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Rumänischer Arzt in Basel
«Iischnuufe» statt «einatmen»: Stefan Gherca findet den Draht zu seinen Schweizer Patienten

Stefan Gherca, ein Arzt aus Rumänien, geht entlang eines modernen Gebäudes.
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In Kürze:
  • Ein akuter Ärztemangel erfordert bis 2040 rund 5500 zusätzliche Mediziner in der Schweiz.
  • Der rumänische Radiologe Stefan Gherca arbeitet seit zwei Jahren am Unispital Basel.
  • Seine Deutschkenntnisse ermöglichten ihm den beruflichen Einstieg in deutschsprachigen Ländern.
  • In Schweizer Spitälern schätzt er die moderne technische Ausstattung der Radiologie.

41,3 Prozent der in der Schweiz berufstätigen Ärztinnen und Ärzte haben ihr Medizinstudium im Ausland absolviert und abgeschlossen. Diese Zahlen, welche der Berufsverband der Schweizer Ärzte (FMH) in seiner neusten Ärztestatistik publizierte, zeigt: Ohne sie würde unser Gesundheitssystem zusammenbrechen, denn die Schweiz bildet zu wenige Ärztinnen aus.

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens PWC fehlen der Schweiz bis im Jahr 2040 rund 5500 Ärzte. Die Lücken füllen Medizinerinnen und Mediziner aus dem Ausland – Tendenz steigend. Die Mehrheit stammt aus Deutschland und Österreich, aber es sind auch vermehrt Ärztinnen und Ärzte aus Osteuropa hierzulande tätig, etwa aus Rumänien, Polen oder Ungarn. In absoluten Zahlen arbeiteten 2023 in Basel-Stadt 888 ausländische Ärzte, in Baselland 440.

Stefan Gherca ist einer von ihnen. Der 33-jährige Rumäne arbeitet seit fast zwei Jahren in der Radiologie am Universitätsspital Basel (USB). In bestem Hochdeutsch erzählt Gherca, wie er hierherkam. Deutsch hat er schon in Iași gelernt. In der Universitätsstadt nahe der moldauischen Grenze ist er aufgewachsen und hat auch dort studiert. «Eigentlich hatte sich mein Bruder für den Deutschkurs angemeldet. Weil er ihn aber dann nicht besuchen konnte, bin ich an seiner Stelle reingerutscht», so Gherca.

Unterschiede in der Radiologie-Ausstattung

Die Sprachkenntnisse wurden ihm während des Studiums und zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn nützlich. Gherca verbrachte ein Erasmus-Jahr in Freiburg im Breisgau und absolvierte später Praktika in Deutschland und der Schweiz. Ihn zog es früh ins Ausland: «Ich wusste schon lange, dass ich auswandern möchte», sagt der Arzt, der sich auf das Fachgebiet der Radiologie spezialisiert hat. Ein Grund, den er nennt, ist der Wunsch, Neuland zu entdecken. «Das wollen doch viele jungen Menschen.»

Gherca sagt aber auch, dass seine Entwicklungsmöglichkeiten als Radiologe in Rumänien eingeschränkter gewesen wären: «Es gibt Unterschiede in den Weiterbildungsmöglichkeiten und der Ausstattung der Krankenhäuser, insbesondere wenn man sich auf Radiologie spezialisieren möchte, da die technische Ausstattung hier eine entscheidende Rolle spielt.»

Stefan Gherca, ein rumänischer Arzt am USB, auf einem Gehweg neben einem modernen Gebäude, thematisiert die Zunahme ausländischer Ärzte in der Schweiz.

Vor sieben Jahren trat Gherca seine erste Stelle gleich nach Abschluss des Studiums in der Schweiz in einem «peripheren Spital» an. Er habe gewusst, dass er ohne Vorkenntnisse nicht direkt in einem grossen Spital anfangen könne. Sein Deutsch sei damals noch weniger fliessend gewesen, und vor allem verstand er das Schweizerdeutsch noch nicht so gut wie heute. «In kleineren Spitälern erwarten die Patienten eher, dass man Dialekt versteht», so der Arzt, der sich an verschiedenen Stellen in kleinen und mittleren Spitälern die Sporen abverdient hat.

