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Meinung

Analyse zum EU-Gipfel
Selenski kämpft um seinen «Siegesplan», aber die Migration beschäftigt in der EU mehr

Ukraine's President Volodymyr Zelenskyy, centre, talks to Lithuania's President Gitanas Nauseda, left, Belgium's Prime Minister Alexander De Croo, second right, and European Council President Charles Michel as they attend a round table meeting at an EU summit in Brussels, Thursday, Oct. 17, 2024. (AP Photo/Omar Havana)
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In Kürze:
  • Selenski stellte seinen «Siegesplan» beim EU-Gipfel in Brüssel vor.
  • Deutschland lehnte zentrale Punkte im Plan des ukrainischen Präsidenten ab.
  • Das Gipfeltreffen konzentrierte sich stattdessen stark auf Migrationsfragen.
  • Italien implementiert Asylzentren in Albanien zur Entlastung.

Wolodimir Selenski muss für seinen «Siegesplan» kämpfen, aber auch gegen eine grassierende «Ukrainemüdigkeit». Das ist am EU-Gipfel in Brüssel deutlich geworden. Der Empfang des Ukrainers im Kreis der Staats- und Regierungschefs war höflich, umrahmt von den üblichen Solidaritätsfloskeln und Durchhalteparolen.

Die EU werde die Ukraine unterstützen, solange dies nötig sein werde, sagte EU-Rats-Präsident Charles Michel bei der Begrüssung des Stargasts. Konkrete Zusagen konnte Selenski nach seinem kurzen Auftritt am Gipfel aber nicht mitnehmen. An der Haltung Deutschlands werde sich nichts ändern, erteilte Bundeskanzler Olaf Scholz zu den zwei zentralen Punkten im Plan des Ukrainers eine klare Absage.

Selenski trifft Biden

Also auch weiterhin keine Aussicht auf eine rasche Einladung in die Nato, von Selenski als einzige glaubwürdige Sicherheitsgarantie für die Ukraine gefordert. Und auch keine weit reichenden Waffen für die Ukraine, um logistische Ziele in Russland zu erreichen. Der sogenannte Siegesplan ist aus der Sicht des ukrainischen Präsidenten der einzige realistische Weg, um Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu bringen.

Tatsächlich hat die Ukraine nur aus einer Position der Stärke und mit klaren Sicherheitsgarantien wie der Aussicht auf eine Nato-Mitgliedschaft eine Überlebenschance. Wolodimir Selenski musste jedoch mit leeren Händen abreisen.

Zurück zur Migration, Ruf nach schärferen Regeln

In Brüssel wandten sich die Staats- und Regierungschefs dem Thema zu, das sie derzeit deutlich mehr umzutreiben scheint als die Ukraine. Es geht einmal mehr um die Migration und nur um die Migration. Die Euphorie über die Einigung noch vor dem Sommer auf eine Reform der Regeln für Asyl und Migration ist verflogen. Deren Umsetzung hat noch nicht einmal richtig begonnen, wobei es einigen nicht schnell genug gehen kann.

Doch eigentlich gehen die Zahlen der Ankömmlinge an den Aussengrenzen zurück. Die Staats- und Regierungschefs befinden sich in einem Überbietungswettbewerb mit dem Ruf nach noch schärferen Regeln.

epa11664107 In this picture issued by the Hungarian PM's Press Office, Hungarian Prime Minister Viktor Orban (C-R), Greek Prime Minister Kyriakos Mitsotakis (C-L), Italian Prime Minister Georgia Meloni (3-L) and European Commission President Ursula von der Leyen (2-R) during a meeting on migration issues in the room of the Italian delegation ahead of the European Council Summit in Brussels, Belgium, 17 October 2024.  EPA/ZOLTAN FISCHER/HUNGARIAN PM'S PRESS OFFICE/HANDOUT HUNGARY OUTHANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

Noch vor dem Auftritt von Selenski kam es zu einem Treffen im kleinen Kreis. Neben Giorgia Meloni, Donald Tusk oder Österreichs Karl Nehammer sass auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit am Tisch. Die Italienerin berichtete vom Start des Aufnahmezentrums in Albanien.

