Kolumne «Dorfgeflüster»Wer zum Kuckuck war dieser Stucki?
Ein mysteriöser Namensgeber des zweitlängsten Verkehrswegs am rechten Seeufer: Eine kleine Geschichtslektion.
Stucki muss berühmt gewesen sein. Überall am Pfannenstiel wird seiner gedacht. Meist sind es ab der Guldenen lauschige Wege im Wald, die an ihn erinnern. In Meilen und Uetikon hat man ihm eine kurvenreiche Strasse vom Vorderen Pfannenstiel bis in die Oetwiler Chrüzlen gewidmet – mit Blick über den halben Zürichsee und die Alpen. Dann muss er sich wieder mit einem Waldweg begnügen, bis Stucki – wiederum als asphaltierte Strasse – das Männedörfler Türli mit dem Stäfner Mühlehölzli verbindet. Dort zieht er sich erneut in den Wald zurück, bis sich seine Spuren in Hombrechtikon verlieren – nach fast 20 Kilometern. Ausser der Seestrasse gibt es im Bezirk Meilen keinen längeren Verkehrsweg mit demselben Namen.
Aber wer war dieser Stucki? Ich kenne nur zwei. Einer lebt noch, heisst zum Vornamen wie ich und ist aktueller Schwingerkönig. Der kann es nicht sein. Vielleicht der andere? Jakob Stucki war von 1971 bis 1991 Zürcher Regierungsrat, dazu auch Ständerat. Ein Mann mit Verdiensten zwar – doch was hat einer aus Seuzach mit dem Pfannenstiel zu tun?
Zufällig fiel kürzlich dieser Name in einem Gespräch. Ich fragte nach. Der Leiter des Ortsmuseums Holzhausen in Oetwil klärte mich strahlend auf. Stucki war kein Mensch. Sondern Stucken nannten die alten Zürcher ihre Kanonen. Und die Passage am Pfannenstiel wurde als versteckter Anmarschweg angelegt. Auf diesem schlich sich 1656 der Zürcher General Hans Rudolf Werdmüller im ersten Villmergerkrieg mit seinen 10’000 Soldaten und Stucken an Rapperswil heran, um die Stadt zu erobern. Der Stuckiweg entstand also aus Kriegslist, der Ho-Chi-Minh-Pfad vom Pfannenstiel sozusagen. Man lernt nie aus – und soll immer fragen. Zumal, wenn man nicht hier aufgewachsen ist. Zumindest ein Aha-Erlebnis ist der Lohn.
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