Bericht zu GreensillWas die Finma der Credit Suisse vorwirft
Nach zweijähriger Untersuchung schliesst die Finanzmarktaufsicht ihr Verfahren gegen die Grossbank im Zusammenhang mit den Greensill-Lieferkettenfonds ab. Nun nimmt sie vier ehemalige CS-Manager unter die Lupe.
Der Kollaps des Finanzunternehmers Lex Greensill im März 2021 zog auch die Credit Suisse mit in den Strudel. Die zweitgrösste Schweizer Bank musste vier Fonds des auf Lieferkettenfinanzierung spezialisierten Australiers im Umfang von insgesamt 10 Milliarden Dollar einfrieren.
Seit damals ist die CS mit Schadensminimierung beschäftigt, auch auf dem Rechtsweg. Betroffene Anleger sollen das investierte Geld zurückerhalten. Eigenen Angaben zufolge hat sie bislang rund 7,4 Milliarden Dollar retour überwiesen.
Wie schätzt die Finma den Greensill-Skandal ein?
Zwei Jahre hat die Finanzmarktaufsicht Finma ermittelt, nun schliesst sie ihr Enforcementverfahren ab. Der Greensill-Skandal fällt hauptsächlich in die Ära des ehemaligen CS-Chefs Thomas Gottstein und des Präsidenten Urs Rohner. In der dazu veröffentlichten Meldung zeichnet die Behörde ein verheerendes Bild von der damaligen Risikokultur der Grossbank. Die CS habe in der Sache in «schwerer Weise gegen aufsichtsrechtliche Pflichten» verstossen und es über Jahre hinweg versäumt, Risiken angemessen zu erfassen. Dabei kam es zu einer «schweren Verletzung von Schweizer Aufsichtsrecht».
Was für Geschäfte hat Greensill eigentlich betrieben?
Lex Greensill, der Gründer der Finanzfirma, galt lange als wahres Finanzwunderkind. Mit seinen Fonds hat sich der Bauernsohn aus Australien auf die Finanzierung von Lieferketten spezialisiert. Diese wurden in Fonds gebündelt und mit Versicherungen gegen einen möglichen Zahlungsausfall abgesichert. Diese legte die CS ihren Kunden dann als sichere Anlagen mit geringem Risiko in ihr Portfolio.
Ab 2017 begann die CS, Geschäfte mit Greensill zu machen. Mit der Zeit wurden diese immer risikoreicher, unter anderem weil der Financier immer mehr Forderungen von Unternehmen mit dubioser Kreditwürdigkeit wie dem britisch-indischen Stahl- und Rohstoffunternehmer Sanjeev Gupta in die Fonds verpackte.
Die Grossbank habe das Ausmass dieser Änderungen zuerst nicht erkannt, schreibt die Finma. Der Finanzunternehmer hatte mehr oder weniger freie Hand: Was genau in den Fonds zu liegen kam, habe de facto nicht die Credit Suisse bestimmt, sondern Greensill selbst.
Auch beim zentralen Versicherungsschutz hat die CS auf Greensill vertraut. Das Problem: Ein Grossteil dieser Absicherungen stammte von nur zwei Gesellschaften – ein Klumpenrisiko. Eine der beiden, Tokio Marine, hatte Greensill bereits 2020 informiert, die Police im März 2021 auslaufen zu lassen. Ohne Versicherung musste die CS die vier Fonds schliessen.
Gab es Warnhinweise?
Ja. Die CS hätte früher reagieren können. Sie ist nicht das erste Finanzunternehmen, das durch den australischen Finanzunternehmer in Schwierigkeiten gerät. Der Schweizer Vermögensverwalter GAM erlitt 2018 ebenfalls mit einem Fonds des Finanzunternehmers Schiffbruch. Investoren zogen in der Folge massiv Gelder ab; GAM hat sich von dem Vertrauensverlust bis heute nicht mehr erholt.
