herauszugeben. Die Ratingagenturen Moody’s und Fitch haben die Zahlungsfähigkeit des Konzerns herabgestuft.

Unter Fachleute wird offen über einen unkontrollierten Zusammenbruch des schwer angeschlagenen Unternehmens spekuliert. Am 9. Oktober wurde die seit Monaten verhandelte Umstrukturierung von Anleihen im Wert von 19 Milliarden Dollar in letzter Minute abgesagt. Die Anleihenbesitzer rechnen mit einem Kollaps mit katastrophalen Folgen für andere Baufirmen.

Country Garden stürzt ab

Auch der zweitgrösste chinesische Bauriese Country Garden ist ins Schlingern geraten. Country Garden sitzt auf rund 200 Milliarden Dollar Schulden und war im August nicht in der Lage, Zinszahlungen an Anleger für eine 500-Millionen-Anleihe zu leisten. Die tilgungsfreie Schonfrist ist am vergangenen Dienstag abgelaufen, doch die Kreditgeber erhielten kein Geld. Fällig war lediglich ein Coupon von 15,4 Millionen Dollar. Kein gutes Zeichen.

Die Unternehmensführung hatte bereits mehrfach vor Zahlungsausfall gegenüber ausländischen Anlegern gewarnt. Aktien und Anleihenpreise von Country Garden tendieren gegen null. Der Immobiliengigant führt 3000 Bauprojekte in ganz China, doch viele Baustellen liegen brach. Immobilienverkäufe sind eingebrochen, und wütende Käufer, die bereits bezahlt haben, stehen vor halb fertigen Wohnungen.

Im ersten Halbjahr erlitt Country Garden einen Verlust von 7 Milliarden Dollar. Vergangene Woche musste das Unternehmen Meldungen dementieren, wonach der Firmengründer und seine Tochter ins Ausland geflüchtet seien. Ein «bösartiges Gerücht», betonte ein Unternehmenssprecher.

Der Bausektor macht 25 Prozent der chinesischen Wirtschaft aus und ist daher enorm wichtig. Zwar hat China im dritten Quartal ein Wirtschaftswachstum von 4,9 Prozent erzielt, doch hat der Wohnungsmarkt kaum profitiert. In den ersten neun Monaten sind die Investitionen im Bausektor um 9 Prozent gefallen.

Country Garden galt allgemein als solide und erhielt noch im vergangenen Jahr von chinesischen Staatsbanken neue Kreditlinien. Doch die Verkäufe sackten weiter ab, allein im September um 81 Prozent. Zwar hat die chinesische Zentralbank die heimischen Banken in der vergangenen Woche mit Liquidität in Höhe von rund 100 Milliarden Euro gestützt und ermutigt die Bevölkerung zu neuen Wohnungskäufen, doch bisher ohne Erfolg.

Auch die Baufirma Jinmao Holdings, eine Tochter des Industrieriesen Sinochem, hat kürzlich eine Gewinnwarnung herausgegeben, worauf der Aktienkurs um fast 10 Prozent absackte. Chinaexperte Ting Lu von der japanischen Bank Nomura warnt, dass «Märkte immer noch die Nachwehen des chinesischen Immobilienkollapses unterschätzen».

Lediglich der Baufirma Sunac China Holdings ist es im September gelungen, ihre Schulden in Höhe von 9 Milliarden neu zu strukturieren. Dagegen wurde Ende September der Konkurrent China Oceanwide Holdings in Bermuda nach Zahlungsausfällen in die Liquidation geschickt.

Immobilienkrise erfasst Schattenbanken

Die Immobilienkrise hat Folgen für den Finanzsektor. Die Investmenttochter Zhongrong des Vermögensverwalters Zhongzhi Enterprise Group hat ebenfalls fällige Zinszahlungen an Anlegerinnen und Anleger verstreichen lassen. Der zu den Schattenbanken zählende Finanzkonzern verwaltet rund 137 Milliarden Dollar, hat im grossen Stil in Immobilien unter anderem bei Evergrande investiert und musste eine Liquiditätskrise eingestehen.

Besonders hart dürfte es den 2,9 Billionen Dollar umfassenden Schattenbanken-Sektor treffen, sogenannte Trust-Banken. Sie haben jahrelang bevorzugt regionale und lokale Kredite vergeben, wenn die Staatsbanken ablehnten. Hinzu kommt ein gewaltiger Schuldenberg staatlicher Behörden, der rund 9 Billionen Dollar erreicht hat.

Chinesische Städte nutzten bei drohenden Kreditausfällen gegenüber Staatsbanken zunehmed Schattenbanken, um die städtische Entwicklung voranzutreiben. Dabei wurde Land als Sicherheit für Kredite eingesetzt und eigene Schulden per Finanzvehikel in Tranchen verpackt und weiterverkauft – bis der Bauboom zu einem abrupten Ende kam.