Dennoch, Ablehnung oder gröbere Missverständnisse erlebte Gherca keine, seit er hier ist. Einmal habe ein Patient von einem «Blutschwamm» gesprochen – einer gutartigen Wucherung der Blutgefässe. Gherca war nur der Fachbegriff – Hämangiom – geläufig, weshalb es etwas dauerte, bis er begriff, wovon sein Patient redete. «Manchmal war auch Pflegepersonal anwesend, das ich fragen konnte, wenn ich sicher sein wollte, den Patienten richtig zu verstehen.» Er selbst hat mittlerweile einige Dialektausdrücke in seinen Wortschatz aufgenommen, damit er schneller verstanden wird. Zu Schweizerdeutsch sprechenden Patienten sage er etwa «bitte iischnuufe und ussschnuufe» statt des hochdeutschen «ein- und ausatmen».

Die Schweiz ist kein Schlaraffenland

Der Radiologe fühlt sich wohl in der Schweiz und an seinem Arbeitsplatz. Im Unispital kommen viele der Ärzte nicht aus der Schweiz. Tatsächlich stammen gemäss Angaben des Spitals rund die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland. Die häufigsten Herkunftsländer sind Deutschland (75 Prozent aller ausländischen Ärzte), gefolgt von Österreich und Italien. «Der Rest verteilt sich jeweils ausgeglichen auf die Länder der westlichen EU – Frankreich, Spanien, Luxemburg, Niederlande – sowie der östlichen und südlichen EU, Griechenland, Polen, Litauen, Bulgarien, Rumänien und Tschechien», schreibt das USB.

Gherca hat den Eindruck, dass man sich in Basel an das internationale Personal gewöhnt hat. Mit einigen rumänischen Kollegen habe er Kontakt, aber aktiv gesucht hat er ihn nicht. «Ich versuchte von Beginn an, Einheimische kennen zu lernen. In seinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es denn auch einige Deutsche und Schweizer. Einige davon hat er über seine Freundin kennen gelernt, die ebenfalls Schweizerin ist.

Stefan Gherca, ein rumänischer Arzt am Universitätsspital Basel, steht vor einem modernen Gebäude. Thema: Zunahme ausländischer Ärzte in der Schweiz.

Unter Arbeitskollegen gebe es zwar Anspielungen wie «ihr aus dem Ostblock», aber das geschehe eher auf humorvoller Ebene. «Mit Freunden spreche ich schon über die Unterschiede in Rumänien und der Schweiz.» Gegenüber Patienten bleibt er aber lieber auf fachlicher Ebene. «Man kann ein Gespräch in eine Richtung lenken, in der Fragen über mein Heimatland keine Rolle spielen», sagt er diplomatisch. Man merkt, der Radiologe will fachlich und sachlich beurteilt werden und nicht aufgrund seiner Herkunft. «Wenn man seine Arbeit gut macht, zählt nur das.»

Der Rumäne hat seinen Lebensmittelpunkt definitiv in der Schweiz gefunden – eine Rückkehr in das medizinische System seines Heimatlandes ist für ihn kein Thema. In kleineren Spitälern herrsche dort – wie auch hier – Ärztemangel, «in grossen Häusern ist es hingegen schwierig, eine Stelle zu finden». Die Abwanderung der eigenen Spezialisten ist laut Gherca spürbar, weshalb viele Ärzte aus Moldau in Rumänien arbeiteten.

Der Rumäne sieht in dieser Verschiebung weniger ein Problem als mehr ein Leistungsausweis für jene, die wie er im Ausland Fuss gefasst haben. Es stimme, dass man in der Schweiz gut leben könne, aber «ich arbeite mehr als meine Kollegen in Rumänien. Die Schweiz ist nicht das Land, in dem Milch und Honig fliessen, zumindest nicht gratis.»