Warnungen oder Kritik von Medienschaffenden im Bezug auf Greensill verhallten bei der CS laut der Finma jedoch ungehört. Auch ihre Fragen wurden nicht unabhängig beantwortet. Gegenüber der Aufsichtsbehörde machte die Grossbank deswegen «teilweise falsche oder zu positive Angaben» zu den Fonds, wie diese in ihrem Bericht festhält.
Ein verheerendes Bild bietet sich zudem, weil die CS Greensill wenige Monate vor dem Kollaps noch einen Kredit von 140 Millionen Dollar vergeben hat. Dies, obschon der zuständige Risikomanager die Vergabe eigentlich ablehnte. Er wurde «von einem hohen Kadermitglied» überstimmt. Dem Vernehmen nach soll es sich dabei um die ehemalige Risikochefin der Grossbank, Lara Warner, gehandelt haben.
Welche Konsequenzen hat dies für die Credit Suisse?
Greensill war 2021 nicht der einzige CS-Skandal. Wenige Monate später musste sie nach dem Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos einen Verlust in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar einräumen. Der Fall zeigte ebenfalls eklatante Defizite im Risikomanagement. Auch hier wurden Risiken systematisch ignoriert, und die Verantwortlichkeiten innerhalb der CS waren unklar.
Seit damals hat die Grossbank nahezu ihre komplette Führungsriege ausgetauscht. Die CS teilt mit, dass zusätzlich weitere Massnahmen ergriffen worden seien, etwa «bedeutende Investitionen bei Risk und Compliance», und in Weiterbildungen betreffend Risikokultur innerhalb der gesamten Organisation investiert habe.
Offenbar zu wenig für die Finma. Sie reagiert scharf. CS muss künftig ihre Verantwortlichkeiten klar darlegen. Konkret: Auf Stufe Geschäftsleitung müssen regelmässig die wichtigsten rund 500 Geschäftsbeziehungen der Bank namentlich auf Gegenparteirisiken überprüft werden. Und: «Die Verantwortlichkeitsbereiche der (rund 600) höchsten Manager der Bank müssen künftig in einem Verantwortlichkeitsdokument festgehalten werden», schreibt die Finma weiter. Das betrifft weit mehr als nur das Topmanagement der Bank, sondern umfasst auch tiefere Hierarchiestufen. Zur Kontrolle schickt sie der Grossbank erneut einen Aufpasser ins Haus.
Werden auch einzelne Manager zur Verantwortung gezogen?
Ja. Die Finma eröffnet Verfahren gegen vier ehemalige Manager der Grossbank. Ein solches Enforcementverfahren kann maximal mit einem Berufsverbot von bis zu fünf Jahren enden.
Um wen es sich im konkreten Fall handelt, gibt die Aufsicht nicht bekannt. Greensill wie Archegos hatten Änderungen im CS-Management zur Folge. Neben den eigentlichen Fondsmanagern mussten auch Eric Varvel, der Chef des Asset Management, und die Risikochefin Lara Warner sowie Michael Degen, Chef Schweiz und Europa im Asset Management, die Bank verlassen.
Gibt es für die CS auch finanzielle Konsequenzen?
Momentan beträgt das Loch in den Fonds rund 2 Milliarden Dollar. Der Betrag kann sich noch vermindern, je nachdem, wie viel die CS von den ausstehenden Forderungen noch eintreiben kann.
Seitens der Finma drohen ihr in der Causa keine finanziellen Konsequenzen. Diese kann keine Bussen gegen fehlbare Manager oder Finanzinstitute verhängen. Eine Gewinneinziehung hat sie im aktuellen Fall nicht verfügt, auch wenn sie dies bei einer schweren Verletzung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen tun kann. Wie die Credit Suisse schreibt, wird die Umsetzung der zusätzlichen Massnahmen voraussichtlich keine erheblichen Kosten zur Folge haben.
Offen ist, wie es mit Zivilklagen weitergeht. Einige sind bereits hängig. Auch haben die Aktionäre dem Verwaltungsrat an der Generalversammlung 2022 die Entlastung in Bezug auf Greensill verweigert. Die CS-Führung wird die Altlast nicht so rasch wie gewünscht ad acta legen können.
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