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Umbau zum Ökokonzern
Klimawandel und drohende Methansteuer zwingen Nestlé zum Kurswechsel

Neue Coop laden in Seewen SZ, fotografiert am 15. Mai 2018.
(KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Nestlé ist der weltweit grösste Lebensmittel- und Getränkekonzern, und genau das ist sein Problem: Schon immer stand Nestlé deswegen in der Kritik von Umweltschützern, doch kein Boykott brachte ihn zu einem Kurswechsel. Das hat sich geändert.

Nun ist es der Konzern selbst, der einen Wandel der Essgewohnheiten will: Die Menschen sollten weniger Fleisch essen, sagte der Nestlé-Chef in einem Interview. Mark Schneider wirbt für pflanzenbasierte Proteine und folgt dabei dem Trend der Konsumentinnen und Konsumenten. Aber: Er muss ihn auch wegen des Klimawandels und einer drohenden Methansteuer beschleunigen.

Mark Schneider, CEO de Nestlé, Vevey, Suisse, le 01 octobre 2021.

Das Vertrackte: Zum Kerngeschäft des Konzerns gehören Milchprodukte. Die Forscher und Marketingleute aus Vevey VD waren es, die aus lokalen Molkereierzeugnissen unverwechselbare Weltmarken wie LC1-Joghurt oder Milo-Pulver machten.

Die mit viel Werbung aufgebauten Milch- und Eiscrememarken tragen 11 Milliarden zum Gesamtumsatz von 93 Milliarden bei. Im vergangenen Jahr ist er um 1,5 Prozent gesunken, wie Nestlé am Donnerstag Morgen bekannt gab.

Mehrere Staaten denken über Steuer für Methan nach

Doch der Klimawandel bedroht Nestlés Sortiment: Der Konzern ist auf der einen Seite abhängig von der Landwirtschaft, die durch Trockenheit und den Rückgang der Biodiversität gefährdet ist. Auf der anderen Seite fürchtet Nestlé steigende Steuerabgaben für Klimagase.

Der Methanausstoss von Kühen ist ein Klimaproblem, einige Staaten wollen das Klimagas Methan besteuern. Weltweit müssen diese Emissionen bis 2050 laut Szenarien des Weltklimarates IPCC um mindestens 50 Prozent gesenkt werden.

An der Börse bekommt Nestlé – die wichtigste Aktie der Schweiz mit einem Börsenwert von rund 260 Milliarden Franken – aus anderen Gründen Druck. Anlegerinnen und Anleger sorgen sich wegen sinkender Verkäufe, wegen der Teuerung weltweit. Seit Herbst pendelt der Titel um ein Mehrjahrestief.

Der um 20,9 Prozent höhere Reingewinn von 11,2 Milliarden Franken im vergangenen Jahr erhält da besonderes Gewicht.

Es ist jedoch der Klimawandel, der Nestlés Zukunft bestimmen wird. «Nach Verkehr, Wohnen und der Industrieproduktion weist die Nahrungsmittelproduktion, vor allem der Agrarsektor, einen grossen CO₂-Fussabdruck auf», sagt Patrik Schwendimann.

Der Finanzanalyst der Zürcher Kantonalbank verfolgt Nestlé seit 25 Jahren und lässt seit einigen Jahren eine Bewertung der Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekte in seine Bewertung des Konzerns einfliessen.

«Da schneidet Nestlé insgesamt vergleichsweise gut ab, mit Stärken bei der Corporate Governance und teilweise bei den sozialen und den Umweltaspekten.» Bei den Themen Klimawandel und Treibhausgaseffekt sowie Umweltverschmutzung gebe es aber Verbesserungspotenzial.

Das Klimaproblem von Nestlé liegt nicht in der eigenen Produktion. 96 Prozent der Treibhausgase entstehen ausserhalb des Unternehmens, wie eben bei der Milchproduktion. Die Umstellung auf vegane Joghurts liegt jedoch laut Schwendimann nicht in der Hand des Konzerns, sondern ist davon abhängig, was Konsumentinnen und Konsumenten kaufen: «Nestlé wird entsprechend der Nachfrage sein Sortiment kontinuierlich anpassen», sagt Schwendimann.

Derweil ist der Konzern davon abhängig, dass die Land- und Milchwirtschaft klimafreundlicher produziert.

Um das zu fördern, betreibt Nestlé eine Reihe von Öko- und auch Sozialprojekten: In der Schweiz testen in Zusammenarbeit mit dem Milchverarbeiter Emmi 250 Bäuerinnen und Bauern, wie sich Klimagase bei der Milchproduktion um 20 Prozent verringern lassen.

Greenpeace fordert deshalb von Nestlé, die Zahl der Tiere in seiner Versorgungskette drastisch zu senken und die Menge der pflanzlichen Alternativen in seinem Portfolio zu erhöhen.

Nestlés Ziel ist, seine Treibhausgasemissionen bis nächstes Jahr um 20 Prozent zu verringern und bis 2030 zu halbieren. Klimaneutral will der Konzern 2050 sein.

Um diese Ziele zu erreichen, setzt Nestlé auch auf neue Bäume. Der Konzern will weltweit bis 2030 ¨über 200 Millionen pflanzen. Hierfür schliesst er Verträge mit Bäuerinnen und Bauern ab, die über 25 Jahre laufen. Um die CO₂-Ersparnis tatsächlich zu erreichen, müssen die Bäume jedoch stehen bleiben.

Nestlé ohne Wasser und Schokolade?

Doch der Konzern hat noch weitere Probleme, die über die Klimafrage und ein mehr und mehr veganes Sortiment weit hinausgehen. Finanzanalyst Schwendimann geht davon aus, dass sich Nestlé in den nächsten zehn Jahren von seinem Wasser- und Schokoladengeschäft trennt.

«Neben einer vergleichsweise tieferen Gewinnmarge und einem langfristig unterdurchschnittlichen Wachstum bieten diese Bereiche auch vergleichsweise grössere Angriffsflächen bei Umwelt- und Sozialthemen.»

Der Konzern hat zwar kürzlich einen veganen Kitkat-Schokoriegel lanciert. Bei der Kakaoproduktion bleibt die Kinderarbeit jedoch ein Problem für die Branche. Und beim Geschäft mit abgefülltem Wasser besteht das Problem des Plastikabfalls und der langen Transportwege.

«Wir arbeiten hart daran, die Menge an Plastikverpackung zu reduzieren», sagt eine Nestlé-Sprecherin. Der Konzern will bis kommendes Jahr ein Drittel weniger neuen Plastik verwenden.

Nestlé setzt vor allem auf Recycling. Viel besser sind jedoch laut Greenpeace Wiederverwendungs- und Nachfüllsysteme. Und da stehe Nestlé im Vergleich zu den anderen weltweiten Getränkekonzernen Coca-Cola, Starbucks und PepsiCo schlecht da.