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Ukraine-Blog
Er kritisierte Putins Armee, nun ist er offenbar tot

Andrei Morosow kämpfte zehn Jahre gegen die Ukraine. Am Mittwoch soll er gestorben sein.
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Der russische Militärblogger Andrei Morosow, eine der lautesten Stimmen im Krieg gegen die Ukraine, soll am Mittwoch gestorben sein. In einem Abschiedsbrief auf Telegram heisst es, er habe sich das Leben genommen. Unabhängig lässt sich diese Information nicht überprüfen, aber es ist unwahrscheinlich, dass Morosow seinen Tod lediglich vorgetäuscht hat, um dann zu desertieren. 

Morosow war bis zuletzt ein unentwegter Patriot, ein Unterstützer der russischen Aggression gegen die Ukraine. Sogar im Abschiedsbrief auf seinem Telegram-Kanal, wo ihm über 100’000 Personen folgten, wird dazu aufgerufen, die «ukrainischen Nazis so effizient wie möglich zu töten».

Wenige Tage zuvor hatte er behauptet, in der Schlacht um Awdijiwka seien 16’000 russische Soldaten gestorben. Im Abschiedsbrief steht dann, die Armeeführung habe ihn dazu gezwungen, die Todeszahlen online zu löschen. Morosow wurde des Verrats beschuldigt, live auf dem TV-Kanal des russischen Propagandisten Wladimir Solowjow. Dieser forderte auch die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens.

Offenbar gravierende Mängel in der russischen Armee

Der russische Militärblogger Wojenni Oswedomitel meinte, Morosow habe ein «schweres Burn-out» erlitten und sei in eine «Depression» abgerutscht. Der Abschiedsbrief vermittelt das Bild eines Mannes, der sich von den russischen Eliten verraten fühlt. «Russland ist meine Heimat, aber sie wurde erobert, von Arschleckern, Journalisten, die ihre Karriere auf Lügen bauen, und Generälen, die Tausende Soldaten opfern, um sich hervorzutun.» Unter diesen Kommandanten könne er nicht dienen, wenn er die Wahrheit nicht sagen dürfe.

Dann kündigte der Militärblogger im Abschiedsbrief an, sich das Leben zu nehmen. Dass er auf Anordnung der eigenen Generäle getötet wurde, wäre theoretisch möglich. Doch es stellt sich dann die Frage, wer die schonungslose Kritik an der Armeeführung publiziert hat. Die Kommandanten hätten mit Sicherheit keine tadelnden Worte veröffentlichen lassen, die auf sie selbst gerichtet sind.

Als Ultranationalist kämpfte Morosow seit 2014 im Donbass und diente zuletzt in der 4. motorisierten Schützenbrigade. Der Militärblogger vertrat zunehmend die Ansicht, Russland tue zu wenig, um den Krieg zu gewinnen. Auch kurz nach seiner Abschiedsbotschaft veröffentlichte er auf seinem Telegram-Kanal noch den Brief eines anderen Soldaten aus dem 1487. Regiment, das an der Offensive in Awdijiwka beteiligt war. In dieser Nachricht beschreibt der nicht mit Namen genannte Soldat gravierende Mängel in der russischen Armee.

So seien im 1487. Regiment nur noch 30 Prozent aller Soldaten übrig. «Die meisten sind verwundet, tot oder werden vermisst», schreibt der unbekannte Soldat. Eine Rotation oder Aufstockung des Personals habe es bis heute nicht gegeben. Seinem Bataillon fehle es an Ausrüstung, darunter Mörsern, um wirksame Offensivoperationen durchführen zu können.

Verletzte würden selten evakuiert, da es nur wenige Transporter gebe, und Verwundete würden einfach zurück an die Front geschickt. Ein Militärarzt habe auch ihn nicht vom Dienst befreit, obwohl er unter einem Granatenschock leide. «Ich sehe keinen Sinn, mit den wenigen Mitteln, die mir noch zur Verfügung stehen, weiter zu kämpfen», schlussfolgert der russische Soldat. 

Russland soll 90 Prozent der Vorkriegsarmee verloren haben

Die Aussagen über die angeblich desaströsen Zustände in der russischen Armee lassen sich nicht unabhängig verifizieren. Sie decken sich jedoch teils mit Einschätzungen verschiedener Kriegsbeobachter. Ein Experte der Analyseplattform «Oryx» konnte bis Mitte Februar 666 Kriegsfahrzeuge identifizieren, die Russland allein in der Schlacht von Awdijiwka verloren hat. Im vergangenen Dezember behauptete der US-Geheimdienst, Russland habe in der Ukraine fast 90 Prozent seiner Invasionsarmee eingebüsst. 

Um diese Verluste auszugleichen, soll Russland gemäss dem ukrainischen Geheimdienst monatlich 30’000 Soldaten mobilisieren. Dadurch nimmt jedoch die Truppenqualität ab. Denn die neuen Kämpfer sind meist schlecht ausgebildet und besitzen keine Fronterfahrung. Und um das zerstörte Kriegsmaterial zu ersetzen, greift die russische Armee selbst auf Lagerbestände aus der Sowjetzeit zurück. 

Allerdings hat Wladimir Putin sein Land auf Kriegswirtschaft umgestellt und Waffenlieferungen aus dem Iran und Nordkorea erhalten. Momentan besitzt seine Armee deutlich mehr Kampfkraft als die Ukraine, was sich vor allem bei der Artillerie bemerkbar macht. Eine Umkehr der Entwicklungen scheint unwahrscheinlich, solange die Republikaner im US-Kongress weitere Hilfslieferungen blockieren. 

Die Aussagen auf Morosows Telegram-Kanal verdeutlichen jedoch, was auch das amerikanische Institut für Kriegswissenschaften (ISW) bestätigt: Moskau erringt militärische Erfolge, wie etwa die Einnahme von Awdijiwka, unter Inkaufnahme enormer Verluste. Obwohl die russischen Streitkräfte langsam vorrücken, können sie wegen der vielen Verletzten, Toten und Materialverluste derzeit kein Potenzial für eine Grossoffensive aufbauen, um die ukrainischen Verteidigungsstellungen schnell und tiefreichend zu durchbrechen.