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Jugend-Getränk Air-up
So teuer kann Wassertrinken sein

Air-up-Flaschen: Für ein deutsches Start-up in China produziert.

Unsere Kids schlittern in die Abhängigkeit: Fast ununterbrochen hängen sie an den Mundstücken. Ziehen wieder und wieder daran, sodass ihre Backen einfallen. Leise blubbert es währenddessen im Wasserbehältnis … Gott sei Dank ist hier nicht von Shishas oder anderem Rauchzeugs die Rede – sondern von Air-up.

Zehntausende Schweizer Kinder und Jugendliche haben sich das neue Trinksystem zu Weihnachten gewünscht. Damit lässt sich Leitungswasser mit verschiedenen Geschmacksaufsätzen aromatisieren. Bei Tausenden lag es denn wohl am Ende auch unter dem Tannenbaum: Im September kommunizierte das 2019 gegründete Start-up eine Umsatzprognose von 100 Millionen Euro für die nächsten zwölf Monate, in der Schweiz sei man am stärksten gestartet. (Lesen Sie hier mehr zum Schweizer Start)

Design wie bei Apple und Nike

Eine Art «Partytrick» liegt dem System zugrunde: Mittels einer winzigen «undichten» Stelle im Verschluss wird das Wasser beim Saugen so mit Luft angereichert, dass man den Geschmack des jeweiligen Aufsatzes, Pod genannt, retronasal wahrnimmt. Im Mund hat man aber weiterhin blosses Wasser. Das Design von Flasche und Verpackung ist übrigens irgendwo in der Apple- und Nike-Formenwelt angesiedelt, dies mit Erfolg. Die Trinkflaschen sind das neue Must-have der Teenager, nach iPhones, «Pokémon Go», Fidget Spinner und wie sie alle heissen.

Ist doch eine gute Sache, wenn junge Menschen genug Flüssigkeit trinken, könnte man sagen. Es gibt doch genügend Kids, die viel zu wenig Wasser zu sich nehmen. Doch darf man hier trotzdem Fragezeichen setzen: Belohnen Sie Ihr Kind immer mit einem Schoggistängeli, wenn es die Hausaufgaben erledigt hat? Natürlich nicht, denn «Ufzgi» muss man halt einfach machen.

Und so ist es auch mit der Wasserzufuhr – sie gehört einfach dazu. Es ist darum pädagogisch verkehrt, der Tochter oder dem Sohn mittels der Aroma-Pods Wasser schmackhaft machen zu wollen. Wetten, dass so Leitungswasser am Ende noch langweiliger für sie wird, als es eh schon ist? Und was, wenn die Aroma-Pods (fast 3 Franken kostet das Stück) mal ausgehen?

Das ist, von Joggingschuhen mal abgesehen, ein ziemlicher Betrag für ein Stück Plastik aus China.

Es mag zeitfremd klingen, aber sollten wir den Kids nicht besser zeigen, dass Eptinger und Henniez, Zurzacher und Knutwiler ganz unterschiedliche Mineralwasser und damit Geschmackssache (im doppelten Wortsinne) sind? Mit ihnen erkunden, wie verschieden die Brunnen einer Kleinstadt – je nach Quelle, je nach Temperatur – schmecken können?

Doch stattdessen verleiden wir den Kids solch «geschmackloses» Wasser mit einem System namens Air-up. Und blättern dafür erst noch stolze 50 Franken hin. Das ist, von Joggingschuhen mal abgesehen, ein ziemlicher Betrag für ein Stück Plastik aus China.

Immerhin ist Air-up zuckerfrei, werden jetzt die Gesundheitsfanatiker rufen. Stimmt schon, aber Coca-Cola Light ist das auch – und dennoch aus den oben genannten Gründen nicht das ideale Dauergetränk. Niemand gibt dem Kind regelmässig solche Diätgetränke mit in die Schule. Obwohl es sich inzwischen seltsamerweise tatsächlich durchgesetzt hat, dass man es keine einstündige Lektion am Stück durchhalten kann, ohne an einer Flasche zu nuckeln. Wieso eigentlich? Das wäre weitere Zeilen wert.

Der Selbsttest: Wie schmeckt Air-up?

Ein paar Worte noch zu den Aromen von Air-up – sie sind ziemlich grausig. «Watermelon» beispielsweise ist im Selbsttest meilenweit entfernt vom herrlich frischfruchtigen Geschmack echter Wassermelonen. Es handelt sich vielmehr um ein ungeheuer kitschiges Aroma, wie man es von Zuckerwatten und Bonbons her kennt. Es erinnert, Pardon, an den Rülpser eines Einhorns. Und bleibt im Mund haften, es ist schlichtweg grauenhaft.

Die Sorte Cola ist keineswegs besser, denn ganz ohne Kohlensäure ist der typische Caramelgeschmack des Softdrinks doch irgendwie ungewohnt. Am besten schmeckt noch Mandarine, wenigstens werden die Konsumenten damit nicht an einen allzu künstlichen Geschmack gewöhnt.

Wie es sich für ein zeitgemässes Unternehmen gehört, wirbt Air-up auf der Verpackung damit, dass das resultierende Getränk «vegan und vegetarisch, glutenfrei; kalorienfrei, zuckerfrei und fruktosefrei» ist. Mal abgesehen davon, dass es sich bei den letzten drei Begriffen grosso modo dreimal um dasselbe handelt – ist das Pfefferminztee nicht auch? Und der kostet erst noch deutlich weniger.