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Ukraine-Blog
Wer steckt hinter Angriffen auf ukrainische Journalisten?

Sein Team soll während Monaten überwacht worden sein: Denys Bihus, der Direktor des unabhängigen investigativen ukrainischen Mediums Bihus.Info.
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In der vergangenen Woche kam es gleich zu zwei Attacken auf ukrainische Investigativjournalisten: Am 15. Januar haben Unbekannte vor der Wohnung eines Journalisten randaliert, wenige Tage danach wurde bekannt, dass eine ganze Redaktion heimlich überwacht worden war. Die zwei Vorfälle richteten sich gegen unabhängige ukrainische Medien und werfen Fragen zur Pressefreiheit in der Ukraine auf.

Bei den beiden Attacken handle es sich «nicht um gewöhnliche Fälle», in denen Journalisten beispielsweise von Sicherheitskräften behindert werden, irgendwohin zu gehen, erklärte Oksana Romaniuk gegenüber dem «Kyiv Independent». Romaniuk ist Leiterin des ukrainischen Instituts für Masseninformation, das Verletzungen der Meinungsfreiheit überwacht. «Dies ist eine systematische Arbeit, die darauf abzielt, Journalisten zu diskreditieren und sie zu einer Art Volksfeind zu machen, damit man ihnen und ihren Recherchen nicht traut», so Romaniuk.

«Verräter» und «Wehrdienstverweigerer»

Der erste Vorfall ereignete sich am Montag vor einer Woche: Zwei unbekannte Männer suchten die Wohnung des ukrainischen Journalisten Juri Nikolow auf. Dieser ist dafür bekannt, Korruption im Staatswesen aufzudecken – er hat unter anderem über den Skandal um inflationäre Preise für ukrainische Militärjacken berichtet.

Die beiden Männer hämmerten laut verschiedenen Berichten aggressiv gegen seine Tür und forderten den Journalisten auf, mit ihnen zu sprechen. Sie beschimpften Nikolow als «Verräter», «Kremlschlampe» und «Wehrdienstverweigerer». Nikolow war zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause, seine Mutter berichtete über die Tat. Später tauchte ein Video des Vorfalls auf dem proukrainischen Telegram-Channel «Kartochniy Ofis» auf.

Verschiedene Beobachter sagen dem Telegram-Kanal Verbindungen zum Präsidialamt nach, wobei dies nie offiziell bestätigt wurde. Die oberste Beraterin des Leiters des Präsidialamtes der Ukraine, Daria Zarivna, bestritt jegliche Verbindungen des Kanals mit dem Büro des Präsidenten.

Bis jetzt ist unklar, um wen es sich bei den beiden Männern handelt. «Das ist schrecklich, denn diese Leute zeigen dem Westen, dass es in der Ukraine möglich ist, Druck auf jemanden auszuüben, der den Präsidenten kritisiert», sagte Nikolow nach dem Vorfall gegenüber Radio Free Europe.

Heimliche Überwachung in Hotelzimmern

Nur zwei Tage später kam es zu einem weiteren Zwischenfall. Am vergangenen Dienstag veröffentlichte ein weitgehend unbekannter Youtube-Kanal namens «Narodna Pravda» ein Video, das Mitarbeitende von Bihus.Info, einem führenden ukrainischen investigativen Magazin, beim Konsumieren von illegalen Drogen an einer privaten Party zeigt.

Die Aufnahmen wurden mit einer versteckten Kamera in einem Hotelzimmer gemacht, in dem die Mitarbeiterparty stattfand. Ausserdem enthielt das Video Aufnahmen von abgehörten Telefongesprächen mehrerer Angestellter, in denen sie offenbar über den geplanten Drogenkonsum sprachen. In dem veröffentlichten Video hiess es, dass man den Berichten von Bihus.Info nicht vertrauen könne wegen des «Drogenkonsums» der Journalisten.

Denys Bihus, Direktor von Bihus.Info, entschuldigte sich wenig später in einem Video auf Youtube für die Aufnahmen. Er betonte, dass es sich bei den Mitarbeitern im Clip nicht um Journalisten, sondern um Kameraleute handle und dass diese entlassen würden. Er zeigte sich aber auch zutiefst besorgt über die Überwachung: «Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Mitglieder des Teams über einen langen Zeitraum hinweg überwacht wurden – beharrlich, systematisch und mit grossem Aufwand.»

Das Team von Bihus.Info vermutet hinter der Aktion die Strafverfolgungsbehörde oder andere staatliche Akteure. «Es gibt nur begrenzte technische und rechtliche Möglichkeiten für das Abhören von Telefonen in der Ukraine. Und auf die eine oder andere Weise führen sie alle zu sehr wenigen Optionen», sagte Maksym Opanasenko, ein Redaktor von Bihus.Info gegenüber «Kyiv Independent». Laut Opanasenko führt das Magazin eine eigene Untersuchung durch und teilt Resultate, sobald sie genügend Beweise haben.

Bereits 406 Verletzungen der Pressefreiheit

Verschiedene ukrainische und internationale Medienorganisationen forderten die ukrainischen Behörden auf, unverzüglich zu reagieren und die Verantwortlichen zu ermitteln. Auch Präsident Wolodimir Selenski äusserte sich zu den Vorfällen. Ohne die angegriffenen Medien zu nennen, sagte er, dass «jeglicher Druck auf Journalisten inakzeptabel» sei.

Am 17. Januar teilte der ukrainische Geheimdienst SBU mit, dass ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Der SBU sei der Ansicht, dass eine «ungehinderte Arbeit» unabhängiger Medien eine «wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Ukraine als demokratischer Staat» sei, hiess es in einem Statement auf Telegram.

Seit Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine hat das Internationale Presseinstitut (IPI) in der Ukraine mindestens 406 Verletzungen der Pressefreiheit registriert. Das IPI verurteilte die jüngsten Attacken auf ukrainische Medienschaffende, wie das Institut mitteilte.

Man fordere die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden auf, «rasch und transparent» zu ermitteln und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. «Es ist wichtig, dass die ukrainischen Behörden weiterhin deutlich machen, dass der unabhängige Journalismus ein Eckpfeiler der Demokratie ist und in dem Land uneingeschränkt respektiert werden muss.»