Ukraine-Hilfeleistungen im ÜberblickWer zu den Top-Unterstützern gehört – und wo die Schweiz steht
Nach zwei Jahren Krieg sind in den USA Hilfen in Milliardenhöhe blockiert, Frankreich zögert, Deutschland drängelt. Und die Schweiz?
Der Satz fehlt in keiner Rede, wenn es um die Unterstützung für das Land im Überlebenskampf gegen Russland geht: «Wir werden die Ukraine so lange wie nötig unterstützen», sagen westliche Politikerinnen und Politiker. Die Europäer haben zwar inzwischen bei der Hilfe aufgeholt, während in den USA weitere Unterstützung vorerst blockiert ist. Insgesamt liefert der Westen aber zu wenig und zu spät. Es ist gerade genug, damit die Ukraine im Abwehrkampf nicht untergeht, aber zu wenig, um die russischen Angreifer zurückzuschlagen.
Weitere Hilfe der USA in der Schwebe
US-Präsident Joe Biden machte grosse Versprechen, als Russlands Panzer vor zwei Jahren in der Ukraine einrollten. «So lange wie nötig» würden die USA der Ukraine beistehen. Die Wirtschafts- und Militärhilfe der USA summiert sich auf über 75 Milliarden Dollar seit Ausbruch des Kriegs bis Ende 2023. Inzwischen aber gehen die vom US-Kongress gesprochenen Kredite zur Neige. Jetzt, keine zwei Jahre später, schaut Biden machtlos dabei zu, wie Donald Trump von aussen den US-Kongress lahmlegt und weitere Hilfe an die Ukraine in der Höhe von rund 60 Milliarden Dollar blockiert. Viele Wählerinnen und Wähler, besonders der Republikaner, stellen den Sinn der Milliardenhilfe an die Ukraine infrage. Zudem will sich Trump nicht darauf verpflichten lassen, der Ukraine beizustehen, falls er im Herbst noch einmal zum Präsidenten gewählt würde.
Wo stehen die Europäer?
Die Europäer haben bei der Hilfe für die Ukraine inzwischen im Vergleich zu den USA aufgeholt. Laut Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommt die Hälfte der insgesamt 100 Milliarden Euro Militärhilfe von den europäischen Partnern. Hinzu kommen Wirtschaftshilfen und die Gelder für die Betreuung der vertriebenen Ukrainer, wo Europa die Hauptlast trägt. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs wollte die damalige deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht der Ukraine 5000 Helme überlassen und sah dies als grosszügige Geste. Heute steht Deutschland in absoluten Zahlen an der Spitze, und Olaf Scholz ist plötzlich der Drängler: Es könne nicht sein, dass Deutschland allein die Hauptlast trage, sagt er immer wieder. Mit Zusagen in der Höhe von 7 Milliarden Euro in diesem Jahr zahle Berlin mehr als die Hälfte aller anderen EU-Staaten zusammen.
Die Kritik richtet sich insbesondere an Frankreich, aber auch an andere grössere Mitgliedsstaaten wie Italien oder Spanien. «Wir dürfen Russland nicht gewinnen lassen», sagt zwar Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die zweitgrösste Volkswirtschaft liegt mit Militärhilfe von bisher 540 Millionen Euro aber weit zurück. In Paris revanchiert man sich mit einem Seitenhieb Richtung Berlin und verweist auf deutsche Leopard-Panzer, die in schlechtem Zustand pannenanfällig sein sollen. Frankreich liefere eben Qualität. Wobei Zahlen immer eine Frage der Perspektive sind.
Relativ zur Wirtschaftsleistung tun Norwegen, die baltischen Staaten, Dänemark und Polen viel mehr als die grossen EU-Staaten. Das Hickhack zwischen den europäischen Partnern nützt der Ukraine allerdings nichts. Ein grosses Problem ist zudem, dass die EU ihre Zusage deutlich verfehlen wird, der Ukraine bis Ende März eine Million Artilleriegeschosse vom Kaliber 155 Millimeter zu liefern. Immerhin hat die EU sich im Februar auf eine langfristige Unterstützung der Ukraine bei der Finanz- und Wirtschaftshilfe einigen können, dies auch als Wink Richtung Washington. 50 Milliarden Euro sollen über vier Jahre verteilt fliessen, damit die Ukraine nicht pleitegeht und Gehälter sowie Renten zahlen kann.
Was haben die Sanktionen gebracht?
Rechtzeitig zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffskriegs konnten sich die Botschafter der EU-Staaten am Mittwoch auf ein 13. Sanktionspaket einigen. Neu werden 200 weitere Personen und Firmen mit Strafmassnahmen belegt. Im Visier sind unter anderem Firmen, die Komponenten herstellen, die Russland für den Bau von Drohnen verwenden kann. Wladimir Putin findet allerdings immer neue Schlupflöcher, um das schärfste Sanktionsregime aller Zeiten zu umgehen. Die Durchsetzung der Sanktionen gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel. Die EU hat mitDavid O’Sullivan einen Sanktionskoordinator ernannt, der Drittstaaten von Zentralasien über die Türkei bis auf die Arabische Halbinsel bereist, um Druck zu machen und Umgehungsgeschäfte zu stoppen. Mit mässigem Erfolg. Länder wie Kirgistan, Kasachstan oder die Türkei sind Drehscheiben für Re-Exporte. Aus China soll die russische Rüstungsindustrie einen Grossteil der Komponenten bekommen, die vom Westen sanktioniert sind. Wenn auch zu höheren Preisen. Die Sanktionen werden Wladimir Putin nicht dazu bringen, den Krieg zu stoppen. Die Strafmassnahmen treiben aber den Preis für die russische Aggression in die Höhe.
Ukraine wird Beitrittskandidat
Wladimir Putin wollte mit seinem Angriffskrieg die Ukraine in die russische Einflusssphäre zurückholen. Der russische Präsident dürfte aber genau das Gegenteil erreichen. Die Ukraine ist heute EU-Beitritts-Kandidat, ein Status, den das Land ohne russischen Überfall nie bekommen hätte. Der Status als Beitrittskandidat war für Präsident Wolodimir Selenski vor allem auch aus symbolischen Gründen wichtig. Wie lange der moralische Booster im Kampf gegen den russischen Aggressor hilft, ist eine andere Frage. Die Euphorie könnte rasch in Enttäuschung umschlagen. Die Beitrittsverhandlungen sollen noch in diesem Frühjahr beginnen. Wann die Ukraine aber tatsächlich Mitglied im Club werden kann, ist völlig offen.
Schweiz offeriert einen Friedensgipfel
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Schweiz gezwungen, ihre Neutralität neu zu diskutieren. Kann man gegenüber einem offensichtlichen Verstoss gegen das Völkerrecht neutral sein? Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Zuerst überraschte die Schweiz ihre europäischen Partner mit der Entscheidung positiv, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen. Dann verhinderte der Bundesrat, dass Deutschland, Spanien, Dänemark und die Niederlande von der Schweiz erworbene Munition und Kriegsgeräte in die Ukraine reexportieren durften. Hinzu kommt, dass die Schweiz auch bei der humanitären Hilfe nicht zu den Spitzenreitern gehört. Nun hofft der Bundesrat, mit einem Friedensgipfel punkten zu können. Basis soll allerdings eine «Friedensformel» des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski sein. Ärger mit Russland und neue Neutralitätsdebatten in der Schweiz sind vorprogrammiert.
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