US-WahlkampfWas will Kamala Harris als Präsidentin?
Die demokratische Kandidatin vermeidet es tunlichst, ihr politisches Programm preiszugeben. Einiges ist aber bereits bekannt oder lässt sich erahnen. Ein Überblick.
Nach der perfekt inszenierten Show am demokratischen Parteitag diese Woche in Chicago tritt das erbitterte Ringen um die US-Präsidentschaft in die Endphase. Die wohlformulierte und noch besser vorgetragene Abschlussrede von Kamala Harris verlieh der frisch nominierten Kandidatin am Donnerstagabend zusätzlichen Schwung.
Schon am Folgetag vermochte Donald Trump jedoch die seit Wochen ungebrochen positiven Kamala-News zu durchkreuzen. Er sorgte dafür, dass der unabhängige Kandidat Robert F. Kennedy Junior zum wirksamsten Zeitpunkt den Rückzug aus dem Rennen bekannt gab und seine Anhängerschaft aufforderte, Trump zu wählen. RFK Jr. will mit seiner politischen Heimat, der demokratischen Partei, nichts mehr zu tun haben, weil diese mit allen Mitteln seine Teilnahme an den Wahlen zu vereiteln suchte. Den Republikanern könnte er am 5. November jedoch zum Sieg verhelfen, selbst wenn in den wichtigen Swing States bloss ein paar Tausend Wähler umschwenken und anstatt RFK Jr. Trump wählen.
Das ist bekannt über Harris’ politisches Programm
Trump kann jede Hilfe gebrauchen. Noch immer sucht er eine erfolgreiche Strategie gegen Harris, die derzeit vor allem als Strahlefrau auftritt und es vermeidet, ihr politisches Programm auszuformulieren, geschweige denn, sich kritischen Interviews darüber zu stellen. Ansatzweise ist aber durchaus bekannt, welche Ideen eine Präsidentin Kamala Harris umzusetzen versuchen wird:
Steuern
Wie sie am vorletzten Freitag enthüllte, will Harris den Unternehmenssteuersatz von 21 auf 28 Prozent erhöhen und die reichsten Amerikaner stärker zur Kasse bitten. Neu möchte sie auch umrealisierte Kapitalgewinne als Einkommen versteuern. Die Steuergutschrift für Neugeborene soll auf 6000 Dollar steigen.
Wohnungsnot
Harris möchte drei Millionen Wohneinheiten bauen. Ein Zuschuss von 25’000 Dollar an die Hypothek soll den Erstkauf von Wohneigentum erleichtern.
Schulden und Inflation
Harris will vermehrt Studentendarlehen und Schulden für medizinische Kosten vergeben. Zur Bekämpfung der Inflation bei Lebensmitteln denkt sie an Preiskontrollen – ein Vorschlag, der aber sehr schlecht ankam. Seit seiner Lancierung hat sie ihn nicht mehr erwähnt.
Einwanderung und Grenzen
Harris plant, das diesen Frühling gescheiterte Paket zur Reform der Immigrationsgesetzgebung erneut aufzulegen und Einbürgerungen zu erleichtern. Wie ernst sie es mit der Grenzsicherung meint, ist fraglich.
Abtreibung
Als Präsidentin will Harris ein weitgehendes Recht auf Abtreibung bis zum Ende einer Schwangerschaft gesetzlich verankern. Ein entsprechendes Verfassungsrecht wurde von der konservativen Mehrheit des Supreme Court 2022 rückgängig gemacht. Ein nationales Abtreibungsgesetz würde die unterschiedlichen, teils sehr restriktiven Regelungen in den einzelnen Gliedstaaten aufheben.
Wahlrecht
Nach mehreren Anläufen sollen Gesetze zur Vereinheitlichung der Wahlgesetze im Kongress durchgebracht werden. Sie würden Briefwahlen und das Sammeln von Stimmen durch Dritte erleichtern und die gliedstaatliche Hoheit der Wahlgesetze beenden.
Filibuster
Da im Senat bei den Themen Abtreibung und Wahlrecht die erforderlichen 60 von 100 Stimmen nicht erreichbar sind, soll die Filibuster genannte Supermehrheit aufgehoben werden. Dann würden 51 Stimmen genügen. Zu diesem radikalen Vorhaben bekannte sich Senator Chuck Schumer letzte Woche für den Fall, dass die Demokraten im Weissen Haus und in beiden Kongresskammern die Macht übernehmen. Fällt der Filibuster, würde dies die Tür zu revolutionären Umgestaltungen öffnen.
Oberstes Gericht
Ohne Filibuster könnte zum Beispiel der Supreme Court leichter umgebaut werden. Harris unterstützt Präsident Bidens Plan, die obersten Bundesrichter Ethikvorschriften zu unterwerfen und ihre derzeit lebenslangen Amtszeiten auf 18 Jahre zu beschränken.
Feuerwaffen
Kamala Harris plant umfassende Hintergrundprüfungen für sämtliche Waffenkäufe und will Sturmgewehre verbieten.
Europa und Nahost
Am Nato-Bündnis und der unbedingten Unterstützung der Ukraine gegen Russland will Harris nicht rütteln. Bezüglich des Gaza-Kriegs sagte sie in ihrer Rede zwar das Richtige. Beobachter vermuten indes, dass ihre Israelfreundschaft nicht so fest verankert ist wie bei Biden. Eher dürfte sie der iranfreundlichen Linie ihres Mentors Barack Obama folgen.
China
Über Harris’ Haltung in der Taiwan-Frage wird gerätselt. Zumindest wirtschaftlich scheint sie es mit China aufnehmen zu wollen. Falls ihr Vize-Partner Tim Walz das China-Dossier übernimmt, könnte eine Beschwichtigungspolitik resultieren. Walz gilt als lebenslanger Freund Chinas.
Redefreiheit
Als Autor eines diesbezüglichen Buchs bezeichnet Rechtsprofessor Jonathan Turley das Harris/Walz-Ticket als das hinsichtlich Redefreiheit am feindlichsten eingestellte Kandidatenpaar seit über 200 Jahren. Er erwartet mehr Zensurbemühungen sowie Massnahmen gegen Desinformation.
Justiz
Kamala Harris betont ihre Erfahrung als aggressive Staatsanwältin. Niemand nimmt an, dass sie gegen politische Widersacher weniger rabiat vorgehen würde als Bidens Justizministerium, das über 1450 Capitol-Stürmer vom 6. Januar 2021 angeklagt und mehr als 1000 von ihnen teils drakonischen Strafen zugeführt hat.
Sollte Harris im Fall einer Wahl zur Präsidentin ihre Härte unter Beweis stellen wollen, könnte das auch Ex-Präsident Trump zu spüren kriegen. Die gegen ihn angestrengten Strafrechtsprozesse würden weiterlaufen und könnten sehr wohl mit Gefängnisstrafen enden. Soweit das heute abschätzbar ist, darf Trump dann nicht mit der Begnadigung rechnen.
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