Ukraine-Blog«Top-Spital»: ZDF sendet Fake News über Mariupol
Der TV-Sender wollte neutral und ausgewogen aus der Stadt berichten, die Putins Zerstörungswut zum Opfer fiel. Dabei landete russische Propaganda im Beitrag.
Ein westlicher Journalist berichtet aus Mariupol, einer ukrainischen Stadt am Asowschen Meer, die unter russischer Besatzung steht. Im Mai 2022 sah sich die Ukraine gezwungen, die Stadt aufzugeben, nachdem Russland 90 Prozent aller Gebäude bombardiert hatte. Seither ist das Leben in Mariupol für westliche Beobachter eine Blackbox. Unabhängig verifizierbare Informationen dringen selten nach aussen. Entsprechend gross war das Interesse, als ein ZDF-Reporter am vergangenen Montag vor Ort war.
Während einer Liveschaltung erklärte Armin Coerper, Chef des ZDF-Studios in Moskau, es sei «wichtig, in einem Krieg von beiden Seiten zu berichten». Was dann aber folgte, war eine problematische und teils nachweislich falsche Beschreibung des Lebens in Mariupol. Als Reaktion entfachte in den sozialen Medien ein Shitstorm.
Die Kritik richtete sich hauptsächlich auf die mangelnde Einordnung des ZDF-Reporters. Zwar betonte Coerper, dass er «die Besatzung von Russland nicht anerkenne». Und er räumte ein, «kein vollständiges Bild» vermitteln zu können. Zugleich aber meinte der Journalist, Mariupol sei «kein Ort für einfache und klare Antworten».
ZDF übernimmt russisches Framing
Dabei ist klar, dass die Stadt stellvertretend für die russische Zerstörungswut steht. Laut ukrainischen Schätzungen hat die russische Armee allein in den ersten Kriegsmonaten mindestens 20’000 Bewohnerinnen und Bewohner getötet. Ein Grossteil der Überlebenden ist geflüchtet. Wer noch in der besetzten Stadt wohnt und keinen russischen Pass beantragt hat, wird von den russischen Behörden diskriminiert und erhält beispielsweise keine Rente.
Der ZDF-Reporter sagte zwar, dass er «viel Zerstörung sehe», aber anstatt Russland dafür verantwortlich zu machen, betonte Coerper, wie gut die Stadt funktioniere und viel aufgebaut werde: «Neue Schulen, ein topmodernes Krankenhaus». Dadurch rückte er den Wiederaufbau in ein positives Licht und übernahm die Sichtweise des russischen Regimes. Die Kremlpropagandisten inszenieren den Wiederaufbau als humanitäre Hilfe, Putin persönlich liess sich im März 2023 vor angeblich neu gebauten Wohnblöcken ablichten.
Fakt ist: Ein Wiederaufbau wäre nicht nötig gewesen, hätte Russland die Stadt nicht zerstört. Doch das findet im ZDF keine Erwähnung. Ebenso sagt Coerpe an keiner Stelle, dass die russischen Verbrechen völkerrechtswidrig sind. Dass Putin plant, Hunderttausende Russen nach Mariupol umzusiedeln, bezeichnet der deutsche Journalist lediglich als «im Interesse Russlands».
Diese vorsichtige Wortwahl scheint insofern nachvollziehbar, als westliche Reporter in Russland mit der ständigen Gefahr leben müssen, politisch motiviert angeklagt zu werden. So geschehen im Fall eines Journalisten des «Wall Street Journal», Evan Gershkovich, der nun in Haft sitzt. Doch es stellt sich grundsätzlich die Frage, was der Nutzen einer Berichterstattung ist, wenn diese kaum über das russische Staatsnarrativ hinausgeht.
Sender verbreitet Falschinformation
Neutral ist das keinesfalls und stellenweise sogar nachweislich falsch. So erzählte Coerper, er habe mit Schauspielern jenes Theaters gesprochen, in dem 600 ukrainische Zivilisten ums Leben kamen. Die Russen hatten es im März 2022 bombardiert, obwohl auf dem Vorplatz mit riesiger Schrift geschrieben stand, dass darin Kinder Zuflucht suchen.
Coerper behauptete nun im ZDF, die Schauspieler würden sich freuen, endlich wieder russischsprachige Stücke aufführen zu können. «Das sind natürlich auch Gründe für Menschen, hierzubleiben», meinte der Reporter. Das ist nichts als russische Rhetorik und entspricht nicht der Wahrheit. Die Eventliste des Theaters ist noch heute online einsehbar. Und dort sind zahlreiche Stücke in russischer Sprache aufgeführt, selbst bis unmittelbar vor der Invasion.
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Inzwischen hat das ZDF auf die Kritik reagiert. Gegenüber dem Magazin «Focus» räumte der öffentlich-rechtliche Sender ein, Coerpers Formulierung «die Stadt funktioniert» sei «missverständlich» gewesen. Aber: «Dieses Zitat allein herauszugreifen, gibt seinen geschilderten Eindruck nur verkürzt wieder.» Vielmehr beschreibe Coerper, wie Russland versuche, mit erheblichen Finanzmitteln den Eindruck von Normalität zu erzeugen.
Selbst Kremlmedien griffen die Aussagen des ZDF-Reportes auf. Trotzdem scheint das ZDF nicht einzusehen, dass es russische Propaganda verbreitet hat.
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