Illegale Filter bei HenniezWie sauber ist unser Mineralwasser?
Die anderen grossen Hersteller filtern ihre Produkte nicht – und verweisen auf die unberührte Natur, der die Quellen entspringen. Da gibt es allerdings Fragezeichen.
Eines der beliebtesten Flaschenwasser der Schweiz, Henniez, wurde bis 2022 verbotenerweise mit Aktivkohle gefiltert. Die Nestlé-Tochterfirma wollte mit diesem illegalen Verfahren sicherstellen, dass keine Pestizidrückstände in ihrem Mineralwasser stecken. Das wirft Fragen auf:
Ist das illegale Verhalten von Nestlé ein Einzelfall?
Die Hersteller der anderen grossen Mineralwassermarken der Schweiz versichern, dass sie ihre Produkte nicht filtern, um unerwünschte Rückstände zu verhindern. Bei Aproz, das seit den 1950er-Jahren der Migros gehört, sei das gar nicht nötig. Weil sie das Wasser aus Quellen in den Walliser Bergen bezögen, hätten sie «einen guten natürlichen Schutz», sagt Migros-Sprecher Tristan Cerf.
Ähnlich klingt es aus Graubünden, wo gleich zwei der hierzulande beliebten Quellen sprudeln. «Rhäzünser Mineralwasser ist mikrobiologisch einwandfreies Wasser, welches aus einer vor Umwelteinflüssen geschützten Quelle stammt», sagt Gaby Gerber, Kommunikationschefin bei Feldschlösschen, dem das Rhäzünser Mineralwasser gehört. Es sei deshalb nicht nötig, das Wasser «zum Zweck einer Hygienisierung oder Veränderung seiner wesentlichen Bestandteile» zu filtern.
Man halte sich ans Gesetz, heisst es beim Coca-Cola-Konzern, dem Besitzer des ebenfalls in Graubünden beheimateten Valser-Wassers: «Unsere Mineralwasser entsprechen voll und ganz den Anforderungen der geltenden Gesetze und Vorgaben, wie sie in der Getränkeverordnung festgelegt sind.»
Wieso ist bei Mineralwasser der Einsatz von Filtern verboten?
Die Verordnung verbietet chemische Reinigungsverfahren. Es geht um den Unterschied zwischen natürlich reinem Mineralwasser und Leitungswasser. Darauf pocht namentlich die heimische Mineralwasserindustrie, die zunehmend Mühe bekundet, ihre Produkte abzusetzen.
Wie ist es bei Hahnenwasser?
Leitungs- oder Hahnenwasser darf nicht nur gefiltert werden, sondern muss es auch. Es kann aus gefiltertem Grund-, Quell-, See- oder Flusswasser bestehen – oder aus einer Mischung davon. Damit die Qualität gleich bleibt, kann es chemisch mit Chlor oder Ozon behandelt werden. Oder physikalisch mit ultravioletten Strahlen oder Filtern.
Ist das Filterverbot bei Mineralwasser sinnvoll?
Würde man auf diesen Unterschied verzichten, «würde man die Idee aufgeben, dass Mineralwasser einen höheren Eigenwert hat und von Natur aus rein ist», sagt Patrick Edder. Der Genfer Kantonschemiker ist Vizepräsident des Verbands der Kantonschemiker der Schweiz.
Der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas ist Präsident der Interessengemeinschaft Mineralwasser, die sich unter anderem «für ein besseres Verständnis der besonderen qualitativen Eigenschaften von natürlichem Mineralwasser» einsetzt. Er weist darauf hin, dass Mineralwasser als Naturprodukt schlechthin gelte. Deshalb müsse es an der Quelle in Flaschen abgefüllt werden, damit es während des Transports geschützt bleibe. «Wenn wir damit beginnen, natürliches Mineralwasser zu behandeln, wird es immer schwieriger, dieses kostbare Gut als reines Naturprodukt zu verkaufen», sagt der ehemalige Nationalratspräsident.
Ist Mineral- weniger sauber als Hahnenwasser?
Grundsätzlich gilt: Beide Arten sind hygienisch unbedenklich. Gemäss dem Schweizer Lebensmittelrecht sind die Mineralwasserhersteller dafür verantwortlich, dass ihre Produkte alle lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllen. Und die Kantonschemikerinnen und -chemiker für die Kontrolle.
Edder räumt ein, dass Mineralwasser unter Umständen weniger sauber ist als Leitungswasser. Denn dieses wird mit Verfahren behandelt, die fast alle Mikroverunreinigungen beseitigen. Zum Beispiel wird das Seewasser in Genf mit Sandfiltern, durch den Einsatz von Ozon und Aktivkohlefiltern gereinigt, und so werden alle Keime getötet.
Daher könne Leitungswasser heutzutage weniger Pestizide enthalten als Grundwasser oder sogar als Mineralwasser, sofern dieses verunreinigt wurde, sagt der Genfer Kantonschemiker. «Was das Vorhandensein von Pestiziden betrifft, fallen die Qualitätsunterschiede zwischen Mineral- und Leitungswasser nicht immer zum Vorteil des Mineralwassers aus.»
Die Stiftung für Konsumentenschutz stellt derweil den Schutz der Gesundheit über alles. «Falls Mineralwasser nicht mehr anders sicher abgefasst werden könnte, müssten die gesetzlichen Bestimmungen geändert und bekannt gemacht werden», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder. Dann dürfte man es aber nicht mehr «Mineralwasser» nennen, sondern «Filterwasser».
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