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Richard Gere im Interview
«Egozentrisch bin ich immer noch»

ZURICH, SWITZERLAND - OCTOBER 08: Richard Gere attends the "Wisdom of Happiness" green carpet during the 20th Zurich Film Festival at Corso on October 08, 2024 in Zurich, Switzerland. (Photo by Andreas Rentz/Getty Images for ZFF)
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Was haben Richard Gere (75) und ein Schweizer Dokumentarfilm über den Dalai Lama miteinander zu tun? So einiges: Der Aktivist für den Buddhismus und Mitbegründer der International Campaign for Tibet bekam «Wisdom of Happiness» von Barbara Miller und Philip Delaquis zugeschickt, war angetan und hatte trotzdem ein paar Anmerkungen. So kam die Zusammenarbeit zustande, und am letzten Zurich Film Festival stellte das Team den Dokfilm vor, in dem Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama direkt zum Publikum spricht – über die zentrale Bedeutung des Mitgefühls etwa oder den Kampf gegen zerstörerische Gefühle. Die Bilder sind illustrativ, die Unterweisungen können ins Schlichte kippen. Aber der Dalai Lama hat hier eine Art bodenständiges Charisma.

Mister Gere, Sie setzen sich seit Jahren für die politischen Anliegen Tibets ein und bekennen sich zum Buddhismus. Leonardo DiCaprio ist ja auch ein Botschafter für den Kampf gegen den Klimawandel. Sind Sie beide Ausnahmen in Hollywood? Dort spendet man höchstens Geld für die Demokratische Partei und gibt sich sonst wenig politisch.

Ich denke nicht, dass ich etwas Besonderes bin. Offenbar glauben gewisse Menschen, dass man berühmte Leute anders bewerten müsste als andere. Das ist nicht unbedingt nötig. Für mich sind die Menschen überall gleich. In der US-Filmbranche gibt es Leute, die klug, engagiert und wortgewandt sind, und es gibt Leute, die das nicht sind. Genau wie überall sonst.

Wenn Sie über die buddhistische Lehre sprechen, treffen Sie bestimmt auf viele skeptische Menschen. Fällt es Ihnen nicht schwer, immer wieder dasselbe zu erzählen?

Ich höre bislang keine Skepsis. Was macht Sie denn skeptisch?

Zum Beispiel, wenn der Dalai Lama im Dokumentarfilm «Wisdom of Happiness» auf Mitgefühl pocht und von einem universellen Kampf der Menschheit spricht. Die politischen Probleme auf der Welt sind doch sehr verschieden.

Doch, ich glaube, genau darauf will er hinaus. Dem Dalai Lama geht es um Freundlichkeit oder Güte, das spricht alle Menschen an. Egal, ob sie katholisch, hinduistisch oder buddhistisch sind. Wir reagieren auf Liebe und Mitgefühl. Es geht nicht um Religion. Seine Heiligkeit sagt: «Vergiss Religion.»

Richard Gere in Zürich: «Es gibt buddhistische Lehren, bei denen ich kein Wort verstanden habe, selbst mit einem guten Übersetzer.»

Das wollte ich fragen: Braucht es nicht wahnsinnig viel Energie, sich immer wieder auf solche Debatten einzulassen?

Wissen Sie, wie oft der Dalai Lama seine Sichtweise erklären musste? Sehr oft. Und sein Verständnis des Buddhismus verfeinert sich immer mehr. Auch wenn man verstanden hat, dass man die menschliche Güte ins Zentrum stellen muss, auch wenn man weiss, dass gewisse Realitäten des Lebens einfach Projektionen sind – selbst dann hat man die Lehre erst sehr oberflächlich verstanden. Es braucht Zeit, bis sie in tiefere Ebenen des Geistes eindringt. Es ist ein langer Prozess, der viele Leben dauern kann.

Erklären Sie mir bitte den Buddhismus in einem Satz.

Interessieren Sie sich für Milde und Freundlichkeit?

Also …

Oder für Weisheit? Dafür, zu verstehen, wie die Dinge wirklich funktionieren. Auch in Ihrem eigenen Geist.

Natürlich.

Das ist der Buddhismus. Das ist der Buddhismus in aller Kürze.

Wie eine Privataudienz für die Zuschauerin, den Zuschauer: Der Dalai Lama in «Wisdom of Happiness».

Angenommen, ich möchte weniger egoistisch werden. Kann ich Buddhismus auch mikrodosieren?

Nein, so funktioniert das nicht. Wir leben ja im Lärm unseres eigenen Gehirns, ohne die Aussenwelt direkt zu erleben. Wir sehen etwas, und unser Bewusstsein sagt: «Das mag ich, das mag ich nicht. Das will ich loswerden, und das erinnert mich an etwas.» Wir erschaffen eine völlig konzeptionelle Realität. Unser Geist ist der Projektor, der Schauspieler, der Regisseur, der Kostümbildner – alles. Wir sind das so sehr gewohnt, dass wir unterwegs vergessen haben, dass wir unsere eigene Wirklichkeit projizieren. Dagegen steht das, was der Buddha die «Buddha-Natur» nennt. Das andere, riesige Wissen. Die reine Wahrnehmung, ohne konzeptionellen Filter.

