Kommentar zum Greensill-DebakelWas haben die CS-Chefs in den letzten zwei Jahren eigentlich getan?
Die Bank behauptet, sie habe die Lehren aus dem Milliardendebakel mit dem Greensill-Fonds gezogen. Doch drei Anordnungen der Aufsicht lassen erahnen, dass dem nicht so war.
Man muss sich die Worte auf der Zunge zergehen lassen. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) stellt zu dem vor ziemlich genau zwei Jahren aufgeflogenen Milliardenskandal um den Greensill-Fonds fest, dass die Credit Suisse «mit Blick auf das Risikomanagement und eine angemessene Betriebsorganisation in schwerer Weise gegen die aufsichtsrechtlichen Pflichten verstossen hat».
Nun ist die Credit Suisse nicht irgendeine Klitsche, sondern die zweitgrösste Schweizer Bank – und damit für die schweizerische Volkswirtschaft so systemrelevant, dass das Schweizer Geschäft notfalls mit Geldspritzen der Nationalbank oder wahrscheinlich sogar des Bundes am Leben erhalten würde.
Nicht zum ersten Mal klaffen zur Credit Suisse Eigen- und Fremdwahrnehmung auseinander – und angesichts des Leistungsausweises der vergangenen Jahre ist man nicht geneigt, der Version der Credit Suisse zu glauben. Kurz nach Bekanntgabe des Untersuchungsresultats der Finanzmarktaufsicht behauptete die Bankführung, sie habe seit März 2021 «Massnahmen ergriffen, um zahlreiche der von der Finma hervorgehobenen Mängel direkt anzugehen».
Die Finma stellt dies ganz anders dar. Sie hat drei Anordnungen getroffen, die tief blicken lassen. Erstens müsse die Bank «künftig ihre wesentlichen Geschäftsbeziehungen nach Risiken bewerten». Die rund 500 wichtigsten Geschäftsbeziehungen der Bank müssten künftig «gesamtheitlich namentlich auf Gegenparteirisiken überprüft werden». Und die Verantwortlichkeitsbereiche der rund 600 höchsten Manager müssten «künftig in einem Verantwortlichkeitsdokument festgehalten werden».
Die Bank ist offenbar immer noch im Blindflug, was eine Gesamtschau ihrer Risiken anbelangt.
Die dreimalige Erwähnung des Wortes «künftig» bedeutet im Umkehrschluss: Keine dieser drei Massnahmen wurde von der Bankführung innerhalb der vergangenen zwei Jahre von sich aus ergriffen. Die Bank ist offenbar immer noch im Blindflug, was eine Gesamtschau ihrer Risiken anbelangt. Und die Verantwortlichkeiten sind bis heute nicht klar benannt. Erschreckender geht es nicht.
Es stellt sich darum die Frage: Was haben all die hoch bezahlten Topmanager der Bank in den vergangenen zwei Jahren eigentlich gemacht? Die Frage richtet sich namentlich an die beiden früheren Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner und António Horta-Osório, an den aktuellen Präsidenten Axel Lehmann, an Roche-Präsident Severin Schwan – der als ehemaliger Vizepräsident, Lead Independent Director und Mitglied des Risikoausschusses eine besonders starke Rolle hätte spielen können –, den ehemaligen Konzernchef Thomas Gottstein und den aktuellen Chef Ulrich Körner.
Dass die Finma die Bank nun zwingt, Remedur zu schaffen, ist ein Armutszeugnis für alle diese Führungskräfte. Dass es den aktuellen Verantwortungsträgern ernst ist mit Aufräumen, könnten sie nun beweisen, indem sie den Hebel nützen, den ihnen die Aktionäre in die Hand gegeben haben: An der Generalversammlung 2021 beschlossen sie auf Antrag des Verwaltungsrats, die Entlastung der Bankspitze nur teilweise zu gewähren – nämlich unter Ausschluss aller Themen mit Bezug zum Greensill-Skandal. An der Generalversammlung vom vergangenen Jahr verweigerten sie die Entlastung sogar ganz.
Damit könnten die Bankführung und die Aktionäre nun mit Haftungsklagen auf die Verantwortlichen des Schlamassels losgehen. Und wann, wenn nicht nach der Feststellung der Finanzaufseher, dass es kein wirkliches Risikomanagement gab, sollten sie dies tun?
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