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Reaktion auf Keller-Sutters Pläne
ETH-Rektor kritisiert Spardruck: «Unsere Hochschulen werden sich an das US-System angleichen»

Prof. Günther Dissertori, Rektor der ETH Zürich, posiert im Anzug vor dem ETH Zentrum in Zürich am 31. März 2022.
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Das Geld ist beim Bund knapp – darum hat Finanzministerin Karin Keller-Sutter ein «Entlastungspaket» schnüren lassen. Mit Folgen für die Schweizer Unis: Ab 2027 soll der Bereich Bildung jährlich 460 Millionen Franken sparen. Rund 200 Millionen, also fast die Hälfte davon, sollen die Studierenden übernehmen, und zwar durch höhere Semestergebühren. An der ETH könnten Schweizer Studierende künftig 3800 Franken pro Jahr zahlen – für ausländische Studierende könnte das Studium sogar 11’400 Franken jährlich kosten.

Der Bund schlägt vor, die Gebühren für inländische Studierende zu verdoppeln und für ausländische Studierende zu vervierfachen, um eine signifikante Budgetkürzung zu finanzieren. ETH-Rektor Günther Dissertori sieht dabei einige Schwierigkeiten. Im Vorschlag seien etwa die Doktorierenden eingerechnet, obwohl diese gar keine Gebühren bezahlten.

Studiengebühren könnten erheblich ansteigen

Wie bereits beschlossen, werden die Studiengebühren ab Herbst 2025 für ausländische Studierende gegenüber den inländischen Studierenden verdreifacht. Beim Vorschlag des Entlastungspakets würden auch die Gebühren für inländische Studierende von heute 1460 auf 3180 Franken steigen.

Wenn sich die Schweiz im Rahmen der bilateralen Verhandlungen verpflichtet, die Studierenden aus dem EU-Raum gleich zu behandeln, könnten sich die Gebühren gar auf 3800 Franken erhöhen. «Für Familien, in denen vielleicht sogar mehrere Kinder studieren, könnte das zu einer erheblichen finanziellen Belastung werden», so Dissertori.

Für ausländische Studierende aus Drittstaaten fällt die Erhöhung noch stärker ins Gewicht. Sie würden künftig mit 11’400 Franken pro Jahr siebenmal mehr zahlen als heute. Das betrifft an der ETH rund 40 Prozent der Studierenden. Bei der EPFL, dem Westschweizer Pendant in Lausanne, sind es sogar 60 Prozent.

«Erster Schritt in Richtung Privatisierung des Bildungssystems»

Günther Dissertori spricht von einem «Paradigmenwechsel». Der ETH-Rektor meint besorgt: «Die Massnahme ist ein erster Schritt in Richtung Privatisierung des Bildungssystems.» Für Dissertori ist klar: Ein solch weitgehender Entscheid müsse im Rahmen einer breiten gesellschaftlichen Debatte gefällt und nicht aufgrund einer kurzfristigen Sparübung entschieden werden.

Denn die Einführung der höheren Gebühren habe weitreichende Folgen. «Unsere Hochschulen würden sich früher oder später an das US-System angleichen», davon ist Dissertori überzeugt. Wenn Studierende eine so hohe Summe für ihre Ausbildung zahlten, würden sie im Umkehrschluss auch erwarten, ein Diplom zu erhalten.

Damit könnte die Leistungsbereitschaft der Studierenden sinken. «Sie werden zu Kunden und Kundinnen – und die Hochschule gerät in eine Bringschuld.» Das schwäche das hohe Engagement, welches die ETH-Studierenden heute aufbrächten.

Will die ETH den Plänen des Bundes gerecht werden, muss sie insgesamt 78 Millionen Franken einsparen. Da die Hochschule auch von geplanten Kürzungen beim Schweizerischen Nationalfonds, bei der Innosuisse sowie in weiteren Bereichen betroffen ist, würden insgesamt bis zu 125 Millionen Franken fehlen. Die Kürzung der ETH-Gelder kann der Bundesrat bereits 2026 einführen. Der Vorschlag muss aber noch vom Parlament bestätigt werden.

«Nicht im Sinne der Chancengleichheit»

Aktuell machen die Studiengebühren fünf Prozent der Lebenshaltungskosten der ETH-Studierenden aus. Diese Zahl würde sich künftig erheblich erhöhen. Für die Schweizer Studierenden würden die Gebühren dann zwölf Prozent ausmachen, für die ausländischen sogar dreissig Prozent. ETH-Präsident Joël Mesot sagt: «Dies wäre nicht im Sinne der Chancengleichheitt. Wir möchten schliesslich verhindern, dass sich nur noch Studierende aus gut verdienenden Familien ein Studium bei uns leisten können.»

Mesot nahm sich am Dienstag vor den Medien selbst als Beispiel. «Ich komme nicht aus einer universitären Familie. Als Student musste ich drei verschiedenen Nebenjobs nachgehen. Hätten die Gebühren damals ein Mehrfaches betragen, hätte ich mir ein Studium an der ETH nicht leisten können.»

ETH will Defizit mit zusätzlichen Schenkungen abfedern

Wenn die Kürzung des Entlastungspakets komme und die ETH diese nicht über Studiengebühren kompensiere, werde die Hochschule Leistung und Aufgaben zurückfahren müssen. Um welche es sich handle, könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Es sei aber klar, dass die Qualität von Lehre und Forschung darunter leiden würde.

Gleichzeitig hat Mesot einen anderen Plan: Er will noch mehr Geld in Form von Schenkungen ins Haus holen. «Wir werden schauen, dass wir Budgetkürzungen zum Teil mit zusätzlichen Donationen kompensieren können.» Die ETH hat 2024 rund 162 Millionen Franken an Schenkungen erhalten. Das Geld kommt von Privatpersonen, Stiftungen und Firmen.