Der polnische Regierungschef begründete, weshalb er an der Grenze zu Belarus das Asylrecht überhaupt ausser Kraft gesetzt hat. Die Autokraten in Moskau und Minsk benutzten Migranten als Waffe oder Instrument der hybriden Kriegsführung, transportierten Asylsuchende bis an die polnische Schengen-Aussengrenze.

Ruanda-Modell findet Nachahmer

Der Ruf nach «innovativen Modellen» machte die Runde. Grossbritannien wollte einst Asylbewerber in grossem Stil nach Ruanda auslagern und ist bei der praktischen Umsetzung gescheitert. Italien versucht es nun in Albanien und steht dabei unter Beobachtung. 3000 Plätze sind vorgesehen, die ersten 16 Migranten aus Ägypten und Bangladesh sind laut italienischen Medien nach der Rettung im Mittelmeer inzwischen eingetroffen.

36’000 Asylsuchende sollen pro Jahr durch das Aufnahmezentrum geschleust werden. Wer Asyl bekommt, darf nach Italien, wer abgelehnt wird, soll in seine Heimat zurückgeführt werden. So die Theorie. In der Praxis werden aber abgewiesene Asylbewerber am Ende doch nach Italien überführt, wenn ihr Heimatland sie nicht zurücknimmt.

A migrant center, right, is seen from above in the port of Shengjin, northwest Albania, Thursday, July 25, 2024. Migrants rescued at sea while attempting to reach Italy are likely to see themselves transported to Albania from next month while their asylum claims are processed, under a controversial deal in which the small Balkan country will host thousands of asylum-seekers on Italy's behalf. (AP Photo/Vlasov Sulaj)

Das Modell findet ungeachtet der unsicheren Erfolgsaussichten Nachahmer. Die Regierung in Den Haag hat mit Uganda Kontakt aufgenommen, und Dänemark finanziert die Renovation eines Gefängnisses in Kosovo, in dem straffällige Ausländer nach Ende der Haft untergebracht werden sollen, wenn sie nicht ausgewiesen werden können.

Das Schlagwort ist jetzt Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten. Im Vorfeld des Gipfels hat sich Ursula von der Leyen bereit erklärt, die Idee der sogenannten Return Hubs, deutsch etwa Rückkehrzentren, zu prüfen. Nicht lange ist es her, da hatte die EU-Kommission eine ähnliche Idee als illegal bezeichnet.

Wortlos zu Nahost und zur US-Wahl

Klar ist, dass die Staats- und Regierungschefs unter dem Druck ihrer Populisten zu Hause lieber über Migration reden, als sich mit den Turbulenzen in der Welt zu befassen. Introspektion statt Geopolitik also. Der Migrant macht mehr Angst als Putin. Wolodimir Selenskis Appell an die Gipfelteilnehmer klang müde bis verzweifelt. Die Hilfe der USA steht auf der Kippe, und die Unterstützung der Europäer kommt immer zu spät und in zu kleinen Mengen. Die Ukraine steht vor einem dritten schwierigen Winter. Fällt die Ukraine, dürften Millionen weitere Flüchtlinge Richtung Westen aufbrechen.

Ausserdem droht die nächste Eskalationsstufe im Nahostkonflikt, wo die EU als ohnmächtiger Player auffällt. Da ist es einfacher, die nächste Migrationsdebatte zu führen. Kein Thema sind auch das mögliche Comeback von Donald Trump als US-Präsident und die Konsequenzen für Europa.

In der grössten Krise nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind die EU-Staaten mit ihren schwachen Regierungen von Berlin bis Paris vor allem mit sich selber beschäftigt.