Und wie lange dauert es, bis man diesen Zustand erreicht?

Es erfordert viel Arbeit. Der Dalai Lama steht weiterhin um 3 oder 3.30 Uhr morgens auf, um seine Übungen zu machen. Das ist ein bisschen früh für mich. Aber es braucht tatsächlich Zeit.

Gibt es auch Unterweisungen des Buddhismus, mit denen Sie Schwierigkeiten haben?

Natürlich. Es gab Lehren, bei denen ich kein Wort verstanden habe, selbst mit einem guten Übersetzer. Kein Wort habe ich verstanden. Sogar die Mönche haben mir gestanden, dass sie eingeschlafen sind, weil sie nicht folgen konnten.

Was ist denn das komplizierteste Konzept des Buddhismus?

Das Konzept der «Shunyata», der Leere, ist extrem schwierig. Wenn man das analysiert, fühlt man sich wie in einem Doktorandenprogramm in Harvard. Aber im Laufe der Zeit werden die Begriffe reicher. Und man versteht, dass es nicht nur um Mentales geht, sondern um ein 360-Grad-Gefühl.

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Sie wurden dank «American Gigolo» und «Pretty Woman» zum Star. In den 90er-Jahren wurden Sie zweimal zum «Sexiest Man Alive» gekürt. Das stärkt ja sicher das Selbstbewusstsein. Waren Sie früher egozentrischer als heute?

Egozentrisch bin ich immer noch. Aber es gibt Fortschritte. Ich glaube, ich werde nicht mehr so wütend wie früher. Ich denke auch, dass ich weniger abweisend wirke. Ich habe mehr Geduld, aber ich könnte noch geduldiger sein. Wir geraten ja alle in Situationen, in denen wir unsere Geduld verlieren, sei es mit unseren Partnern, unseren Kindern, im Büro …

… oder im Verkehr.

Ja! Es kommt in uns hoch. Das Training besteht darin, loszulassen. Man beginnt, den Geist zu trainieren, und sagt: «Ach, lass es. Es ist okay.»

«Wirtschaftliche Interessen dürfen nie ein Grund sein, unsere Verantwortung für Menschenrechte zu verletzen.»

Der Dalai Lama spricht in «Wisdom of Happiness» viel über zerstörerisches Konkurrenzverhalten und Konsum. Eigentlich ist der Buddhismus die perfekte Religion für Hipster und Millennials, oder nicht?

Ich glaube, Buddhismus spricht alle an. Was den Konsum angeht, sind wir ja immer noch wie Kinder, die ein Stück Schokolade entdecken. Wir sind einfach erwachsen geworden und davon entzückt, wenn wir auf einem Plakat eine sexy Frau in Unterwäsche sehen. Noch immer lassen wir uns so leicht in die Welt der Begierden locken. Dann denken wir: «Ich brauche das.» Wir wollen die Dinge nicht nur, sondern wir denken, dass wir sie brauchen. Und wenn wir sie nicht haben können, leiden wir. Es ist wirklich kindisch, wie wir leben.

Ich wollte Sie zu Tibet noch etwas fragen. Vielleicht ist das nur eine Projektion des Hirns, aber wenn wir die Politik der Schweiz anschauen, dann will das Land doch vor allem gute Handelsbeziehungen zu China.

Dazu kann ich nur sagen, dass meine Organisation, die International Campaign for Tibet, in den USA sehr erfolgreich war. Wir haben mit Demokraten und Republikanern zusammengearbeitet. Inzwischen haben wir Gesetze, die vorschreiben, dass das Aussenministerium in jedem bilateralen Austausch mit China die Menschenrechtslage in Tibet thematisieren muss. In Europa ist das anders. Die Chinesen sind da sehr clever. Sie gehen gezielt auf jedes Land zu und drohen mit Strafen, sollte es nicht nach ihren Wünschen laufen. Dagegen wehren kann man sich nur, wenn man zusammenhält, mit einer gemeinsamen Stimme spricht und eine konsequente Haltung zu Menschenrechten entwickelt. Wirtschaftliche Interessen dürfen nie ein Grund sein, unsere Verantwortung in Sachen Menschenrechte zu verletzen.

Treffen Sie während Ihres Aufenthalts in Zürich Leute aus der Politik, um ihnen dieses Anliegen zu erklären?

Normalerweise treffe ich überall auf der Welt Leute, aber bei diesem kurzen Besuch ist das nicht möglich. Ich bin ja nur zwei Tage hier.

«Wisdom of Happiness», in den Kinos.