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Ukraine-Blog
Russischer Helikopter-Pilot desertierte und wurde in Spanien erschossen

In this photo taken Sept. 5, 2023 Russian defector Maksim Kuzminov attends a press conference in Kyiv, Ukraine. Spanish police say they suspect the bullet-riddled body of a man found in an eastern town is that of Russian defector Maksim Kuzminov, who flew a Russian army helicopter on his escape across the Ukrainian front lines last year. (AP Photo/Vladyslav Musiienko)
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Mit einem Militärhelikopter flüchtete der russische Pilot Maxim Kusminow vor einem halben Jahr in die Ukraine. Jetzt ist der russische Deserteur tot: Kusminow wurde am vergangenen Dienstag in Villajoyosa nahe dem spanischen Ferienort Alicante offenbar mit mindestens fünf Kugeln in der Brust in einer Tiefgarage aufgefunden. Das berichten verschiedene spanische Medien übereinstimmend.

Der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) bestätigte am Montag seinen Tod. Eine Quelle des HUR sagte gegenüber der ukrainischen Zeitung «Ukrajinska Prawda», Kusminow habe nach seiner Flucht entschieden, nach Spanien zu ziehen, statt in der Ukraine zu bleiben. Nach Informationen der Quelle hatte er am Tag seiner Ermordung seine Ex-Freundin zu sich eingeladen und wurde später tot aufgefunden.

«Alles sehr seltsam»

Der Mord hat sich nach Angaben verschiedener spanischer Medien in der Tiefgarage eines Wohnhauses abgespielt. Die Ermittler der Guardia Civil gehen gemäss Berichten davon aus, dass das Opfer noch zu fliehen versuchte. Die beiden Täter sollen jedoch so lange geschossen haben, bis die Person auf der Ausfahrtsrampe des Parkhauses tot umfiel. Unweit des Tatorts fanden die Behörden ein ausgebranntes Auto, das die Täter mutmasslich zur Flucht verwendet hatten.

Eine offizielle Bestätigung der Identität des Ermordeten durch die spanischen Behörden steht noch aus. Verschiedene Quellen der Guardia Civil haben jedoch gegenüber spanischen Medien bestätigt, dass es sich beim Toten um Kusminow handle, so etwa gegenüber der spanischen Zeitung »El País«.

Ein Bewohner berichtete der alicantischen Lokalzeitung «Información, dass man den Ermordeten im Haus nicht gekannt habe. «Einige Leute haben Angst. Sie wissen nicht, wer der Junge war, und sie wissen auch nicht, wer so etwas getan haben könnte. Es ist alles sehr seltsam«, so der Anwohner gegenüber der Zeitung.

Er verurteilte den Krieg

Kusminow war Mitglied der russischen Luftwaffe und zu Beginn der russischen Invasion in Amur stationiert, einer Region im Osten des Landes. In einem Video, das der ukrainische Geheimdienst über ihn veröffentlichte, sprach er über seine kritische Haltung zum Krieg: «Ich bin so wütend über die Dinge, die jetzt gerade passieren. Töten, Tränen, Blut.» Was derzeit passiere, sei ganz einfach «ein Genozid an der ukrainischen Bevölkerung sowie an der russischen Bevölkerung», so Kusminow.

Er wolle sich an diesen Verbrechen nicht beteiligen, deswegen habe er die ukrainischen Behörden kontaktiert, so Kusminow. Diese versprachen ihm laut eigenen Angaben «neue Dokumente und finanzielle Kompensation». Im August 2023 überquerte er schliesslich in einen russischen Transporthelikopter des Typs Mi-8 gemeinsam mit zwei Co-Piloten «in extrem niedriger Höhe und unter Funkstille» die Grenze zur Ukraine. Die beiden anderen Piloten sollen nicht in den Plan eingeweiht gewesen sein. Sie wurden nach seinem Übertritt mutmasslich vom ukrainischen Geheimdienst getötet.

Eine halbe Million US-Dollar

Später machte das ukrainische Militär publik, dass Kusminow eine halbe Million US-Dollar ausbezahlt erhält. Für das ukrainische Militär war die Mission ein voller Erfolg. Mit Kusminows Flucht – und der Prämie, die er dafür erhielt – forderten die Behörden russische Soldaten dazu auf, seinem Beispiel zu folgen.

Im vergangenen September warb Andri Jusow, Vertreter des ukrainischen Geheimdienstes, in der Sendung des nationalen ukrainischen Spendenmarathons für den Übertritt in die Ukraine: Jede Person, die samt Ausrüstung auf die Seite der Ukraine wechsle, erhalte eine angemessene Entschädigung in der Landeswährung, so Jusow. «Diejenigen Russen, die nicht zu Kriegsverbrechern werden wollen: Gebt bitte auf, und tretet auf die ukrainische Seite.»

Wie viele russische Soldaten und Soldatinnen seit Kriegsbeginn auf die ukrainische Seite übergelaufen sind, ist nicht bekannt. Das unabhängige russische Medienportal «Mediazona» veröffentlichte im vergangenen Dezember eine Recherche, wonach im Jahr 2023 bei russischen Militärgerichten mindestens 5024 Fälle «des unerlaubten Verlassens einer Einheit» behandelt wurden. Die Dunkelziffer von Fällen, die nicht vor Gericht landeten, dürfte nochmals deutlich höher sein. Auch ist nicht bekannt, wie viele dieser Personen danach im ukrainischen Militär dienten.

5024 Fälle sei ein «absolut historischer Rekord», schrieb «Mediazona». Im Jahr 2022, als Russland in die Ukraine einmarschierte, wurden laut dem Portal nur 1001 Fälle vor Gericht gestellt. Wie sich die Zahl relativ zu den total im Dienst stehenden Soldaten der beiden Jahre verhält, nannte die Zeitung nicht. Auch auf der ukrainischen Seite flüchteten seit Beginn der Invasion zahlreiche Personen vor dem Militärdienst.

Eine «moralische Leiche»

Die Täter im Mordfall um Kusminow wurden bislang noch nicht gefasst. Klar ist: Mit Deserteuren wird in Russland nicht glimpflich umgegangen. Sogenannten Verrätern wird schnell öffentlich mit dem Tod gedroht – und der Kreml hat schon mehrmals bewiesen, dass er diese Drohungen auch in die Tat umsetzt.

So kommentierte auch der Chef des russischen Auslandsnachrichtendienstes, Sergei Naryschkin, den Tod von Kusminow mit knappen Worten. In Russland spreche man entweder «gut oder gar nicht» über einen toten Mann, zitierte ihn am Dienstag die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti. «Dieser Verräter und Verbrecher wurde in dem Moment zu einer moralischen Leiche, als er sein schmutziges und schreckliches Verbrechen plante.»