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Deal trotz rechtlicher Bedenken
Jetzt kann Meloni Asyl­bewerber in albanischen Lagern festhalten

An Italian police officer stands in a recently build Italian-run migrant centre at the port of Shengjin, some 60 kms northwest of Tirana, on October 11, 2024. Controversial camps set up in Albania to house migrants rescued in Italian waters are ready to start functioning, the Italian ambassador in Tirana said today. The deal, signed in November by Italian Prime Minister and Albanian counterpart, was sharply criticised by rights groups. They say it is illegal under international law, warning that Albania, a non-EU country offers limited protection for asylum seekers. (Photo by Adnan Beci / AFP)
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In Kürze:
  • Italien plant umstrittene Asylzentren in Albanien.
  • Erwachsene Männer sollen für Asylverfahren in diese Lager gebracht werden.
  • Menschenrechts­organisationen protestieren wegen rechtlicher Verstösse.

Von Donnerstag an tagen die europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel, auf der Tagesordnung steht auch das weitere Vorgehen in der Migrationspolitik. Passend dazu meldet die italienische Regierung, dass ihre umstrittenen Lager für Asylbewerber in Albanien fertiggestellt sind. Damit beginnt für Italien, aber auch für die EU eine neue Phase der Migrationspolitik.

Die Idee ist nicht neu, Hilfe suchende Menschen aus Not leidenden Ländern gar nicht erst nach Europa kommen zu lassen, sondern sie beispielsweise auf dem Mittelmeer abzufangen und in ein extraterritoriales Lager zu bringen, um dort ihr Asylbegehren zu prüfen. Aber erst die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni macht damit jetzt wirklich Ernst.

Während ihres Sommerurlaubs im vergangenen Jahr, den sie in der Region Apulien verbracht hatte, war die rechte Regierungschefin überraschend auf Einladung ihres linken albanischen Amtskollegen Edi Rama, der ein bekennender Fan von ihr ist, über die Adria geschippert und hatte einige Zeit mit Rama in dessen Sommerresidenz verbracht.

epa11032426 Italian Prime Minister Giorgia Meloni (R) poses with Albanese Prime Minister Edi Rama (L) during their meeting at Palazzo Chigi, in Rome, Italy, 16 December 2023.  EPA/RICCARDO ANTIMIANI

Wie später bekannt wurde, haben die beiden dort den Plan entwickelt, auf albanischem Boden, aber auf italienische Kosten und unter italienischer Verwaltung zwei zusammenhängende Lager einzurichten, in denen jährlich bis zu 36’000 Menschen verwaltet werden sollen. Diese Lager sind aus albanischer Sicht exterritorial, ungefähr so wie eine Botschaft, sie unterstehen der italienischen Jurisdiktion.

Frauen und Minderjährige sind nicht betroffen

Im Mittelmeer an Bord genommene Migranten sollen zunächst für eine erste Überprüfung in die Unterkunft am Adriahafen Shengjin gebracht werden. Das sollen nur erwachsene Männer sein, keine Frauen und Minderjährige; auch die von privaten Rettungsschiffen Aufgenommenen sind nicht betroffen. Anschliessend kommen die Menschen in das nahe gelegene Hauptlager in Gjader. Dort entscheiden italienische Staatsbedienstete über ihr Asylbegehren. Wer abgelehnt wird, kann gegen den Bescheid klagen, das Verfahren wird im Lager geführt.

A migrant center, right, is seen from above in the port of Shengjin, northwest Albania, Thursday, July 25, 2024. Migrants rescued at sea while attempting to reach Italy are likely to see themselves transported to Albania from next month while their asylum claims are processed, under a controversial deal in which the small Balkan country will host thousands of asylum-seekers on Italy's behalf. (AP Photo/Vlasov Sulaj)

Nur wer anerkannt wird, kommt nach Italien, alle anderen sollen in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. Wie oft Letzteres gelingt, ist angesichts der hohen Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs an die Menschenrechtssituation im Herkunftsstaat eine der vielen offenen Fragen. Trotzdem hofft Meloni, ihrem wichtigsten Wahlkampfversprechen näher zu kommen, Italien vor irregulärer Migration zu bewahren, mit dem sie im Herbst 2022 an die Macht kam. Das Projekt ist in beiden Ländern und auch international umstritten. Es gibt rechtliche Probleme, aber auch praktische.

