Mineralwasser von Nestlé«Es war ein Fehler, diese Filter in Henniez zu verwenden»
Das meistkonsumierte Flaschenwasser der Schweiz wurde bis 2022 verbotenerweise mit Aktivkohle gefiltert. Nun erklärt sich Nestlé Waters, der Besitzer der Waadtländer Quelle.
Auf der einen Seite fliesst der Bach La Râpe, auf der anderen die Tremeule. Sie begrenzen die Domaine d’Henniez, die seit 2008 Nestlé Waters gehört. Das waldreiche, 120 Hektaren grosse Wiesengelände wird ohne Pestizide bewirtschaftet und umfasst das 60 Hektaren grosse Wassereinzugsgebiet, das unter Schutz steht. Es ist Teil eines grösseren Ökologiekonzepts von Nestlé, genannt ECO-Broye. Dieses soll verhindern, dass Pestizidrückstände im Henniez-Wasser landen.
Reicht es aus, um Pestizidrückstände zu verhindern? Nicht unbedingt – oder noch nicht. Im Zuge eines Wasser-Skandals in Frankreich gab Nestlé Waters Schweiz letzte Woche in der Westschweizer Zeitung «Le Temps» zu, dass das Unternehmen sein Wasser mit Aktivkohle gefiltert hatte. Ein Verfahren, das 2022 nach jahrelangem Gebrauch gestoppt wurde.
Denn: Die Behandlungsmethode ist illegal.
Sicherheit der Lebensmittel
Vergangene Woche leitete die Staatsanwaltschaft im französischen Épinal eine Voruntersuchung wegen Irreführung gegen Nestlé Waters ein. Denn natürliches Mineralwasser muss frei von Stoffen sein, die durch menschliche Aktivitäten entstanden sind. Das heisst: Im Gegensatz zu Leitungswasser darf Mineralwasser nie chemischen Reinigungsverfahren unterzogen werden. Das gilt auch in der Schweiz. Nur hinterlassen Pestizide und andere Mittel Spuren im Quellwasser.
«Alles, was getan wurde, geschah immer mit der Absicht, die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten und damit die Verbraucher zu schützen», sagt Eugenio Simioni, Direktor von Nestlé Schweiz, als ihn diese Redaktion am Montag trifft. «Diese wahrscheinlich übertriebene Sorge um die Qualität hat dazu geführt, dass wir den gesetzlichen Rahmen aus den Augen verloren haben, bis diese Filtersysteme als nicht konform erklärt wurden.» Und er räumt ein: «Auch wenn die Absicht gut war, war es ein Fehler, diese Kohlefilter zu verwenden.»
Für die über 200 Mitarbeiter bei Nestlé Waters, von denen etwa 100 in der Fabrik beschäftigt sind, waren die Enthüllungen der letzten Tage schwer zu schlucken. Es bestand latent der Eindruck, dass das produzierte Wasser schmutzig oder kontaminiert gewesen sein könnte. «Aktivkohle verändert die Mineralisierung des Wassers nicht. Ausserdem hat sich die Zusammensetzung auf dem Etikett nie geändert», sagte Alessandro Rigoni, Direktor von Nestlé Waters Schweiz.
Filter war jahrelang im Einsatz
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat kürzlich über die neuen EU-Richtlinien zum Umgang mit anthropogenen Stoffen in natürlichem Mineralwasser informiert. Das sind Stoffe, die durch Menschen in die Umwelt kamen und schwer biologisch abbaubar sind. «Mit den Filtern waren wir bei 0, also konnten wir all diese Rückstände auffangen. Aber unser Verfahren entsprach nicht den Vorschriften. Heute halten wir die Regeln ein, aber unser Wasser kann mögliche Spuren von Rückständen enthalten», sagt Simioni.
Die Kohlefilteranlage, die 2020 bei einer Kontrolle des Amtes für Verbraucherschutz (OFCO) des Kantons Waadt entdeckt wurde, «war seit mehreren Jahren installiert», erklärte der Kantonschemiker Christian Richard vergangenen Freitag. Sie wurde installiert, nachdem Nestlé Henniez 2008 von der Familie Rouge übernommen hatte. Parallel dazu wurde das Projekt Eco-Broye ins Leben gerufen. «Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Aber da das Sickerwasser sieben bis zehn Jahre braucht, bis es unsere Wasserfassungen erreicht, dauert es eine Weile, bis die Früchte geerntet werden können», sagt Alessandro Rigoni.
Die Filteranlage wurde noch zwei Jahre lang genutzt, bevor sie Ende 2022 abgebaut wurde. «Wir haben unsere Argumente dem Lebensmittel- und Veterinäramt vorgelegt, um diese Methodik, die nur die schädlichen Stoffe entfernt, zu validieren. Ende 2021 kamen sie zu dem Schluss, dass es sich bei unserem System um Adsorption und nicht um zulässige Filtration handelt», sagt Rigoni. Bis Ende 2022 sei ein Deaktivierungsplan gelaufen.
Im Rahmen des Eco-Broye-Programms verstärkte Nestlé Waters Schweiz seine Arbeit vor Ort noch weiter, indem es das Projekt Agreauconseil entwickelte. Dieses bietet den teilnehmenden Betrieben eine spezifische Diagnose durch einen Agronomen und technische Unterstützung vor Ort, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
«Etwa zwanzig landwirtschaftliche Betriebe arbeiten mit uns zusammen», sagt Rigoni. «Auf der einen Seite tauschen sie sich untereinander aus.» Zudem habe Nestlé Waters modernere landwirtschaftliche Maschinen finanziert, die es ermöglichten, auf bestimmte Chemikalien zu verzichten.
«Es ist legitim, dass wir wütend sind»
Reicht das, um ein Misstrauen der Verbraucher zu vermeiden? Sophie Michaud Gigon, Generalsekretärin des Westschweizer Konsumentenverbands, sagte am Donnerstag im Westschweizer Fernsehen RTS, dass «wir einen klaren Fall haben, in dem das Vertrauen gebrochen ist. Es ist legitim, dass wir wütend sind.»
Nestlé-Direktor Simioni sagt: «Natürlich ist es nicht schön, solche Worte zu hören, aber ich kann verstehen, warum Frau Michaud Gigon zu diesem Schluss kommt.» Es sei ihm ein Anliegen, den Verbrauchern zu versichern, «dass die mineralische Zusammensetzung unseres Wassers aus Henniez zu 100 Prozent mit den Angaben auf dem Etikett übereinstimmt».
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