Interview mit Rechtsexperte«Die Aussagen des CS-Präsidenten waren ungeschickt und potenziell rechtlich problematisch»
Die Credit Suisse und ihr Präsident Axel Lehmann hätten sich durch Interview-Aussagen unnötig angreifbar gemacht, findet Experte Peter V. Kunz. Nun drohen unangenehme und teure Verfahren.
Die Finanzmarktaufsicht Finma nimmt einem Medienbericht zufolge Interview-Aussagen von Credit-Suisse-Präsident Axel Lehmann unter die Lupe. Im Dezember hatte er in mehreren Interviews erklärt, die massiven Abflüsse bei den Kundengeldern hätten sich abgeflacht, worauf der Aktienkurs stark anstieg. Im Februar gab die Credit Suisse jedoch bekannt, dass es im vierten Quartal erneut zu hohen Geldabflüssen gekommen war. (Lesen Sie hier mehr dazu.) Wir haben dazu mit dem Wirtschaftsrechtsexperten Peter V. Kunz gesprochen.
Herr Kunz, wie bewerten Sie die Aussagen von CS-Präsident Axel Lehmann?
Rechtlich ist die Aussage unter verschiedenen Aspekten problematisch, das ist das Einzige, was heute bereits sicher ist. Ich selbst habe mich bereits im Dezember darüber gewundert, als ich sie gelesen habe. Es gab keine offizielle Stellungnahme der Bank. Man muss sich bewusst sein, solche Aussagen werden nicht leichtfertig gemacht. Sie können davon ausgehen, dass er sorgfältig vorbereitet wurde.
Der CS-Präsident steckte jedoch in einer schwierigen Situation. Wie hätte er sich in den Interviews denn ausdrücken sollen? Im schlimmsten Fall hätte er weitere Abflüsse von Kundengeldern provoziert.
Wenn Sie als Präsident einer Grossbank nichts Klares sagen können oder wollen, müssen Sie antworten wie ein Politiker: schwammig und blumig und wenig konkret. Sie dürfen jedoch keine klare Aussage treffen, die sich möglicherweise später als falsch herausstellen könnte. Verstehen Sie mich nicht falsch: Axel Lehmann ist der richtige Mann für den Job, da bin ich nach wie vor überzeugt davon. Niemand hätte ihm einen Vorwurf gemacht, wenn er während der diversen Interviews im Unbestimmten geblieben wäre. Die Aussagen waren jedoch ungeschickt und potenziell rechtlich problematisch.
«Mit Recht fragen sich die Öffentlichkeit und die Aktionäre einmal mehr, wie gut die Bank ihre internen Interessenskonflikte im Griff hat.»
Was macht die Finma denn jetzt?
Es ist noch unklar, ob die Finma tatsächlich ein sogenanntes Enforcement-Verfahren gegen Axel Lehmann oder die Credit Suisse eröffnet hat. Es ist durchaus üblich, dass die Behörde vor dem eigentlichen Verfahren informelle Gespräche führt oder Vorabklärungen trifft. Da geht es darum, gewisse Sachverhalte zu klären. Entweder kommt es dann zur Eröffnung eines Verfahrens, oder es kann gut sein, dass sich die Behörde zufrieden zeigt und den Fall schliesst.
Welche juristischen Probleme sehen Sie?
Es gibt verschiedene Aspekte: entweder das Thema Marktmanipulation, Kursmanipulation oder die Verletzung der Ad-hoc-Publizität der Schweizer Börse. Die Finma schaut sich wahrscheinlich an, ob es sich bei den Aussagen von Axel Lehmann um Marktmanipulation handelt. Das ist meiner Meinung nach am naheliegendsten. Die Finanzmarktaufsicht muss feststellen, ob das Verhalten der Bank oder ihres Präsidenten zu Verwerfungen beim Börsenkurs geführt hat. Eine Marktmanipulation muss allerdings nicht bedeuten, dass Sie sich damit bereichern wollen. Es geht um öffentlich verbreitete Aussagen, die entweder falsch oder irreführend sind. Die Finma wird also der Frage nachgehen, ob Lehmann selbst oder andere innerhalb der CS hätten wissen müssen, wie es um die Zu- und Abflüsse bei den Kundengeldern steht.
Was geschieht, wenn die Finma Marktmanipulation feststellt?
Dann startet sie ein Enforcement-Verfahren gegen die CS und/oder gegen Axel Lehmann. Im schlimmsten Fall endet ein solches mit einer Verfügung. Für die Bank wäre das sicher peinlich und schlimm für ihre Reputation. Eine Busse hat sie aber nicht zu erwarten, der Finma fehlt die Kompetenz dafür. Der Sachverhalt Marktmanipulation muss aber sicher angeschaut werden, rein aufgrund dessen, was Anfang Dezember gesagt worden ist und wie sich die Zahlen im Februar dann entwickelt haben. Das ist erklärungsbedürftig.
Was deutet auf möglichen Insiderhandel hin?
In diesem Fall könnte dies tatsächlich auch Thema sein. Kursmanipulation und Insiderhandel fallen in die Kompetenz der Bundesanwaltschaft. Dazu ist aber noch nichts publik geworden. Hier geht es um strafbares Verhalten. Das ist ganz ähnlich wie der Tatbestand der Marktmanipulation, mit einem zentralen Unterschied: Sie müssen einen Vermögensvorteil aus der Verbreitung dieser Informationen erhalten.
Medienberichten zufolge soll Axel Lehmann noch im Herbst Aktien der Credit Suisse gekauft haben.
Verheerend wäre, wenn er kurz nach dem Anstieg im Dezember Aktien verkauft hätte. Er hat aber in jedem Fall auch ein persönliches Interesse an einer Steigerung des Aktienkurses.
Hat die Bank ein Kulturproblem?
Mit Recht fragen sich die Öffentlichkeit und die Aktionäre einmal mehr, wie gut die Bank ihre internen Interessenskonflikte im Griff hat. Potenziell drohen der Credit Suisse durch diese neue Baustelle, mit der sie sich völlig unnötig angreifbar gemacht hat, mehrere unangenehme Verfahren, die teuer werden können. Ganz bestimmt helfen sie nicht dabei, kurzfristig das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.
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