Kontakte sollen über grosse Bildschirme hergestellt werden

Schon die Auswahl derjenigen, die auf hoher See für die Tour nach Albanien aussortiert werden, gilt als problematisch. Ob es ferner tatsächlich gelingt, die Arbeit zahlreicher Behörden und Menschen auf beiden Seiten der Adria rechtsstaatlich korrekt zu koordinieren, ist offen. Teilweise sollen die Kontakte über grosse Bildschirme in Rom und in den Lagern aufrechterhalten werden, aber es ist auch ein regelrechter Justiztourismus auf der Fährroute von Bari nach Shengjin zu erwarten. Pausenlos werden italienische Polizisten, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Richter hin und her unterwegs sein. Auch die anerkannten Asylbewerber und jene, deren Rückführung ins Heimatland binnen 18 Monaten nicht möglich ist, werden nach Italien gebracht.

Den Vorwurf mangelnder Rechtsstaatlichkeit wies Innenminister Matteo Piantedosi am Samstag zurück. Die Zentren seien denen in Italien ähnlich, es handele sich um einen «leichten Gewahrsam». Es gebe «keinen Stacheldraht, es gibt Unterstützung, jeder kann einen Antrag auf internationalen Schutz stellen und diesen in wenigen Tagen erhalten». Menschenrechtsorganisationen protestieren dennoch heftig. Gerettete gegen ihren Willen in ein drittes, weiter entferntes Land zu bringen, sei ein Verstoss gegen das Völkerrecht.

A Italian Coast Guard boat carry migrants tourists on boat, botto, watch, near the port of the Sicilian island of Lampedusa, southern Italy, Monday, Sept. 18, 2023. The Italian Cabinet met Monday to adopt new measures to crack down on migration after the southern island of Lampedusa was again overwhelmed by a wave of arrivals from Tunisia and the migration issue again took center stage in Europe with talk of a naval blockade. (Cecilia Fabiano/LaPresse via AP)

Politisch Verantwortliche in einzelnen Mitgliedsstaaten und in Brüssel äusserten zuletzt aber Verständnis für und Interesse am italienischen Weg. Überall in der EU sind die Regierungen mittlerweile zur Verschärfung der Migrationspolitik bereit, im Mai ist nach jahrelangem Streit eine verschärfte europäische Asylreform beschlossen worden. Sie sieht schnelle Asylverfahren an den Aussengrenzen und einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten.

Die Lager sollen auch ein Signal an die Ausreise­willigen sein

Italien leidet besonders unter der hohen Zahl von aus Nordafrika übersetzenden Flüchtenden. Zwar kommen zurzeit weniger als halb so viele Migranten an wie vor einem Jahr, was auch an der harten Politik liegt, mit der Länder wie Tunesien und Libyen die Menschen davon abhalten, auf See zu gehen; dafür werden die Staaten von der EU bezahlt. Es gibt Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen in den Ausgangsstaaten. Trotzdem machen sich immer noch Zehntausende auf häufig kaum seetauglichen Booten auf die Reise. Die Lager in Albanien sollen nach dem Willen der italienischen Rechtskoalition auch ein Signal an die Ausreisewilligen sein, dass der Weg nach Italien versperrt ist.

Die liberale und linke Opposition kann Meloni damit nicht überzeugen. «Im Eiltempo» habe die Regierung zum Bau der Lager «millionenschwere Direktverträge ohne Transparenz abgeschlossen: insgesamt 800 Millionen, die wir in die Gesundheitsversorgung hätten stecken können», sagte die sozialdemokratische Oppositionsführerin Elly Schlein am Wochenende und kündigte weitere Proteste an: «Wir sind gegen diese Verletzung der Grundrechte von Asylbewerbern, die auch eine enorme Verschwendung von italienischen Steuergeldern darstellt.»