Wegen Interview zu Abflüssen von KundenvermögenAxel Lehmann sorgt für zusätzliche Unruhe bei der Credit Suisse
Die Finanzaufseher nehmen Aussagen des CS-Präsidenten wegen möglicher Relevanz für den Aktienkurs unter die Lupe. Ein durch eine Untersuchung geschwächter Präsident käme für die Bank zur Unzeit.
Der Sprung aus den Negativschlagzeilen will der Credit Suisse einfach nicht gelingen. Nun ist die Grossbank ins Visier der Finanzmarktaufsicht geraten. Die Finma überprüfe Interview-Aussagen von Credit-Suisse-Präsidenten Axel Lehmann zur Entwicklung der Kundengelder, berichtet Reuters.
Nach Gerüchten in den Sozialen Netzwerken über mögliche Probleme mit der Liquidität der Grossbank hatten Kunden im Oktober und November massiv Gelder von der Grossbank abgezogen, obschon sich die Gerüchte im Nachhinein als unbegründet erwiesen hatten. Am 1. Dezember hatte Lehmann in einem Interview mit der «Financial Times» gesagt, dass die Geldabflüsse nach dem starken Anstieg im Oktober «völlig abgeflacht» seien und sich «teilweise umgekehrt» hätten.
Einen Tag später, erklärte er gegenüber «Bloomberg Television», dass die Geldabflüsse «im Wesentlichen gestoppt» seien. Laut dem Bericht stiegen die Aktien der Credit Suisse am 2. Dezember um 9,3 Prozent. Wenig später wiederholte der CS-Präsident seine Aussage auch gegenüber dem Schweizer Fernsehen.
Dem war aber nicht so: Bei der Bekanntgabe ihres Jahresergebnisses Anfang Februar zeigte sich, dass Kunden auch im Dezember noch Gelder von der Credit Suisse abgezogen hatten. Für 2022 summierten sich die Abflüsse auf insgesamt 123 Milliarden Franken. Davon entfielen alleine 110,5 Milliarden auf das letzte Quartal, insbesonders in den Bereichen Vermögensverwaltung und dem Geschäft in der Schweiz. Zum Jahresende verwaltete die Grossbank über die gesamte CS hinweg noch Vermögen in der Höhe von 1,3 Billionen Franken - ein Rückgang von knapp 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Für Banken, die in der Vermögensverwaltung tätig sind, ist die Höhe der verwalteten Vermögen ein wichtiger Wert. Daraus leiten sich die Gebühren ab, welche sie für die Verwaltung der Gelder einheben können. In Reaktion auf die höher als erwartet ausgefallenen Abflüsse bei den Kundengeldern brach der Aktienkurs nach Bekanntgabe der Geschäftszahlen um rund 15 Prozent ein.
Möglicherweise irreführende Aussagen
Welche konkreten Schritte die Finma ergriffen hat, ist noch unklar. Die Behörde muss nicht zwingend ein Verfahren gegen Axel Lehmann und/ oder die Credit Suisse eröffnet haben. Es kann sich auch um Vorabklärungen oder spezifische Fragen im Rahmen informeller Kontakte zwischen der Bank und dem Regulator handeln. Die Grossbank selbst kommentiert keine Spekulationen, wie es auf Anfrage heisst.
Im Kern geht es jedoch darum, inwiefern Lehmann sowie andere Vertreter der Grossbank über Zu- und Abflüsse bei den verwalteten Kundengeldern Bescheid wussten, schreibt Reuters unter Berufung auf zwei anonyme Quellen. Die Äusserungen in den Interviews könnten möglicherweise irreführend für Anlegerinnen und Anleger sein. Einer der Quellen aus dem Reuters-Bericht zufolge, sei Lehmann allenfalls nicht korrekt informiert worden, bevor er die Aussagen machte. Die Finma kommentiert eine mögliche Untersuchung nicht.
Wie gross die Unsicherheit rund um die Credit Suisse aktuell allerdings ist, zeigt der Aktienkurs der Grossbank: Nach dem Bericht über die Finma-Untersuchung haben die Aktien mehr als sieben Prozent ihres Wertes verloren. Am Dienstagmittag kostete eine Credit-Suisse-Aktie noch 2.55 Franken - ein neues Rekordtief. Am Nachmittag erholte sich der Preis dann wieder etwas.
Lehmann muss sich kritische Fragen gefallen lassen
Die allzu optimistischen Aussagen von Axel Lehmann führen dem Vernehmen nach auch zu Unruhe im Verwaltungsrat der Grossbank. Diese hätten während einer VR-Sitzung zu kritischen Fragen von anderen Mitgliedern an Lehmann geführt, wie von einer dem Gremium nahestehenden Quelle zu hören ist.
Eine mögliche Untersuchung der Finma könnte die Position von Lehmann innerhalb der Bank schwächen. Für die Grossbank käme eine Schwächung ihres Präsidenten zur Unzeit. Nach hohen Verlusten steckt die Credit Suisse mitten in einem radikalen Umbau. Unter anderem will sie neben der umstrittenen Abspaltung ihrer Investmentbank in die CS First Boston bis 2025 rund 9000 Arbeitsplätze abbauen.
Eine Schwächung ihres Präsidenten durch eine Finma-Untersuchung käme für die Grossbank zur Unzeit.
Nach diversen Skandalen wie dem Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos und des Finanzdienstleisters Greensill Capital wurde der Verwaltungsrat der Grossbank in den vergangenen zwei Jahren umfassend erneuert. Axel Lehmann selbst wurde Anfang 2022 ernannt, um wieder Ruhe in die Bank zu bringen.
Sein Vorgänger António Horta-Osório musste nach wenigen Monaten zurücktreten, unter anderem weil er mitten in der Pandemie die Corona Massnahmen missachtet hatte. Lehmann gilt als erfahrener und kompetenter Banker. Zwischen 2009 und 2021 war er bei der UBS, wo er zuletzt das Schweiz-Geschäft leitete.
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