60. Solothurner FilmtageWo bleibt die Freude über den Erfolg?
2024 war ein erfreuliches Kinojahr für Schweizer Filme, und mit Tim Fehlbaum haben wir nun auch eine Oscar-Hoffnung. In Solothurn weckten Bagger allerdings mehr Begeisterung.
Schöner Zufall: Als die 60. Solothurner Filmtage begannen, wurden auch gleich die Nominierungen für die Oscars bekannt gegeben. Und schöne Nachricht: Der Basler Tim Fehlbaum, Regisseur des gefeierten Olympia-Attentats-Thrillers «September 5», ist als Co-Autor für das beste Originaldrehbuch nominiert.
Weil wir da schon dabei waren, wurden die acht Nominierungen für das Papstdrama «Conclave» in den Medien auch gleich unserem Land zugeschlagen. Schliesslich hat dessen Regisseur Edward Berger einen österreichischen und einen Schweizer Pass.
Die Solothurner Filmtage, die am Mittwoch zu Ende gehen, hätten also durchaus Grund zum Feiern gehabt. Nur schon wegen des Jubiläums. Dass die Filmtage 60 Jahre alt geworden sind, hat allerdings niemand bemerkt. Abgesehen von einem hübschen Programm zur filmischen Region des Jura waren keine auffälligen Veranstaltungen geplant.
Dafür war die Stadt mit Postern vollgeklebt, auf denen der Satz «Wir brauchen in Solothurn keine roten Teppiche» stand. Er stammt aus einem Interview mit Filmtage-Direktor Niccolò Castelli. Wollte er die Euphorie vorsorglich dämpfen? Absicht war es sicher nicht, aber im Kontrast mit den frohen Neuigkeiten wirkte diese Begrüssung geradezu offensiv bescheiden.
Ein wenig schienen diese oscarnominierten internationalen Produktionen mit Schweizer Regie in einer anderen Welt zu spielen als die Werkschau des Schweizer Films. «September 5» lief zwar zweimal an den Filmtagen, und Regisseur Tim Fehlbaum war auch vor Ort. Aber besonders rausgestrichen haben die Filmtage den Besuch nicht.
Schweizer Filme lockten über 907’000 Besucher ins Kino
Dabei gab auch aus hiesigen Kinos gute News: Das Bundesamt für Statistik rief 2024 zum Glanzjahr für Schweizer Produktionen aus. Der Marktanteil in der Schweiz erreichte laut provisorischen Zahlen fast 9 Prozent; das sind über 907’000 Eintritte. Und es entspricht in etwa dem Besucheraufkommen im Rekordjahr 2003, als Kassenschlager wie «Achtung, fertig, Charlie!» liefen.
Beachtlich ist das, weil der Marktanteil in den letzten gut 20 Jahren im Schnitt unter 6 Prozent betrug. Zum Erfolg im letzten Jahr haben hauptsächlich «Bon Schuur Ticino», «Tschugger – Der lätscht Fall» sowie der Dokfilm «Wisdom of Happiness» beigetragen. Die drei Titel machen fast die Hälfte aller Kinoeintritte für Schweizer Filme im vergangenen Jahr aus.
Was die Spezialisten in Solothurn beschäftigte, war dann aber eine halbe Debatte über die Filmförderung. Eine vom Bundesamt für Kultur (BAK) in Auftrag gegebene Studie verglich unter anderem die nationalen Marktanteile in europäischen Ländern, da steht Dänemark mit 30 Prozent deutlich besser da als die Schweiz.
Die Studie strich auch heraus, dass Schweizer Filme im Vergleich mit geförderten Projekten in anderen Ländern weniger Geld bekommen und dass es an der Promotion im Inland fehlt. Das will das BAK künftig ändern, zusammen mit verstärktem Fokus auf Genrevielfalt und Formate wie Serien. Auch die Breitenwirksamkeit soll wichtiger werden, so will man etwa mehr Familienfilme fördern.
Ob darunter auch «Bagger Drama» von Piet Baumgartner fällt, der in Solothurn auf Begeisterung stiess? Es ist jedenfalls ein Film mit der ganzen Familie, oder besser: einer Familie mit Leerstelle, seit die Tochter tödlich mit dem Kanu verunfallte.
Die Eltern und der Sohn pflanzen einen Baum und halten ihren Bagger-Familienbetrieb am Laufen. Wobei die Konvention des Kinos selbstverständlich verlangt, dass man Leuten auf der Leinwand nicht die ganze Zeit dabei zuschauen kann, wie sie arbeiten. Sondern sie zweifeln und verzweifeln; der Sohn möchte in den USA studieren, der Vater braucht «meh Platz», die Mutter geht fast kaputt an der Trauer.
Eine Baggershow nach dem «Bagger Drama»
Piet Baumgartner («The Driven Ones») hat die Rollen der Eltern mit Bettina Stucky und Phil Hayes besetzt – ein Glücksfall für dieses leise humorvolle Drama über eine verknorzte Familie.
Der Regisseur nennt die persönliche Geschichte einen «neuen Heimatfilm»; «Bagger Drama» geht ein paar unerwartete Wege und zieht Witz und Gefühl aus dem filmischen Erzählen. Der Film wurde am Festival Max Ophüls und in San Sebastián ausgezeichnet, und in Solothurn erlebte das Publikum nach der Vorführung eine Baggershow. Das war dann schon fast ein Event.
Fehler gefunden?Jetzt melden.