BundesratswahlGrünliberale, bitte angreifen!
Das Bundesratsticket der Mitte überzeugt nicht. Für die GLP ist das die Gelegenheit, eine echte Auswahl zu schaffen – und einen alten Missstand zu beheben.
Am 21. Februar steht im Bundeshaus eine traurige Veranstaltung auf dem Programm. An diesem Tag wird die Mitte-Fraktion ihre Kandidaten für die Bundesratswahl im März nominieren, genauer gesagt: Sie wird die zwei einzigen Interessenten akklamieren, den Bauernpräsidenten Markus Ritter und einen Mann namens Martin Pfister, den die meisten Fraktionsmitglieder wohl erst mal googeln müssen (er ist Regierungsrat in Zug).
Welch ein Kontrast zur letzten Vakanz im Bundesrat! Als die SP-Fraktion im November 2023 ihr Zweierticket für den Ersatz von Alain Berset bestimmte, konnte sie unter sechs profilierten Bewerberinnen und Bewerbern wählen; sie entschied sich für Jon Pult und den von der Bundesversammlung nachfolgend gekürten Beat Jans. Das Interesse an dem Amt war phasenweise so gross, dass in der Wandelhalle des Bundeshauses hämische Sprüche kursierten: Welcher Hinterbänkler-Sozi hat sich noch nicht als Kandidat ins Spiel gebracht? Von solcherlei Spott kann die Mitte-Partei nur träumen. Bis auf Markus Ritter haben ihre Schwergewichte allesamt abgesagt. Auswahl gibt es nur bei den Ausreden: die Familie, kein inneres Feuer, viel Freude am jetzigen Amt usw.
Für die Mitte unter ihrem scheidenden Patriarchen Gerhard Pfister ist das eine Schmach – und für die Bundesversammlung eine Zumutung: Als einzige Alternative zum Agrarlobbyisten Ritter wird ihr eine Wundertüte aus der Provinz präsentiert. Eine weibliche Kandidatur, jemand unter 55 Jahren? Nichts dergleichen.
Der grosse Moment der GLP
Es gilt im Parlament als unschicklich, Personen abseits der offiziellen Tickets zu wählen. Doch wenn eine Bundesratspartei es derart an Seriosität fehlen lässt, sollte sie sich nicht auf Gewohnheitsrecht berufen können. Damit schlägt der grosse Moment der Grünliberalen. Noch nie haben sie eine Bundesratskandidatur gewagt. Jetzt aber bietet sich ihnen die Chance, der Bundesversammlung echte Optionen zu verschaffen. Tiana Moser, Corina Gredig, Kathrin Bertschy, Melanie Mettler: Sie alle sind fähige Politikerinnen, die verhindern könnten, dass im Bundesrat nach dem Rücktritt von Viola Amherd wieder ein Männerüberschuss von 5:2 herrscht. Sie stehen für eine progressivere politische Ausrichtung als Bauernkönig Ritter, und sie würden für eine bessere Repräsentation der urbanen und jüngeren Schweiz im rural geprägten Altherrengremium Bundesrat sorgen.
Gewiss, ein Sieg gegen den bestens vernetzten Markus Ritter wäre schwierig. Und das Parlament zeigt wenig Experimentierlust, wenn es um die «Zauberformel» für die Zusammensetzung des Bundesrats geht. Die GLP sollte aber nicht den Fehler der Grünen wiederholen, die es verpassten, ihren Machtanspruch rechtzeitig zu statuieren. Die Idee könnte ohnehin nicht sein, die Mitte dauerhaft aus dem Bundesrat auszuschliessen. Im Gegenteil: Das politische Zentrum ist im Vergleich zum rechtsbürgerlichen Block von SVP und FDP untervertreten. Das heisst: Spätestens bei der nächsten Gesamterneuerungswahl Ende 2027 wäre der Mitte sinnvollerweise einer der beiden FDP-Sitze zuzuhalten.
Eine GLP-Kandidatur in diesem März könnte also einen alten Missstand beheben helfen. Und die Mitte-Partei würde zwei Jahre Zeit gewinnen, um Kandidaturen aufzubauen – und sich wieder ernsthaft auf Bundesratswahlen vorzubereiten.
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